Schluss mit dem Schautanzen
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Vorsorge oder Fairness – die Opposition im Deutschen Bundestag hatte die Wahl. Man entschied sich für die Vorsorge: Kaum hatte der neue Bundesgesundheitsminister Rösler sein Arbeitszimmer bezogen, da klingelte die Parlamentarische Opposition schon vorsorglich Alarm. Ein Liberaler im BMG – das müsse schon vom Grundsatz her schädlich für ein solidarisches System sein. Und bevor einer auf vermeintlich dumme Gedanken kommt, gönnt man ihm auch die sonst so hoch gehaltene 100-Tage-Frist nicht.
Störend und auch verstörend wirkt dazu noch manch Muskelspiel in CDU-, aber vor allem CSU-Kreisen. Seitdem im Koalitionsvertrag von einem langfristigen Einstieg in ein pauschales Prämiensystem die Rede ist, sind die Exorzisten diesem Teufelszeug auf der Spur; der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers und sein Sozialminister Laumann stehen schließlich vor einer wichtigen Landtagswahl, und in Bayern ist Gesundheitspolitik thematisch eh eine fest gefügte Bank – zum einen für den defensiven Ministerpräsidenten Seehofer, zum anderen für den flotten, offensiven Gesundheitsminister Söder. So sind hier wohl alle einig: das koalitionsinterne Debakel, die ersten Wochen der neuen Regierung sind alles andere als ein gutes Aushängeschild für die schwarz-gelbe Koalition.
Im Gespräch mit dem Vorstand der KZBV hat Minister Rösler klargemacht, dass er mehr wolle als ein erneutes Kostendämpfungsgesetz. Das ist lobenswert. Dass sein Haus bis kurz vor Weihnachten noch gar nicht genügend aufgestellt sei, Konzepte und Eckpunkte aus dem Hut zu zaubern, ist verständlich.
Sicherlich liegen daher Parlamentarier wie der CDU-Gesundheitsexperte Rolf Koschorrek nicht falsch, wenn sie dem Gerücht widersprechen, man treffe bewusst vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen keine Entscheidungen. Der Ernst der Lage im Gesundheitswesen, soviel wissen Koschorrek oder auch Rösler als Gesundheitspolitiker vom Fach, erfordert mehr als die bisher bekannten Schnellschuss-Vorschaltgesetze.
Insofern ist das volkstümliche Schautanzen der CSU in dieser Angelegenheit kaum förderlich für eine nachhaltige Kurskorrektur. Wir müssen in unserer strategischen Ausrichtung schon berücksichtigen, dass hier ein ernst zu nehmender Streit ausgetragen wird. An dessen Ende wird sich erweisen, wie politikfähig die FDP in dieser Koalition sein wird. Jetzt ist nicht die Zeit kurzfristiger Wahlgeschenke.
Der Minister hat die bekannten Forderungen der Zahnärzteschaft erneut als gerechtfertigt und verständlich anerkannt. Der nötige Handlungsbedarf wurde nur bestätigt. Für die Vorstände und Präsidien von KZBV und BZÄK beginnt die Kärrnerarbeit erneut, aber die Ohren im BMG stehen offensichtlich nicht mehr auf Durchzug.
Aus unseren bisherigen Gesprächen mit „den Neuen“ im Ministerium haben wir das Angebot mitgenommen, unseren Teil zum Gesamtpaket der nächsten Gesundheitsreform darzustellen, zu erläutern und als Beitrag für den Erhalt des im internationalen Vergleich nach wie vor von hoher Qualität geprägten Versorgungssystems beizusteuern.
Aber man sollte auch berücksichtigen: Bei aller Konstruktivität, die unsere Vorschläge mit sich bringen, bei allem Verständnis für die erforderliche Sortierungs- und Findungsphase der Politik: Wir Zahnärzte haben trotzdem eine fest gefasste Erwartungshaltung an die jetzige Bundesregierung: Um diese vielleicht letzte Chance einer nachhaltigen Kurskorrektur im deutschen Gesundheitswesen nicht auch noch zu zerreden, muss der avisierte Terminplan, noch in diesem Jahr zu konkreten Ergebnissen zu kommen, eingehalten werden.
Dann wird man sehen, wohin die Reise geht. Die derzeitigen Interviews des Sympathieträgers Rösler geben dazu weder Hinweis noch Aufschluss. Die Strukturreform der Finanzierung, also die zukünftigen Rollen von Arbeitgeberanteilen, Steuermitteln, Zusatzbeiträgen und Zuzahlungen, ist das eine; die Finanzierung des Leistungskatalogs, die notwendigen strukturellen Veränderungen der GKV sind das andere. Jeder erwartet den großen Wurf. Da wird der erste Referentenentwurf aus dem „neuen“ BMG für eine Gesetzesinitiative die Richtung angeben. Schließlich muss auch diese Regierung – und damit auch dass BMG – bald „in die Pötte kommen“.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV