Hidden Champions
Die Gesundheitswirtschaft ist bekanntlich einer der größten, doch wenig beachteten Wirtschaftszweige in Deutschland. Ja, die Branche boomt – und bietet damit enorme Chancen für Wachstum, Beschäftigung und Innovationen, wie Rösler einige Tage vorher auf dem Zukunftskongress zur Gesundheitswirtschaft in Berlin ausgeführt hatte. Aussagen, die Fedderwitz als KZBV-Chef ausdrücklich positiv bewertete; vor allem, weil „sie die soziale Absicherung des Krankheitsrisikos und die flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung genauso in den Blickpunkt rücken wie die Chancen des Gesundheitsmarktes als Jobmotor“.
Auf der Großbaustelle
Wichtig sei aber auch, die bestehenden Baustellen zu beheben. Fedderwitz: „Der Ost-West-Angleich, die Budgetproblematik, die GOZ-Novellierung und die Approbationsordnung warten darauf, angepackt und fertiggestellt zu werden.“ „Hidden champions“ habe Rösler jüngst die mittelständischen Unternehmer genannt – betrachte man die Präventionserfolge, die der Berufsstand zusammen mit der gesetzlichen Krankenversicherung in der Individual- und Gruppenprophylaxe erzielt hat, stehe Deutschland im internationalen Vergleich auch in Sachen Mundgesundheit als Champion da.
Fedderwitz: „Allerdings drohen wir Zahnärzte als kleiner Versorgungsbereich manchmal zum „hidden champion“ zu werden, weil die Scheinwerfer oft auf die Probleme der ärztlichen Versorgung gerichtet sind.“ Während der Gesetzgeber dort aber die strikte Budgetierung anhand der Grundlohnsummenanbindung aufgehoben habe, gebe es in der vertragszahnärztlichen Versorgung immer noch gedeckelte Budgets. Alleinige Ausnahme seien die Festzuschüsse beim Zahnersatz.
„Wir Zahnärzte sind immer noch in den Strukturen des vergangenen Jahrhunderts verhaftet“, kritisierte Fedderwitz. „Deshalb fordern wir hier die Abkehr von der Grundlohnsummenanbindung und das Ende der strikten Budgetierung unter dem Primat der Beitragsstabilität. Schließlich wissen wir alle: Das sind mehr als berechtigte Forderungen!“
Nicht wegen, sondern trotz der Gesundheitspolitik haben die Zahnärzte und Ärzte in der Vergangenheit ihre Leistungen erbracht, stellte Rösler zustimmend fest – genau das wolle die Koalition ändern. Sand im Getriebe sei beispielsweise die überbordende Bürokratie. In dieser Disziplin sei Deutschland ganz groß. „Wer jedoch die größtmögliche Freiheit fordert, und zugleich bei jedem Problem sofort nach dem Staat ruft, muss sich nicht wundern, wenn der Gesetzgeber dann mit seinen Mitteln einschreitet, das heißt per Gesetz reglementiert“, mahnte Rösler. Wenn sich diese Geisteshaltung nicht ändere, werde es niemals gelingen, das System auf Basis freiheitlicher Werte auszugestalten.
Die Bürokratie beherrschen
Rösler: „Der Bürokratie wird man nur dann Herr, wenn man den Menschen vertraut, die in diesem System arbeiten. Und damit die Zahnärzte besser arbeiten können, reformieren wir gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer die Approbationsordnung.“ In dem Zusammenhang klang freilich auch an, dass die Entscheidung in der Gesundheitsministerkonferenz beziehungsweise Kultusministerkonferenz gefällt wird und damit Ländersache ist. Was die Grundlohnsummenanbindung betrifft, entwickle das BMG ebenfalls Alternativen. Und was macht die GOZ? Rösler: „Den bisherigen Entwurf aus dem alten BMG haben wir zurückgezogen. Neue Grundlage bildet jetzt die HOZ.“ Jene verstehe er als Angebot, Fragen zu diskutieren. Ziel sei es, in spätestens einem Jahr einen Referentenentwurf vorzulegen. Rösler: „Das ist dann Ihr Entwurf – nicht der der alten Regierung!“ Ebenso auf der Agenda: der Ost-West-Angleich. „Nach 20 Jahren Wiedervereinigung sind wir diesem Grundprinzip verpflichtet“, sagte Rösler. Basis für eine Einigung seien allerdings Zahlen – sprich: Geld ist keins da.
Konkreter wurde Rösler bei den Rahmenbedingen des Medizinerberufs: „In der medizinischen Versorgung sind mittlerweile viele Ärzte als Angestellte tätig“, konstatierte er. „Das finde ich nicht schlimm, solange sie den Geist der Freiberuflichkeit in sich tragen und als Mediziner frei sind in Diagnose und Therapie.“ Die Zahnärzteschaft könne versichert sein, dass die Regierung die Freiberuflichkeit sichern und erhalten wolle – allein deshalb, weil die Patienten am Ende davon profitierten. Ein Bachelor und Master in medizinischen Berufen komme für ihn indes nicht in Frage. Rösler: „Wir wollen dem System die Freiheit zurückgeben. Wir wissen, dass Sie mit Freiheit umgehen können und Verantwortung übernehmen – das wollen wir honorieren!“
Dass man mit dem Bachelor das Medizinstudium auf drei Jahre stauchen will, empörte BZÄK-Präsident Engel: „Die allerersten praktischen Erfahrungen am leibhaftigen Patienten sammeln die Bachelorabsolventen am lebenden Objekt und in freier Wildbahn, kurz: auf dem Lande. Wahrscheinlich ist die Bevölkerung dort einfach robuster.“
Nein zum Schmalspurstudium
Auch die hohe Qualität, die die Praxen mit enormem bürokratischem Aufwand sicherstellen müssen, werde nicht mehr wahrgenommen. „Es geht schlicht nur noch ums Geld“, resümierte Engel und rügte in dem Zusammenhang, dass die 50 Jahre alte Approbationsordnung immer noch nicht auf den Stand der Zeit gebracht wurde und die Einrichtung von am Bedarf orientierten Studienplätzen in der Medizin und Zahnmedizin bislang an leeren Länderkassen scheiterte. „Wenn wir absehbar mehr Mediziner brauchen, dann sollten wir den Zugang zum Studium erleichtern“, forderte Engel. „Dies kann nur sinnvoll geschehen, indem wir die Hochschulen mit entsprechenden Kapazitäten ausstatten – was moderne Räumlichkeiten und Unterrichtsmaterialien wie auch die personelle Ausstattung angeht. Wir sprechen hier von Investitionen in die Zukunft unserer eigenen medizinischen Versorgung!“
Bei der GOZ baut er angesichts der guten Zusammenarbeit zwischen BZÄK und BMG auf eine Lösung, die dem Berufsstand die notwendige therapeutische und wirtschaftliche Basis schafft.
Die neuen Impulse durch Rösler seien jedenfalls spürbar. Jenseits aller politischen Diskussionen habe ein fühlbarer Paradigmenwechsel im BMG Einzug gehalten, der die Sacharbeit deutlich erleichtere. „Aber“, schränkte Engel ein, „ich sehe die Gefahr, dass die Frage der künftigen Finanzierung und Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens auch von dieser Koalition nicht beantwortet werden kann.“