Vertrauensschutz – ein hohes Gut
Das BKA-Gesetz und dessen hessische Übersetzung, das Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) sehen vor, die Schweigepflicht von Ärzten und Therapeuten aufzubrechen. Es geht um die Legalisierung von Datensammeln und Datenverwerten, von Abhören und Verwanzen, von Ausspionieren des Internets und des Wohnraums, auch schon bei einem Anfangsverdacht. Die ärztliche und therapeutische Praxis scheint kein geschützter Raum mehr für Arzt, Therapeut und Patient.
Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach, Präsident der Landesärztekammer, unterstrich die elementare Bedeutung des Vertrauens zwischen Patient und Therapeut. „Dass der Patient sich seinem Arzt rückhaltlos anvertrauen kann, ist Grundlage jeder erfolgreichen Behandlung. Ärztinnen und Ärzte gehören daher per se zu den Berufsgruppen, denen ein besonderer Vertrauensschutz zusteht“, sagte er, „solange sie jedoch per Gesetz nicht von Online-Durch- und Wohnraumuntersuchungen ausgenommen sind, müssen wir dies als Angriff auf die ärztliche Schweigepflicht verstehen.“
„Diese Eingriffsmöglichkeiten des Staates weichen das Berufsgeheimnis von Ärzten und Psychotherapeuten auf und führen zu einem dramatischen Vertrauensverlust bei den Patienten in dem geschützten Raum im Rahmen der ärztlichen/psychotherapeutischen Praxis“, ergänzte Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer.
Der Präsident der Landeskammer für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Jürgen Hardt, ließ bei seiner Moderation der Diskussion keinen Zweifel an der Entschlossenheit der hessischen Heilberufe, auf eine gesetzliche Wiederherstellung des Vertrauensschutzes zu dringen. „Psychotherapie braucht absolute Vertraulichkeit, weil der innere Dialog des Menschen vernehmbar wird, wenn Patienten rückhaltlos über sich reden. Aber die freien Heilberufe sind nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet.“
Die Präsidentin der hessischen Apothekerkammer, Erika Fink, machte unmissverständlich deutlich: „Das HSOG muss korrigiert werden! Die ärztliche und psychotherapeutische Schweigepflicht ist ein wichtiges und hohes Gut, das es zu schützen gilt. Erst recht nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig ist, muss auch das HSOG neu überdacht werden.“
Konträre Positionen
Mit den beiden Hauptrednern, dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und dem hessischen Minister des Innern und für Sport, Volker Bouffier (CDU), stiegen zwei Verfechter konträrer Positionen in den „Ring“. Während sich der ehemalige Bundesinnenminister vehement dafür einsetzt, den Zugriff des Staates auf seine Bürger sowie exponierte Berufsgruppen weitestmöglich zu beschränken, rechtfertigt Hessens amtierender Innenminister Bouffier den Eingriff des Staates auch in den bisher geschützten Raum der therapeutischen Beziehung als zur Gefahrenabwehr unumgänglich. Die Freiheit des Einzelnen fände dort seine Begrenzung, wo die Freiheit des Nächsten eingeschränkt würde.
Nach der Veranstaltung musste sich der aufmerksame Zuhörer eingestehen, dass das Verständnis von Freiheit durchaus in der subjektiven Betrachtung des Einzelnen liegen mag. So endete das Wortgefecht der beiden Politikveteranen ohne Sieger und Besiegten. Der Hessische Heilberufetag, dessen dritte Veranstaltung innerhalb von zwei Jahren erneut erfolgreich zu Ende ging, entließ seine Besucher nachdenklich und angeregt zugleich.
Annette C. BorngräberLandeszahnärztekammer HessenRhonestr. 460528 Frankfurt