Erträge bei Lebensversicherungen sinken weiter

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sg
Die Lebensversicherung bedeutet für viele Menschen die Basis ihrer Altersvorsorge. Dieses ehemals unspektakuläre aber sichere Produkt gerät mehr und mehr unter Druck: niedrige Zinsen, Folgen der Eurokrise sowie neue Regeln scheinen die Renditen zu bedrohen. Die Versicherer halten dagegen.

Der Branchenerste, die Allianz, läutete den  Reigen ein. Anfang Dezember 2010 gab sie  bekannt, dass sie die laufende Verzinsung  auf die Sparanteile ihrer Versicherten von  4,3 auf 4,1 Prozent senken wird. Dem Beispiel  folgten die R + V Versicherung und die  Condor. Unverändert bleibt die Verzinsung  mit 4,2 Prozent bei der AachenMünchner,  vier Prozent bei der Deutschen Beamtenversicherung  sowie der Ergo. „Insgesamt“,  so schätzt Lars Heermann, Bereichsleiter für  Lebensversicherungen bei der Ratingagentur  Asskurata in Köln, „wird die  Überschussbeteiligung der  gesamten Branche in 2011 bei vier bis  4,1 Prozent liegen.“ Im vergangenen Jahr  waren es 4,2 Prozent, 2002 satte 6,13 Prozent.  Assekurata bewertet 20 Lebensversicherer,  deckt mit ihrer Marktstudie aber  den gesamten Markt der Lebensversicherungen  ab.

Die Verzinsung setzt sich zusammen aus dem Garantiezins und der Überschussbeteiligung. Gezahlt wird sie aber nur auf den reinen Sparanteil. Er macht zirka 80 bis 85 Prozent des Beitrags aus. Der Rest verschwindet für den Todesfallschutz, Provisionen und laufende Kosten. Der Hauptgrund für die fallenden Renditen liegen in der immer noch anhaltenden Niedrigzinsphase. So ist die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen von Anfang bis Oktober 2010 von 3,4 auf 2,5 Prozent gefallen. Um das Kapital der Versicherten möglichst risikofrei anzulegen, wandern die größten Summen in Bundesanleihen und Pfandbriefe und die bieten derzeit keine hohen Erträge. Insgesamt hat der Branchenprimus rund 70 Prozent des Kapitals in Staatsanleihen, Hypotheken und Pfandbriefe angelegt. Die Niedrigzinser machen dabei nur einen Teil aus. Die immer noch guten Ergebnisse, die die Allianz und auch die Konkurrenten zum Teil erzielen, begründen sich auf hoch verzinste Altanlagen. Profite aus der Finanzkrise schlagen die Versicherer mit Unternehmensanleihen, die sie Ende 2008 gekauft haben. Damals gab es zum Beispiel für eine fünfjährige BMW-Anleihe mehr als acht Prozent Zinsen – ein gutes Geschäft. Aber auch Papiere aus den achtziger und neunziger Jahren halten die Flagge heute noch hoch. Doch Heermann warnt: „Das hilft erst einmal, aber die Gesellschaften dürfen sich nicht darauf ausruhen, denn die Neuanlage erfolgt zu sehr niedrigen Zinsen.“

Zinsen bleiben niedrig

Und daran wird sich zunächst auch nichts ändern, davon gehen die Experten der Allianz aus. Ihrer Meinung nach verharren die Zinsen für die kommenden zwei bis fünf Jahre im niedrigen Bereich. Für die Inflationsrate sehen sie aber auch keine dramatische Veränderung nach oben und mit einer Deflation rechnen sie ebenfalls nicht. So bleiben den Versicherten nach Abzug der Geldentwertungsrate immer noch gut zwei Prozent übrig – mehr als bei Festgeld oder Tagesgeld. Das erscheint zunächst tröstlich. Doch die Anlagestrategen bei den Gesellschaften müssen weit vorausschauen, denn ein so großes Schiff wie eine Lebensversicherung reagiert nur sehr langsam. Die Gefahren, die in den niedrigen Zinsen lauern, werden sich in den kommenden Jahren erst richtig zeigen. Der Grund liegt in der garantierten Verzinsung der Sparbeiträge. In den Jahren zwischen 1994 und 2000 lockten die Vertreter neue Kunden mit dem Versprechen, dass der Zins nicht unter vier Prozent sinken wird. In Zukunft werden die Gesellschaften Mühe haben, diese Marke zu erreichen. Zurzeit liegt der Garantiezins bei 2,25 Prozent. Dass er weiter abgesenkt wird, darüber ist sich die Branche einig. Experte Heermann rechnet damit Anfang 2012. Über die Höhe herrscht noch keine Einigkeit. Zwei Prozent – wie die Deutsche Aktuarvereinigung vorschlägt – käme dem Vertrieb der Gesellschaften entgegen. Denn diese Zahl ließe sich einfacher an den Kunden bringen als die jetzt von der Bundesregierung empfohlenen 1,75 Prozent. „Diese Zahl würde den Versicherern mehr Spielraum bei der Anlage verschaffen und länger vorhalten“, gibt Heermann zu bedenken. Denn eine Absenkung des Garantiezinses ist für die Versicherer mit hohem Aufwand verbunden, weil ein neuer Tarif eingeführt wird. Angesichts der Prognose, dass die Niedrigzinsphase noch länger anhalten wird, werden die Gesellschaften ihre Anlagepolitik ändern müssen. Den seit dem Crash 2002 eingeschlagenen Weg der Risikominimierung werden sie wahrscheinlich variieren und etwas mehr Mut zum Risiko zeigen müssen. Zurzeit halten die Gesellschaften im Schnitt fünf Prozent in Aktien. 35 Prozent erlaubt der Gesetzgeber. Bei der Allianz sind es immerhin acht Prozent. Das bedeutet, im Depot der Assekuranz hat sich der enorme Anstieg des Dax auf 7 000 Punkte kaum bemerkbar gemacht.

