Der gute Ton im Internet
„Früher war alles einfacher: Ein Mann war ein Gentleman, eine Frau eine Dame und Knigge regelte seit über 200 Jahren, wie die Menschen miteinander umzugehen hatten. Und heute?“, fragen die Macher der eEtiquette auf der Homepage ihres Projekts. In Zeiten moderner Kommunikation müsse man sich Gedanken darüber machen, ob es in Ordnung ist, eine Kontaktanfrage auf Facebook zu ignorieren oder wie lange man im Café das kostenlose W-LAN nutzen darf, ohne etwas zu bestellen. „Der digitale Lifestyle ändert unser Leben und unser Verhalten“, so das Fazit. Die eEtiquette soll helfen, die neuen Herausforderungen zu meistern.
Hinter dem Projekt steckt das Creation Center der Deutschen Telekom. Es hat die Eckpunkte des Online-Knigge zusammen mit dem Fachbereich für Interaction Design an der TU Berlin, dem Londoner Royal College of Art, der Deutschen Knigge Gesellschaft sowie 40 Usern aus aller Welt erarbeitet. Der Katalog wird ständig erweitert und umfasst mittlerweile trotz seines Titels 108 Ratschläge für die korrekte Kommunikation per SMS, Mail oder Videokonferenz sowie in Blogs, Chats und sozialen Netzwerken.
Das Minenfeld E-Mail
Wie missverständlich E-Mails sein können, wissen inzwischen viele Menschen aus Erfahrung. Spontane Rückfragen sind erstmal nicht möglich. Werden Inhalt oder Tonfall falsch verstanden, entstehen Probleme. Dann empfiehlt es sich, Leitlinie 25 zu befolgen: „Mit einem kurzen Telefonanruf lässt sich eine endlose Kette frustrierender E-Mails umgehen.“
User können Mails mithilfe von Emotikons wie etwa lachenden Gesichtern auflockern. Allerdings ist dieses Hilfsmittel mit Vorsicht zu genießen: „Ein „digitales Lächeln“ in Form von Smilies kann private Türen öffnen :} aber auch professionelle schließen :-|“, heißt es deshalb in Regel 102. Der Sender einer E-Mail sollte sich also immer klar machen, wie vertraut er mit dem Empfänger ist. In diesem Zusammenhang ebenfalls relevant ist Leitlinie 12: „Beim ersten Kontakt sollte eine korrekte Anrede und Grußformel verwendet werden. Danach gerne lockerer formulieren.“
Präzision ist wichtig in der digitalen Kommunikation, mahnen die Macher der eEtiquette, vor allem bei geschäftlicher Korrespondenz (Leitlinie 104): „Der Betreff einer E-Mail ist wie die Beschriftung eines Umzugskartons. Was drin ist, sollte auch draufstehen.“ Fragen beantwortet man am besten einzeln und nacheinander. Stellt man selbst welche, sollten sie einfach zu beantworten sein.
E-Mails, die nicht sofort bearbeitet werden, sollten zumindest bestätigt werden, fordert Leitlinie 15. Und: „Entschuldige dich immer für eine verspätete Antwort.“ Dem Sender einer Mail legt Regel 66 ans Herz, bei beruflichem Schriftverkehr auch an die Freizeitplanung der Empfänger zu denken. Schickt man eine Nachricht außerhalb der normalen Arbeitszeit los, sollte man sich nicht über eine verzögerte Antwort wundern.
Schöne Formulierungen haben auch im digitalen Zeitalter Daseinsberechtigung, findet der Online-Knigge. Regel 14 lautet dementsprechend: „e-mails die in kleinbuchstaben, und mit falscher zeichensetzung verfasst sind lassen dich ungebildet oder, faul erscheinen.“ Von einem Smartphone gesendete Mails sollten daher kenntlich gemacht werden. „Die Phrase „von meinem Mobiltelefon gesendet“ lässt Empfänger großzügiger über knappe Ausdrucksformen und Rechtschreibfehler hinwegsehen“, erläutert Leitlinie 10.
Immer gut für einen digitalen Fauxpas: das Versenden zu großer Dateien. Ist das Postfach des Empfängers nicht dafür gerüstet, kann das zu Problemen und Frust führen. „Das Schicken von großen Dateianhängen ist wie Reisen mit Übergepäck. Es bremst und blockiert gerne das System.“ Deshalb nicht ungefragt Riesenmails verschicken, sondern mit dem Adressaten absprechen, ob er einen anderen Kanal – zum Beispiel einen Filesharing-Dienst – bevorzugt.
Ein Handy ist keine Gabel
„Es ist okay, während des Essens eine SMS zu verschicken, solange das alle am Tisch tun – verwechsle jedoch nicht die Gabel mit dem Handy“, rät Regel Nummer 40. Entscheidend sei das richtige Maß. Die Existenz seines Mobiltelefons zu ignorieren, wäre sogar vollkommen falsch. Wer ein Handy hat, muss es auch nutzen, heißt es in Leitlinie 51: „Du besitzt ein Handy, um in Kontakt zu bleiben. Es verärgert Andere, wenn Du nie erreichbar bist.“
Nicht zu unterschätzen ist auch Regel 105: „Kleider machen Leute – Klingeltöne auch! Wähle dein akustisches Accessoire bewusst.“ Telefoniert man in der Öffentlichkeit, sollte man nach Regel 38 mindestens drei Meter Abstand zu anderen Menschen halten. Ein weiterer Rat (Leitlinie 43): „Während Du in Gesellschaft bist, solltest Du nie länger mit Deinem Telefon spielen, als Du für einen Gang auf die Toilette benötigen würdest.“
Viel Raum widmen die Leitlinien dem richtigen Verhalten in sozialen Netzwerken wie Facebook. Ganz wichtig: der Umgang mit Fotos. Die goldene Regel lautet: „Stelle nur Bilder ins Netz, die Deine Mutter freigeben würde.“ Zudem sollte man verfolgen, auf welchen Fotos man im Netz zu sehen ist. „Es ist in Ordnung, Tags von unvorteilhaften Bildern zu entfernen“, bescheinigt Leitlinie 52. Absolutes Tabu ist, Fotos von Anderen ohne deren Einverständnis zu veröffentlichen. Auf den guten Ton zu achten, ist ein Muss bei der Profilpflege. Leitlinie 30: „Entferne unansehnliche Mitteilungen und Kommentare von deiner Netzwerkpräsenz.“ Den richtigen Ton zu treffen, ist nicht immer einfach. Die eEtiquette empfiehlt deshalb unter Punkt 87: „Werde auf den sozialen Netzwerkseiten anderer Nutzer nicht zu persönlich. Schreibe lieber eine E-Mail.“
Nicht jeder Annäherungsversuch auf Facebook ist willkommen. „Wenn deine Freundschaftsanfrage nicht akzeptiert wird, akzeptiere es einfach“, rät Leitlinie 35. Um seine Erfolgschancen zu erhöhen, ist es aber ratsam, jede Anfrage mit einer persönlichen Notiz zu versehen und sich auf die gemeinsame Verbindung zu beziehen (Regel 59). Man selbst darf natürlich auch Gesuche ablehnen, beruhigt Regel 63.
Und auch die Frage nach der Nutzung des kostenfreien Internets in Cafés beantwortet die eEtiquette (Leitlinie 84): „Die erste ‚kostenfreie‘ Stunde in einem Café kostet einen Cappucino und einen Muffin. Die zweite nur noch einen Schokokeks.“
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net