Hygiene im Krankenhaus

Nicht ganz sauber

Der Tod von drei Babys an der Universitätsklinik in Mainz hat Hygienemängel an deutschen Krankenhäusern ans Licht gebracht – wieder einmal. Über die Lösung des Problems wird kontrovers diskutiert. Soll es eine politische Lösung geben, die in einer bundeseinheitlichen Hygienevorschrift mündet? Oder muss an deutschen Kliniken einfach nur Personal aufgestockt werden?

Schon oft berichteten die Medien in den vergangenen Jahren über Hygienemängel in Krankenhäusern. Zum Beispiel vor drei Jahren, als in einem Fuldaer Klinikum 270 Menschen an Salmonellen erkrankten. Grund: Mängel in der Klinikküche. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) infizieren sich in Deutschland jedes Jahr mindestens eine halbe Million Patienten mit Krankenhauskeimen wie multi-resistenten Bakterien (MRSA), die mit Antibiotika nicht mehr zu heilen sind, mit Pilzen, Viren oder Protozoen. Die Erreger können Wundinfektionen und Lungenentzündungen, Geschwüre und Blutvergiftungen verursachen. Keimbedingte Erkrankungen enden manchmal für die Patienten fatal, etwa mit der Amputation infizierter Gliedmaßen – oder mit dem Tod.

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt die jährliche Zahl der durch Keime bedingten Todesfälle auf 15 000. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sieht die Zahl bei 40 000 pro Jahr und geht von insgesamt 800 000 Infektionen aus.

Schlechte Compliance

Das Problem ist alt. Laut RKI belegen Studien, die die Disziplin des medizinischen Klinikpersonals untersuchen, dass es erhebliche Probleme mit der Compliance gibt – zum Beispiel bei der Reinigung von medizinischen Instrumenten wie Endoskopen oder bei der Händedesinfektion. Ein Ergebnis: Bei 100 Tätigkeiten, die eine Händedesinfektion erfordern, wird diese nur in etwa 50 Prozent der Fälle durchgeführt. Aber: Die Bandbreite bei der Hygienedisziplin ist groß. An manchen Kliniken erreicht die Compliance auch 87 Prozent, an anderen dümpelt sie bei 25 Prozent.

Die Untersuchungen ergaben auch, dass viele der Angestellten nicht wissen, wann desinfiziert werden sollte. In einer Studie wurde festgestellt, dass die Complianceraten nach Kontakt mit sterilen Materialien (90 Prozent) ähnlich hoch waren wie nach Kontakt mit Exkreten (97 Prozent).

Als Gründe für Schludereien bei der Händedesinfektion gaben Klinikmitarbeiter die schlechte Erreichbarkeit der Desinfektionsmittelspender, die Angst vor Hautschäden und Zweifel an der Wirksamkeit der Reinigung an. Vor allem aber nannten sie den hohen Zeitdruck während der Arbeit.

Einen Zusammenhang zwischen Arbeitsverdichtung und Infektionsrate sieht auch die Leiterin des Hygiene-Instituts an der Berliner Charité, Petra Gastmeier. „Man hat beobachtet, dass in Zeiten, wo Personal besonders knapp ist oder Hilfspersonal eingestellt werden muss – im Sommer oder um Weihnachten herum – auch besonders häufig Krankenhausinfektionen ausbrechen. Dann ist die Arbeitsdichte wahrscheinlich so groß, dass das Personal es nicht mehr schafft“, sagte sie in einem Interview mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Ein kleines Rechenbeispiel gibt hier Aufschluss: Auf Intensivstationen sollen sich die Mitarbeiter laut Empfehlung des RKI 20 Mal pro Stunde die Hände desinfizieren und sich dafür jeweils 30 Sekunden Zeit nehmen. Auf die Stunde gerechnet sind das zehn Minuten – unter Zeitdruck ein im Klinikalltag schwer zu schaffendes Pensum. Das sieht auch Hygieneexpertin Gastmeier so und erklärt, teilweise könnten Ärzte und Pflegepersonal sich den Druck nehmen, indem sie während der Desinfektion ins Gespräch mit den Patienten einsteigen. Wichtig sei auch, dass im Stationsteam eine gute Hygienedisziplin herrsche. Dazu brauche es Vorbilder, die Standards befolgten.