Instabile Euro-Länder sorgen für Spannung

Druck auf die Branche baut sich zurzeit auch von Seiten der EU-Länder auf. Dabei geht es um Anleihen aus den so genannten PIIGSStaaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Zwar halten die meisten hoch verzinste Papiere der wackligen Euroländer in ihren Depots. Allerdings beschränken sie sich auf einen kleinen Anteil. Im Juni 2010 hielten von Assekurata gerateten Gesellschaften etwa 4,5 Prozent in PIIGS-Anleihen. 13 Prozent liegen in Staatsanleihen, zehn Prozent in Aktien, 60 Prozent in Unternehmensanleihen. Lebensversicherungs- Experte Heermann weist aber darauf hin, dass die meisten Bestände schon sehr alt sind. Den größten Anteil hat Spanien. Und dieses Land galt noch bis vor kurzem als eine der stärksten Wirtschaftsnationen in Europa. Auf Griechenland entfallen übrigens nur zwei Prozent. Trotzdem macht man sich in den Vorstandsetagen der Assekuranz-Unternehmen Gedanken um diese Engagements. Denn die EU-Regierungen verlangen eine Beteiligung der privaten Investoren, falls eines der von der EU unterstützen Länder seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Das bedeutet, dass auch die Versicherungen nicht mehr auf einen Schuldenausgleich mit Hilfe der Steuergelder hoffen dürfen. Sie müssen also diese Risiken zusätzlich absichern.

Um Sicherheit geht es auch bei den neuen Regeln, die die EU für die Versicherungen Anfang 2013 einführen will. Solvency II heißt die Richtlinie, die die Höhe des Eigenkapitals bestimmen soll. Denn je riskanter die Geschäfte der Versicherer sind, desto mehr Eigenkapital müssen sie in Zukunft vorhalten. Die Richtlinie soll verhindern, dass Lebensversicherer Pleite gehen können und die Kunden ihr Erspartes verlieren. Die Gesellschaften sollen in Zukunft für Risiken aus Versicherungsverträgen und Kapitalanlagen entsprechendes Eigenkapital bereitstellen. Die deutschen Unternehmen stehen hierbei besonders unter Druck. Haben sie doch ihren Kunden besonders hohe Garantieversprechen, die im Durchschnitt bei 3,4 Prozent liegen, abgegeben, die sich – wie oben beschrieben – mit den derzeitigen Zinsen kaum erwirtschaften lassen. Höhere Renditen bedeuten aber gleichzeitig höhere Risiken, die wiederum mit mehr Eigenkapital hinterlegt werden müssen. Kenner der Branche fordern deshalb ein Umdenken. Sie schlagen vor, die Garantien zu senken und die Kunden mehr an den Risiken zu beteiligen wie es zum Beispiel bei der fondsgebundenen Lebensversicherung der Fall ist. So mancher Versicherte leidet allerdings jetzt noch unter den Verlusten, die er mit einer Fondspolice in der Finanzkrise erlitten hat. Mit Verkaufsargumenten dürften sich die Vertreter in Zukunft schwer tun.

Selbstverständlich sorgen die Gesellschaften vor. Neben der relativ risikoarmen Anlagepolitik schaffen auch die für sie günstigen Berechnungen des Sterberisikos ihrer Versicherten einen angenehmen Puffer. Die Lebensdauer ihrer Kunden setzen sie sehr hoch an, um die Prämien sowie den späteren Rentenzahlungen entsprechend zu gestalten. Lars Gaschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin urteilt: „Diese Absicherung bezahlt der Kunde. Die Berechnungen des Lebensalters sind so günstig für die Versicherungen, dass ihnen noch genügend Spielraum bleibt.“ Deshalb findet er, dass sich die Diskussion um die Sicherheit der Lebensversicherungen „auf sehr hohem Niveau abspielt. Das ist alles noch harmlos. Doch die fetten Jahre sind vorbei.“

Absenkung des Garantiezinses

Deshalb zeigt der Verbraucherschützer Verständnis für die Probleme der Unternehmen: „Den Garantiezins zu halten ist schwierig, muss er doch gut 30 Jahre im Schnitt halten. So lange laufen die Verträge. Dass jetzt eine Diskussion um die Absenkung auf 1,75 Prozent stattfindet, ist in Ordnung.“

Gaschke sieht die klassische Lebensversicherungspolice nicht gefährdet. „Sollten auf dem Kapitalmarkt alle Sicherungen durchbrennen, dann ist auch der Versicherungsbereich dahin. Aber dann haben wir ganz andere Probleme, wenn zum Beispiel die USA ihre enormen Schulden bei den Chinesen bezahlen müssen“. Auf die deutschen Unternehmen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen ein wachsames Auge. Sie legt ihnen Stresstests auf, um festzustellen, wie sie Veränderungen am Kapitalmarkt standhalten. In der Vergangenheit haben nicht alle Gesellschaften diese Prüfung bestanden. Leider werden die Ergebnisse nicht veröffentlicht.

Für die Versicherten hält Gaschke einige Tipps bereit, wie sie sich selbst gegen unnötige Kosten zu schützen. So empfiehlt er, den für ihn sinnlosen Unfall-Todeszusatz zu streichen. Auch eine Umstellung von Monats- oder Vierteljahreszahlung auf jährlich bringt Vorteile.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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Quelle: Morgen & Morgen

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