Noten vom Pflege-TÜV
Mehr Übersicht über die Qualität einer Pflegeeinrichtung – so lautete das Ziel des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes, das bereits im Sommer 2008 in Kraft getreten ist. Seit Juli 2009 untersuchen Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) unangemeldet Altenheime und Pflegedienste und beurteilen diese nach einem einheitlichen Bewertungsraster. Nun ist es soweit: Die ersten Ergebnisse dieses „Pflege-TÜVs“ liegen vor und können im Internet abgerufen werden.
Die im Dezember veröffentlichten Ergebnisse von ambulanten Pflegediensten in Rheinland-Pfalz haben das Vertrauen in die Benotung allerdings nachhaltig erschüttert. Mehr als die Hälfte der bislang überprüften Pflegedienste schnitt im Bereich „pflegerische Qualität“ mit der Note mangelhaft ab. Der Vorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz, Walter Bockemühl, glaubt allerdings, die Pflegedienste hätten nicht entsprechend ihrer Pflegequalität abgeschnitten. Warum ausgerechnet in Rheinland-Pfalz die Pflegedienste so schlecht beurteilt wurden, ist bisher unbekannt. Andere Bundesländer konnten diese Verwerfungen nicht bestätigen. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer bat deshalb die Pflegekassen ihres Bundeslandes, vorerst keine Pflegenoten im Internet zu veröffentlichen und das Zustandekommen der Noten zu überprüfen.
Aus einem ganz anderen Grund stehen auch die Benotungen der stationären Einrichtungen in der Kritik. Ersten Ergebnissen des MDK zufolge sollen fast 70 Prozent der deutschen Einrichtungen insgesamt gut und sehr gut sein. Pflegeexperten bezweifeln die Aussagekraft der Pflegenoten. Hauptkritikpunkt: Die Durchschnittsnoten seien wenig hilfreich, da selbst Einrichtungen mit einer katastrophalen medizinischen Pflege unter Umständen eine gute Gesamtnote erhalten können. Dass das möglich ist, liegt an der Unterteilung und Benotung verschiedener Teilbereiche. Ein „mangelhaft“ in der Pflege“ könne beispielsweise durch ein „sehr gut“ im Bereich „Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene“ kompensiert werden, kritisieren Pflegeexperten.
In die Irre geleitet
„Mit dieser Form der Bewertung werden die Verbraucher förmlich in die Irre geleitet, wenn sie einer guten MDK-Bewertung vertrauen und nicht bedenken, worauf sich diese bezieht“, kritisiert der Pflege-Selbst-hilfeverband. Es sei bedauerlich, dass die Chance vertan wurde, ein Bewertungssystem einzuführen, das Anreize zur Verbesserung setzt, statt lediglich den Dokumentationswahn zu verstärken, so die Vorstandsvorsitzende des Pflege-Selbsthilfeverbands, Adelheid von Stösser.
„Wir wissen selbst, dass die Gesamtnote nicht immer aussagekräftig ist“, so der Vorsitzende des Ersatzkassenverbands, Thomas Ballast, gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“. Wer ein Heim sucht, solle sich unbedingt die Einzelnoten anschauen und nicht nur auf die Durchschnittsnote vertrauen, rät Ballast deshalb.
Der Ersatzkassenverband hatte 2008 gemeinsam mit den anderen Spitzenverbänden der Krankenkassen, den kommunalen Spitzenverbänden und der Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen das Bewertungsraster ausgehandelt.
Qualität transparent machen
Das Grundproblem ist seit Langem bekannt: Betroffene, die auf der Suche nach einer guten Pflege sind, haben es nicht leicht. Hochglanzprospekte verraten möglicherweise etwas über den Werbeetat einer Einrichtung – eine Beurteilung der Pflegequalität ist damit aber nicht möglich. Leicht verständliche Qualitätsberichte schaffen Abhilfe – sie ermöglichen es den Pflegebedürftigen beziehungsweise ihren Angehörigen, die Qualität verschiedener Einrichtungen besser miteinander zu vergleichen. Schulnoten von „sehr gut“ bis „mangelhaft“ machen schwarz auf weiß klar, wie es um die Qualität der Pflege in jedem einzelnen Pflegeheim oder ambulanten Pflegedienst bestellt ist.
Mit insgesamt 82 Einzelbewertungen, vier Bereichsnoten und einer durchschnittlichen Gesamtnote sollen die Qualitätsberichte dafür sorgen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen eine verständliche und unabhängige Hilfestellung bei der Auswahl einer Pflegeeinrichtung bekommen. „So viel Transparenz wie jetzt entsteht, gab es in diesem Bereich noch nie. Und die Transparenz wird zu wettbewerblichen Anstrengungen der Pflegeeinrichtungen führen“, ist sich Klaus-Dieter Voß, Vorstand des GKV-Spitzenverbands, sicher.
Basis für die Pflegebenotung sind die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen, die vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen erstellt werden. Mit Hilfe der Datenclearingstelle (DCS) sammeln die Landesverbände der Pflegekassen die Ergebnisse aller Qualitätsprüfungen online ein. Aus den Qualitätsprüfungsberichten werden dann die Pflegenoten ermittelt und an die Landesverbände der Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen weitergeleitet.
Für die Überprüfung einer Einrichtung kommen die Prüfer prinzipiell unangemeldet. Sie untersuchen verschiedene Bereiche der Einrichtung nach einem festgelegten Kriterienkatalog. Die Gesamtnote setzt sich dabei aus verschiedenen Einzelnoten zusammen. So wird der Teilbereich „Pflege und medizinische Versorgung“ ebenso bewertet wie der „Umgang mit demenzkranken Bewohnern“. Auch die „soziale Betreuung und Alltagsgestaltung“ wird gesondert benotet. Letzter der vier Teilbereiche ist der Komplex „Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene“.
Bevor die Pflegenoten einer Einrichtung veröffentlicht werden, hat diese vier Wochen Zeit, das Prüfergebnis zu kommentieren und zusätzliche Angaben, beispielsweise über speziellen Angebote der Einrichtung, zu machen. Erst danach werden die Berichte mitsamt der Benotung von den Pflegekassen online gestellt. Die Aufarbeitung im Internet ist bundesweit einheitlich geregelt. Die Suchmaschinen aller Pflegekassen enthalten das gleiche Darstellungsschema und werden wöchentlich einmal aktualisiert.
„Die ersten Ergebnisse haben gezeigt, dass eine Reihe von Einrichtungen zum Teil deutliche Qualitätsdefizite hat und in die Verbesserung seiner Qualität investieren muss“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS). „Hier stellen die Pflegenoten endlich Transparenz her“. Nach Angaben des MDS sind in Deutschland etwa 2,1 Millionen Menschen pflegebedürftig und erhalten Leistungen der Pflegeversicherung. Rund ein Drittel davon, etwa 700 000 Menschen, lebt in Pflegeheimen, knapp anderthalb Millionen Pflegebedürftige erhalten ambulante Pflegeleistungen und werden zu Hause gepflegt.
Otmar MüllerGesundheitspolitischer FachjournalistNürburgstr. 650937 Köln