Auf Dauer in den Griff zu kriegen ist das Problem nach Aussage von Hygieneexperten aber nur, wenn man das Personal in Aus-, Fort- und Weiterbildungen aufklärt. Dazu benötige man mehr Fachleute an den Krankenhäusern, die diese Fortbildungen anbieten können. Manche verlangen auch, dass Kliniken ab einer bestimmten Größe Fachärzte für Hygiene beschäftigen sollten sowie ein Team von Hygiene-Fachschwestern und -pflegern.

Die Bundesärztekammer (BÄK) fordert außerdem, dass die Ausbildung von Hygienefachärzten in Deutschland stärker unterstützt werden soll: „Die Realität ist, dass in Deutschland nicht ausreichend Hygieniker zur Verfügung stehen. Lehrstühle für Hygiene werden zunehmend nicht mehr nachbesetzt. Die Institute werden aus finanziellen Gründen aufgelöst oder umgewidmet. Der diesjährige Deutsche Ärztetag in Dresden hat deshalb erneut die zuständigen Landesministerien aufgefordert, das Fach Hygiene als eigenständiges medizinisches Institut an den medizinischen Fakultäten zu erhalten.“ Die Krankenhäuser sollen im kommenden Jahr 500 Millionen Euro einsparen. Die Diskussion um ausgiebige Investitionen in den Bereich Hygiene kommt also zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Allerdings sprechen andere wirtschaftliche Überlegungen dafür, hier Geld „in die Hand“ zu nehmen: Bei nosokomialen Infektionen verlängert sich der Aufenthalt im Krankenhaus laut RKI um etwa vier Tage. Umgerechnet sind somit sechs Krankenhäuser mit jeweils 1 000 Betten in Deutschland damit beschäftigt, Patienten mit Krankenhausinfektionen zu behandeln. Diese Kosten könnten durch konsequentere Hygienemaßnahmen gedrosselt werden.

Komplett vermeiden lassen sich nosokomiale Infektionen jedoch nicht, betont DGK-Hauptgeschäftsführer Georg Baum in einem Statement seines Verbandes: „Der Fortschritt der Medizin, insbesondere auf den Gebieten der Transplantationschirurgie, Bekämpfung von Blutkrankheiten, Blutkrebs und anderen Krebsleiden ist mit Behandlungsmaßnahmen verbunden, für die generell ein höheres Infektionsrisiko besteht. Infektionsfälle gehen einher mit den Möglichkeiten der modernen Medizin, die heute Menschenleben rettet, wo dies früher nicht möglich gewesen wäre. Der zum Teil ungezielte Einsatz von Antibiotika ist eine zentrale Ursache für Antibiotika-Resistenzen und die Verbreitung von Infektionen in den Kliniken durch vorbelastete Patienten.“

Eine Verordnung für alle

Die Krankenhaushygiene wird durch das Infektionenschutzgesetz (IfSG) geregelt. Ihm zufolge liegt die Kompetenz für alle Hygienemaßnahmen bei den Ländern. Eine eigene Krankenhaushygieneverordnung haben allerdings nur fünf Bundesländer implementiert. Neben Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen auch das Saarland und Sachsen. Dabei müssten die Landesministerien nicht lange nach Wegen suchen, um Infektionen zu verhindern. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI hat bereits 1999 einen Empfehlungskatalog formuliert. Darauf weist auch die BÄK hin: „Wir verfügen damit grundsätzlich über wirksame Instrumente für einen guten Infektionsschutz in Deutschland. Wir müssen von diesen Instrumenten aber auch Gebrauch machen. Insbesondere die Bundesländer sind gefordert, nicht nur die Vorgaben in entsprechendes Landesrecht umzusetzen.“ Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler will bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz gemeinsam mit den Ländern zusätzliche Regelungen für eine bessere Hygiene erörtern. Die FDP fordert hingegen, dass das Infektionsschutzgesetz geändert wird, damit in Zukunft bundesweit einheitliche Regeln gelten.

In Zahnarztpraxen ist das Niveau der Infektionsprävention laut IDZ indes bereits jetzt sehr hoch. Dies liegt nicht zuletzt an der hohen Akzeptanz der zahnarztspezifischen RKI-Empfehlung.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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