Ethisch korrekt
„Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“, heißt es in der Neuformulierung der Musterberufsordnung (MBO). Ziel des Beschlusses: den Medizinern mehr Orientierung im Umgang mit sterbenden Menschen zu geben. Und damit für mehr Klarheit zu sorgen.
Dilemma Sterbehilfe
Die bis dato geltende Berufsordnung enthielt nämlich kein ausdrückliches Verbot ärztlicher Suizidbegleitung. Dort stand nur, Ärzte seien verpflichtet, „auf lebensverlängernde Maßnahmen nur dann zu verzichten, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeutet.“ Doch was meint „unzumutbar“? Zweifellos betand hier Klärungsbedarf. Künftig müsse und könne man die Vorgaben nicht mehr interpretieren, hatte Hoppe verdeutlicht. Dass die 250 Delegierten rund drei Stunden kontrovers diskutierten, zeigt freilich, wie stark sie das Thema bewegt. Und dass auch dieser Beschluss das Dilemma nicht aufzulösen vermag. „Es gibt für solche Situationen keine einfachen Kochrezepte. Man muss Hilfe zur Selbsttötung ablehnen, aber anbieten, immer da zu sein“, ermahnte eine Delegierte.
Die palliativmedizinischen Extremfälle bringen vor allem Hausärzte immer wieder in eine moralische Klemme, die auch eine neue Musterberufsordnung nicht komplett aus der Welt schaffen kann. „Man muss alleine vor Ort entscheiden. Daher gibt es ein ständiges Nichtwissen“, sagte ein Ärztevertreter.
Der Umgang mit schwerkranken und sterbenden Menschen stand auch im Zentrum der Debatten um die Ausgestaltung der Palliativmedizin. Das Gros der Schwerkranken und Sterbenden möchte seine letzten Tage bei seiner Familie und betreut durch den vertrauten Pflegedienst und den eigenen Hausarzt verbringen, begründeten die Ärztevertreter das Anliegen. „Unser Ziel ist es, die Palliativmedizin nachhaltig und flächendeckend in die ambulante und stationäre Versorgung zu integrieren“, sagte Prof. Dr. Friedemann Nauck, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, in seinem Gastbeitrag. Da die Palliativmedizin seit gut zwei Jahren als Pflicht- und Prüfungsfach im Medizinstudium vorgeschrieben sei, müssten die Fakultäten auch die entsprechenden Bedingungen für die Studierenden vor Ort schaffen: Sie müssten lernen, wie man den Patienten und ihren Angehörigen begegnet, mit ihnen spricht, sich mit ethischen Fragen auseinandersetzen und in multiprofessionellen Teams und institutionellen Netzwerken arbeiten. Gefordert wird darum der weitere Ausbau der Lehrstühle für Palliativmedizin an den Unis.
Mehr Einmischung
Die Aus-, Weiter- und Fortbildung müsse zudem auf evidenzbasierten Forschungsergebnissen beruhen. Darüber hinaus sollen die ambulanten palliativmedizinischen Versorgungsstrukturen ausgeweitet werden. Nach Überzeugung des Ärzteparlaments ist hier der Gesetzgeber gefragt: Er müsse „eine qualitativ hochwertige allgemeine ambulante Palliativversorgung ermöglichen, sowie der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung kassenübergreifende Verträge zugrunde zu legen oder eine integrierte palliativmedizinische Versorgung in einer gemeinsamen Vertragsform fördern.“
Doch die Ärzte begnügten sich nicht mit Stellungnahmen zur Ethik. Wie der neu gewählte Ärztepräsident Montgomery schon im Vorfeld angekündigt hatte, machten die Delegierten auch handfeste Aussagen zur politischen Lage. Ganz oben auf der To-do-Liste: die Bundesregierung zur Vorlage einer neuen privaten Gebührenordnung zu pushen. Durchsetzen will er auch bessere Arbeitsbedingungen für die Mediziner und ihnen mehr politisches Gewicht verleihen. Die Politik der Bundesärztekammer müsse „wie eine Freiheitsbewegung“ wirken, postulierte Montgomery laut „Süddeutscher Zeitung“. „Ich glaube, wir brauchen sehr viel mehr Einmischung“, sagte er.
Aktuelles Stichwort: das Versorgungsgesetz. Zwar sind die Ärzte mit dem Arbeitsentwurf im Großen und Ganzen zufrieden, doch sehen sie in einigen Punkten noch Änderungsbedarf. Hauptkritik: die mangelnde Einbindung der Ärzteschaft, zum Beispiel bei der Bedarfsplanung.
Schlichtungsversuche
Versuche, die internen Querelen zu überwinden, unternahm die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihrer Vertreterversammlung: KBV-Chef Andreas Köhler kam den oppositionellen KVen entgegen und versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Regionen wieder mehr Gestaltungsspielraum bekommen. Das bedeutet, in Zukunft sollen jene wieder in Eigenregie mit den Krankenkassen über die Honorarverteilung und Vertragsfragen verhandeln können. Auf Bundesebene wird demnach nur noch entschieden, wie die haus- und fachärztlichen Vergütungsanteile getrennt, die Gesamtververgütung bei Selektivverträgen bereinigt und genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen bezahlt werden.
Ebenfalls beschlossene Sache: Bei den Honoraren soll es keine Umverteilungen mehr zulasten anderer KVen geben. Damit sind die Hauptforderungen des gegnerischen Lagers, bestehend aus Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen, erfüllt. Laut Köhler versteht sich die VV mittlerweile weniger als Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand, sondern mehr als Parlament, in dem klare Oppositionspolitik betrieben wird. Was der KBV-Chef übrigens ausdrücklich begrüßte: „Damit haben wir die Chance, die ungelösten Probleme der letzten Jahre erneut und unter anderen Rahmenbedingungen zu behandeln.“ Beispielsweise werde die Diskussion zu den Selektivverträgen nicht mehr außerparlamentarisch, sondern jetzt wieder in den Gremien der Selbstverwaltung geführt. Das Problem: VV und Vorstand hätten noch nicht gelernt, wie man mit dieser neuen Form gelebter Demokratie umgeht. Und wie man langfristige, tragfähige Beschlüsse fasst und Mehrheitsentscheidungen akzeptiert.
Auf Schmusekurs war auch die Opposition: „Wir wollen nicht die KV abschaffen – wir sind doch keine Fantasten“, sagte Norbert Metke, Vorsitzender der KV Baden-Württemberg. Um die Akzeptanz der KBV und die Zufriedenheit der Vertragsärzte zu stärken, werden die Körperschaften mehr und bessere Dienstleistungen bieten, die Bürokratie abbauen und spürbar bessere Arbeitsbedingungen schaffen, versprach Köhler.