Koliken rufen den Chirurgen auf den Plan
Das Gallensteinleiden ist eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts: Immerhin lassen sich bei rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung Gallensteine nachweisen und etwa 170 000-mal pro Jahr wird in Deutschland eine „Cholezystektomie“ auf den OP-Plan gesetzt. Wie weit Gallensteine tatsächlich verbreitet sind, macht nach Professor Dr. Frank Lammert, Homburg/Saar, vor diesem Hintergrund die Tatsache deutlich, dass 70 bis 80 Prozent der Gallensteine klinisch stumm bleiben.
Solange keine Beschwerden auftreten, ergibt sich in aller Regel kein Handlungsbedarf, wie der Mediziner bei der Gastroenterologie-Seminarwoche der Falk Foundation e.V. in Titisee darlegte. Anders sieht das aus, wenn Gallensteine Koliken verursachen. Bei zufällig entdeckten asymptomatischen Gallensteinträgern ist dies bei rund zwei bis vier Prozent pro Jahr der Fall, wie Beobachtungen über einen zehnjährigen Verlaufszeitraum demonstrieren. Zehn Jahre und später nach dem Zufallsbefund sinkt laut Lammert das Risiko noch weiter ab.
Klinisch stumme Gallensteine ohne Therapie
„Treten Koliken auf, so muss das als Warnsignal verstanden werden“, mahnte der Mediziner. Dann nämlich drohen Komplikationen wie eine akute Cholezystitis, eine Cholangitis oder auch eine Pankreatitis. Bei der Cholezystitis ist der Schmerz üblicherweise im rechten oberen Quadranten lokalisiert und verstärkt sich bei Inspiration und tiefer Palpation unter dem rechten Rippenbogen, ein auch als Murphy-Zeichen benanntes Phänomen.
Es wird aufgrund des Komplikationsrisikos heutzutage deutlich rascher als früher eine Indikation zur operativen Entfernung der Gallenblase gestellt, wobei der Eingriff üblicherweise laparoskopisch erfolgt. Nur bei leichten und/oder seltenen Koliken ist im Einzelfall bei Patienten mit symptomatischen Gallenblasensteinen ohne Komplikationen eine Behandlung mit der Gallensäure Ursodeoxycholsäure (10 mg/kg/Tag) gerechtfertigt.
Bestehen Beschwerden, so sollte nach Professor Dr. Dr. Ulrich T. Hopt, Freiburg, der operative Eingriff rasch erfolgen, wobei der Chirurg für einen Zeitraum von 24 bis 72 Stunden plädierte. Liegt ein akutes Abdomen vor, eine Perforation oder ein Empyem, so muss sogar mit hoher Dringlichkeit vorgegangen werden: „Dann muss innerhalb von zwölf bis 24 Stunden operiert werden“, betonte Hopt in Titisee.
Operation zur Karzinomprophylaxe
Diskutiert wird nach seiner Darstellung, inwiefern durch eine vorsorgliche Cholezystektomie bei Gallensteinträgern dem ansonsten doch etwas erhöhten Karzinomrisiko der Patienten entgegengewirkt werden sollte. Allein zur Karzinomprophylaxe hält zumindest Lammert den Eingriff aber nicht für gerechtfertigt. Denn auch die laparoskopische Entfernung der Gallenblase ist nach seinen Worten nicht ohne Komplikationsrisiko. „Eine Operationsindikation zur Karzinomprophylaxe besteht nur bei sehr deutlich erhöhtem Karzinomrisiko“, gab der Gastroenterologe in Titisee zu verstehen. Dazu gehört nach seinen Worten das Vorliegen einer sogenannten Porzellangallenblase, weil bei solchen Veränderungen die Krebsgefahr überproportional hoch ist. Das gilt insbesondere, wenn die Porzellangallenblase fleckförmige Verkalkungen in der Bildgebung zeigt. Auch bei Polypen von mehr als einem Zentimeter Durchmesser und bei Konkrementen von mehr als drei Zentimetern kann eine Cholezystektomie erwogen werden, weil die Krebsgefahr erhöht ist.
Gallensäure und Abnehmen
Der Behandlung mit der Gallensäure Ursodeoxycholsäure könnte allerdings eine gewisse prophylaktische Bedeutung zukommen. Denn es ist gut bekannt, dass die Gallensäure den Gallefluss anregt. Das kann für Menschen hilfreich sein, die sehr stark an Gewicht abnehmen. Denn diese haben insgesamt ein erhöhtes Risiko, Gallensteine zu entwickeln oder mit Beschwerden zu reagieren, wenn sie bereits asymptomatische Gallensteinträger sind. Die Einnahme der Gallensäure, die für diese Indikation aber nicht offiziell zugelassen ist, kann dazu beitragen, das erhöhte Risiko für die Entwicklung eines manifesten Gallensteinleidens unter einer strikten Reduktionsdiät zu mindern. Zur Prophylaxe empfiehlt Lammert die Einnahme von 500 mg Ursodeoxycholsäure täglich.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln