Staphylokokken sind auf menschliches Blut spezialisiert
Krankenhausinfektionen sind keine Seltenheit und verlaufen unter Umständen dra-matisch. Zu den häufigsten Erregern solcher nosokomialer Infektionen gehört Staphylococcus aureus. Der Keim kommt nahezu ubiquitär vor und besiedelt bei fast jedem dritten Mitbürger die Nasenschleimhaut. Gefährlich werden die Bakterien, wenn sie die Immunabwehr durchbrechen, in den Blutkreislauf vordringen und sich dort ausbreiten. Dann drohen potenziell lebens- bedrohliche Infektionen wie bei- spielsweise eine Pneumonie, eine Endokarditis, eine Sepsis oder das Toxische Schock-Syndrom.
Das liegt entsprechend der nun vorliegenden Daten offenbar daran, dass Staphylokokken sich regelrecht auf mensch- liches Blut spezialisiert haben. So konnten amerikanische Wissenschaftler zeigen, dass Staphylococcus aureus zu seiner Vermehrung Eisen benötigt und dieses besonders gut aus dem Hämoglobin in humanen Erythrozyten ziehen kann.
So ohne Weiteres geht das allerdings nicht, denn Eisen ist auch für den menschlichen Körper Mangelware und deshalb gut geschützt. Es liegt meist verpackt innerhalb von Proteinen vor oder in speziellen
Speichermolekülen wie dem Hämoglobin. Die Staphylokokken aber besitzen ihrerseits ein spezielles Protein in ihrer Zellhülle, mit dem sie am Hämoglobin binden und die- ses regelrecht aufbohren können. Das berichten Gleb Pishchany et al. aus Nashville/Tennessee im Fachblatt „Cell Host Microbes“. Nach dem „Anbohren“ können die Bakterien den eisenhaltigen Zellkern extrahieren, zersetzen und das enthaltene Eisen direkt zu ihrer Vermehrung nutzen.
Die amerikanischen Wissenschaftler haben mit ihren Untersuchungen weiter belegen können, dass die Staphylokokken auf menschliches Blut regelrecht spezialisiert sind. Sie können besser darin an das Eisen gelangen als im Blut von Mäusen. Das zeigt sich daran, dass die Keime in Kultur lang- samer wachsen, wenn ihnen nicht menschliches Blut, sondern das Blut von Mäusen als Eisenquelle zur Verfügung steht. Bestätigt werden diese Befunde durch weitere Untersuchungen mit gentechnisch veränderten Mäusen, die nicht Mäuse-Hämoglobin, sondern menschliches Hämoglobin bilden. Diese Tiere waren deutlich anfälliger für Staphylokokken-Infektionen als normale Mäuse und es kam zudem bei den genetisch ver-änderten Tieren zu deutlich schwerwiegenderen Infektionen.
Die Befunde erklären laut Pishchany et al., warum Staphylokokken bei Tieren, deren Hämoglobin sie offenbar nur „im Notfall“ anzapfen, nur selten gravierende Infek- tionen auslösen, während sie Menschen häufig infizieren und das insbesondere als Krankenhauskeim.
Hoffnung auf Hemmstoffe
Die Wissenschaftler vermuten ferner, dass die zu beobachtende individuell unterschiedliche Anfälligkeit gegen Staphylokokken-Infektionen wahrscheinlich durch geringfügige Unterschiede im Aufbau des Hämoglobins bedingt sind. Diese können möglicherweise den Keimen den Angriff auf die erforderlichen Eisenrationen erschweren.
Die Forscher hoffen nun, auf Basis dieser Erkenntnisse Testverfahren entwickeln zu können, mit deren Hilfe sich das individuelle Risiko für eine Staphylokokken-Infektion abschätzen lässt. Denkbar ist darüber hinaus die Entwicklung von Wirkstoffen, die das Andocken des Bakteriums an die Erythro- zyten verhindert und damit die Ausbreitung der Infektion unterbindet.
Den aktuellen Befunden könnte somit eine hohe gesundheitliche Relevanz zukommen, da einige Staphylokokken-Stämme wie MRSA (multiresistente Staphylokokken) zu einem zunehmenden Problem in Kliniken werden, da sie auf die klassische Antibiotika-Therapie kaum mehr reagieren. MRSA- Infektionen sind dabei keineswegs eine Rarität. Vielmehr erkranken jährlich in Deutschland laut einer Hochrechnung des Robert Koch-Instituts in Berlin rund 130 000 Menschen in der Klinik an einer solchen Infektion.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln