Zahnmedizinische Versorgung

Der Bedarf wird steigen

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Demografische Veränderungen in der Gesellschaft haben Auswirkungen auf die medizinische und zahnmedizinische Versorgung: Die Menschen werden älter, die Anzahl chronischer Krankheiten und multimorbider Patienten steigt. Damit entsteht versorgungspolitischer Handlungsbedarf. Die Herausforderungen für die Zahnmedizin der Zukunft skizziert Prof. Dr. Elmar Reich, Biberach. Er ist Mitautor der neuen IDZ-Studie zum Rollenverständnis von Zahnärztinnen und Zahnärzten in Deutschland (ANFO-Z, siehe zm 5/2010, Seite 18ff.). Im Rahmen der Studienrecherche stellte er die aktuelle Faktenlage zusammen.

Die demografische Entwicklung in Deutschland, verbunden mit der Prävalenz-Entwicklung oraler Erkrankungen sowie dem zahnmedizinischen Fortschritt, wird zu einem höheren Bedarf an umfangreichen Versorgungen in den nächsten Jahrzehnten führen. Es nicht absehbar, welche Entlastungen durch Prävention oder Therapiemaßnahmen in den nächsten 10 Jahren auftreten werden. Eher ist damit zu rechnen, dass die Entwicklungen zu einer Kompression der Krankheitslast im höheren Erwachsenenalter beziehungsweise bei Senioren führen werden. Damit steigt der präventive und therapeutische Bedarf mit zunehmendem Lebensalter.

Versorgungspolitisches Ziel ist eine weitere Reduktion der Zahnverluste bei Erwachsenen und Senioren. Wie sich aber schon in den letzten Jahren gezeigt hat, ist durch die größere Anzahl von erhaltenen Zähnen bei Erwachsenen mit einer weiteren Zunahme der Wurzelkaries zu rechnen. Auch dürften die Parodontalerkrankungen bis zum Jahr 2020 weiterhin zunehmen. Aufgrund der zunehmenden Zahl der Senioren und aufgrund gesteigerter Ansprüche (medizinischtechnischer Fortschritt) an die Versorgung ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Therapiebedarf erhöhen wird.

Allgemeinmedizinische Aspekte

Es gibt vielfältige Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Diabetes, Herzleiden, Schlaganfällen und Atemwegserkrankungen. Eine Reihe von Veränderungen im Mund sind Frühsignale von Allgemeinerkrankungen wie zum Beispiel Candidose, Haarzunge, Kaposisarkom und Xerostomie. Aus diesen Gründen müssen sich Zahnärzte mit allgemeinmedizinischen Aspekten befassen, die weit über die normale zahnärztliche Therapie hinausgehen. Zwingend notwendig ist deshalb auch eine bessere Vernetzung und Kooperation der Zahnärzte mit anderen medizinischen Fachdisziplinen. Der zahnärztliche Berufsstand wird somit in Zukunft zur Diagnose von schweren Allgemeinerkrankungen im Frühstadium beitragen können und so lebensbedrohliche Zustände verringern helfen. In den nächsten Jahren kann man von einer weiteren Zunahme des Trends zur Erhaltung eigener Zähne ausgehen. Die Anzahl der Erwachsenen und Senioren mit Totalprothesen wird weiter zurückgehen. Eigene Zähne und in geringem, aber zunehmendem Umfang auch Implantate werden vorhanden sein. Bei der hohen Prävalenz von parodontal verursachten Destruktionen und der körperlichen und geistigen Veränderungen im Seniorenalter muss von einer starken Zunahme der präventiven und therapeutischen Bedarfe ausgegangen werden (Kompression der Morbidität). Die insbesondere für die Prävention zu veranschlagenden Kosten werden derzeit und vermutlich auch in Zukunft von der GKV nicht übernommen.

Der immobile Patient

Ein großes und zunehmendes Problem bei Senioren ist jedoch die aufwändige und problematische zahnärztliche Versorgung bei pflegebedürftigen oder gar immobilen Personen. Die Anforderungen an Zahnärzte und deren Mitarbeiter steigen, da gerade bei Älteren auch Allgemeinerkrankungen mit ihren Symptomen Auswirkungen auf die oralen Erkrankungen zeigen. Darüber hinaus wachsen ebenso die Anforderungen an aufsuchende Betreuungsmodelle, deren Absicherung im Rahmen der GKV bisher völlig unzureichend ist.

Die demografisch und epidemiologisch erkennbaren Veränderungen machen es heute schon notwendig für alle Altersgruppen eine umfassende präventive Betreuung in der Praxis zu gewährleisten, wenn die vorhandenen Zähne und die Kaufähigkeit bis ins hohe Alter gewährleistet werden sollen.

Mehr Zahnersatz

Wegen der sich in Deutschland mit schöner Regelmäßigkeit verändernden Versicherungsbedingungen (GKV-Leistungsspektrum) und der nicht vorhersehbaren sozialen Bedingungen kann der wirtschaftlich vom Patienten zu deckende Bedarf an großen Versorgungen nicht präzise abgeschätzt werden, aber es ist weiterhin von hohen Ansprüchen der Patienten auszugehen. Wahrscheinlich kann eher von einem steigenden Bedarf an Zahnersatz bis zu implantologischen Maßnahmen gerechnet werden.

Die zahnärztliche Versorgung im ländlichen Raum braucht eine besondere Beachtung, da diese wie die hausärztliche Versorgung zur medizinischen Grundversorgung zählt. Mitarbeiterkompetenz ist weiter auf hohem Niveau notwendig, neben der Prävention insbesondere im gerostomatologischen Bereich. Die Zusammenarbeit mit pflegerischen Berufen ist zu intensivieren und zur Verbesserung der Mundhygiene immobiler und pflegebedürftiger Patienten sind Schulungen und Fortbildungen (unter Zuhilfenahme zahnärztlicher Kompetenz) notwendig.

Da ein erheblicher Prozentsatz von Praxen sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, müssen Praxisgründungen und -übernahmen in Zukunft stärker auf die betriebswirtschaftliche Situation abgestimmt werden. Auch müssen die betriebswirtschaftlichen Steuerungsmöglichkeiten von Praxisinhabern stärker genutzt werden. Eine schon deutlich zu beobachtende Tendenz sind die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten für Zahnärzte.

Es ist auch in Zukunft davon auszugehen, dass neue Therapien aufgrund der Forschungsergebnisse in den nächsten Jahren eine diesbezügliche Nachfrage auslösen werden. Ob diese allerdings eine vergleichbare Veränderung des Therapiespektrums wie durch die Implantologie nach sich ziehen werden, kann noch nicht beurteilt werden. Hauptschwerpunkt dürften Therapien sein, die die Erhaltung oraler Strukturen zum Ziel haben. Potenziale liegen ferner in der Früherkennung systematischer Erkrankungen (Screening) und in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachdisziplinen.

Prof. Dr. Elmar ReichRolf-Keller-Platz 188400 Biberach

Literatur beim Verfasser

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