Unerwünschte Gäste
Seit jeher sind Kopfläuse in Europa heimisch. Sie verbreiten sich sehr leicht weiter. Kinder – speziell Mädchen – sind besonders vom Läusebefall betroffen. Im Durchschnitt werden jedes Jahr fünf Prozent der Schüler eines Grundschuljahrgangs befallen. Läuse sind flügellose, wirtsspezifische Insekten, die sich gerne in dicht behaarten Bereichen (Kopf, selten Bart und Augenbrauen) aufhalten. Man unterscheidet die hier thematisierten Kopfläuse von Filzläusen und Kleiderläusen. Läuse ernähren sich von Blut, das sie – nach einem schmerzlosen Stich – mehrmals täglich aus der Kopfhaut saugen. Ohne „Blutmahlzeit“ trocknen sie aus und verenden im Laufe des zweiten Tages, spätestens nach 55 Stunden. Die Endglieder der sechs Beine sind zu Klauen geformt, mit denen sie sich an den Haaren festklammern. Erwachende Läuse leben drei Wochen – die Weibchen produzieren in dieser Zeit bis zu 300 Eier. Jedes Ei wird mit einer wasserunlöslichen Substanz an ein Haar gekittet und mit einem Chitingehäuse (Nisse) umschlossen. Kopfläuse können (wie Kleiderläuse) pathogene Bakterien übertragen. Nachgewiesen ist die Übertragung von Fünf-Tage-Fieber (Bartonella quintana) und Läuserückfallfieber. Auch die Übertragung von Pest (Yersina pestis) wird vermutet. Weiterhin kann es zu regionalen Lymphknotenschwellungen kommen (okzipitale und/oder zervikale Lymphadenitis). Der Befall von Läusen ist daher eine –nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 34 Abs. 5)– meldepflichtige Erkrankung. Eltern sind im Krankheitsfall der Kinder verpflichtet, den Kindergarten oder die Schule zu informieren. Diese muss das örtliche Gesundheitsamt benachrichtigen. Der Zahnarzt sollte die Eltern eines „verlausten“ Patienten auf die Meldepflicht hinweisen.
Leitsymptom bei erkrankten Kindern ist ein starker Juckreiz, der zu Kratzexkorationen und Schlafstörungen führt. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Parasiten in der Nacht mehrfach den Wirt wechseln, wenn Kinder zusammen in einem Bett schlafen. Folglich haben vermutlich alle Kinder in der Familie Läuse, auch wenn nur ein Kind symptomatisch ist. Die empfindlichste Nachweismethode ist das „feuchte Auskämmen“. Dabei wird das, mit Wasser und einer Haarpflegespülung angefeuchtete Haar, systematisch mit einem Nissenkamm (Apotheke) nach lebenden Läusen und Nissen durchsucht.
Bei der Therapie empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI) eine Kombination aus Nissenkamm und einem Insektizid oder einem anderen Arzneimittel mit den Wirkstoffen Allethrin, Permethrin und Pyrethrum. Dr. Michael Forßbohm, Leiter der Abteilung Infektionsschutz beim Gesundheitsamt in Wiesbaden und Experte für Kopfläuse hat eine Kontrollmethode entwickelt, um den Behandlungserfolg zu überprüfen. Die „Ein-Zentimeter-Regel“ besagt, dass Nissen leer sind, wenn sie mindestens einen Zentimeter von der Kopfhaut entfernt sitzen. Hintergrund: Menschliches Haar wächst im Monat etwa einen Zentimeter. Weil Läuse ihre Eier an den Haaransatz kleben, wären etwaige Larven also nach einem Monat längst geschlüpft.
Praxisteam untersuchen
Wie sollten sich die Mitarbeiter verhalten, wenn ein verlauster Patient auf dem Behandlungsstuhl sitzt? Forßbohm rät: „Alle Mitarbeiter, die Haar-zu-Haar-Kontakt mit einem verlausten Patienten hatten, müssen auf Läuse untersucht und gegebenenfalls behandelt werden. Ansonsten reichen Reinigungsmaßnahmen (wie feucht wischen) aus, um andere Patienten oder das Personal vor einer Infestation zu schützen.“
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weist zudem darauf hin, auch Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände, die mit Haupthaar in Berührung kommen, sorgfältig zu reinigen:
• Wäsche bei mindestens 60 Grad waschen
• Gegenstände für drei Tage in einem gut verschlossenem Plastikbeutel beziehungsweise für zwei Tage bei einer Temperatur unter -10 °C aufbewahren
Vom Einsatz von Desinfektionsmitteln oder Insektiziden rät die BZgA ab.
Resistenzen nehmen zu
Resistenzen, die etwa in Dänemark und Großbritannien – insbesondere gegen Permethrin und Malathion (in Deutschland nicht als Läusemittel zugelassen) – beobachtet wurden, verpflichten zu erhöhter Aufmerksamkeit. Dies bestätigen laut einem Bericht des Magazins „Focus“ auch Wissenschaftler der Universität Kiel. Das Forscherteam untersuchte 2 000 Kieler Kinder zwischen drei und zwölf Jahren. Bei vier Prozent der Kinder fanden die Forscher Kopfläuse: Alle Parasiten wiesen eine identische Genveränderung auf, die sie unempfindlich gegen das Insektengift Pyrethrum macht. Die Dermatologin Prof. Regina Fölster-Holst, Leiterin der Studie erklärt: „Uns lagen Studien aus Dänemark, Frankreich und Israel vor, in denen eine Resistenz durch eine Genmutation beschrieben wird. […] Für die untersuchten Fälle in Kiel ist der Nachweis jetzt auch gelungen.“ Nach Ansicht von Fölster-Holst braucht man jetzt klinische Studien, die die gängigen mit den neueren Kopflauspräparaten auf der Basis von Silikonölen vergleichen. „Diese sogenannten Dimetikone verschließen die Atmungsorgane der Läuse, so dass sie ersticken“, erklärt die Wissenschaftlerin. Eine konventionelle, gründliche Behandlung mit einem Nissenkamm sei aber immer noch ein sinnvoller Weg, um sämtliche Eier der Parasiten zu entfernen, rät Fölster-Holt.