Millionen für abgesetzte Kassenchefs

Fürstliche Abfindung

Drei vordem selbstständige Minikrankenkassen haben nach der Fusion ihre ehemaligen Chefs mit insgesamt 1,6 Millionen Euro beglückt – aus Beitragsgeldern. Ein Unding, geißelt der Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht und rügt insbesondere das Missverhältnis zwischen Vergütung und Leistung.

Die drei kleinen bayerischen Betriebskrankenkassen – sie hatten zwischen 3 800 und 6 500 Versicherte – waren so blank, dass sie mit einer vierten fusionieren mussten. Was die vierte nicht davon abhielt, den nun arbeitslosen ehemaligen Vorständen den Abschied mit 1,6 Millionen Euro zu versüßen. Statt einer Abfindung von 156 000 Euro erhielten die drei dank fragwürdiger Verträge bis zu 610 000 Euro, rügten die Rechnungsprüfer. Und verlangten, Verträge, die in krassem Missverhältnis zu den vereinbarten Leistungen stehen, künftig zu verbieten.

SB-Prinzip: jeden Euro mitnehmen

Im konkreten Fall müsse auch geprüft werden, ob man die Zahlungen wegen Sittenwidrigkeit stoppen und bereits geleistete Beträge zurückfordern könnte, heißt es in dem Prüfbericht. Ansonsten sei auch denkbar, den Vorstand der neuen Krankenkasse in Regress zu nehmen.

Was war passiert? Nun, kurz vor Start der Fusionsverhandlungen wurden die Vorstände für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt – was für ein Zufall! Ein Vorstand arbeitete zu alten Konditionen zunächst für fünf Monate als Geschäftsstellenleiter und wurde dann – bei Beibehaltung der vollen Bezüge – bis zum Ende der sechsjährigen Vertragslaufzeit freigestellt. Obendrauf erhielt er einmalig 18 000 Euro sowie einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Gesponsert wurde außerdem ein neuer Dienstwagen – für nochmals 30 000 Euro. Insgesamt addieren sich die Leistungen voraussichtlich auf 610 000 Euro. Die beiden anderen Ex-Kassenvorstände erhielten unter ähnlichen Kautelen 361 000 und 580 000 Euro.

„Das prangern wir an, ein solches Vorgehen gerade in Zeiten finanzieller Probleme bei den Kassen ist nicht legitimierbar“, sagte ein Sprecher der Behörde. Diese extremen Fälle von Selbstbedienung im Zuge von Kassenfusionen müsse man unterbinden. Und Verträge von Krankenkassenvorständen künftig durch die Aufsichtsbehörden vorab prüfen lassen.

Laxer Umgang mit Versichertengeldern

Eine konsequente Korrektur von Fehlentwicklungen sei dringend geboten, betonte BRH-Präsident Dieter Engels in der Wirtschaftswoche. Deshalb auch der schon nach vier Monaten aktualisierte Zusatzbericht: „Angesichts der historischen Neuverschuldung gewinnt jede Einsparung und jede Effizienzsteigerung beim Bund an Bedeutung für die Handlungsfähigkeit des Staates.“ Engels weiter: „Wie manche Kassen mit dem Geld der Versicherten umgehen, habe ich mir nicht vorstellen können.“ Insbesondere moniert er „überhöhte Vorstandsgehälter bis 300 000 Euro, abenteuerliche Abfindungen, zu hohe Verwaltungskosten, teure Beraterverträge.“ Vor allem bei Kassenfusionen gebe „es Deals unter den Beteiligten, da bekommt ein Prüfer, der sie aufdeckt, graue Haare.“

Grund für die Missstände sei nicht zuletzt die lückenhafte staatliche Rechtsaufsicht. Engels: „Die Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt genügt den Maßstäben einer unabhängigen Finanzkontrolle nur unzureichend. Hier müssen wir neue Formen finden.“

Schon in seinem Jahresbericht vom Dezember 2009 hatte der Bundesrechnungshof festgestellt, dass die Vergütungen der Vorstandschefs großer Krankenkassen in 90 Prozent der Fälle überhöht seien und die Kassenchefs mehr als 130 000 Euro pro Jahr erhalten – und damit über der von den Sozialpartnern empfohlene Gehaltsgrenze liegen. Im vergangenen Jahr waren die Ausgaben der gesetzlichen Kassen für Medikamente um 5,3 Prozent auf mehr als 32 Milliarden Euro gestiegen. Für 2011 wird mit einem Defizit zwischen elf und 15 Milliarden Euro gerechnet.

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