blend-a-med Kongress

Ganz auf die häusliche Prophylaxe ausgerichtet

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Heftarchiv Zahnmedizin
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„Häusliche Mundpflege – Das empfehlen die Experten“. Unter diesem Titel erwies sich der 18. Kongress für Präventive Zahnheilkunde, auch bekannt als „blend-a-med-Kongress“, der 2010 in Kooperation mit der Sommer- Akademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart stattfand, als die Prophylaxe- Fortbildung des Jahres.

Über tausend Zahnärztinnen, Zahnärzte und ihre Teams erwarteten Antworten auf die am häufigsten gestellten Patientenfragen, wie etwa: „Welche Zahnbürste und welche Zahnpasta würden Sie mir empfehlen?“ Eine Zusammenfassung dazu in prägnanter Form gaben gemäß dem Stand der Wissenschaft in einer Pressekonferenz im Forum Ludwigsburg drei der beteiligten Referenten: Prof. Dr. Johannes Einwag aus Stuttgart, Prof. Dr. Christof Dörfer aus Kiel und Prof. Dr. Stefan Zimmer aus Witten/ Herdecke.

Prof. Einwag stellte seine Ausführungen unter den Titel „Märchen, Moden oder modernes Wissen?“ So sollte eine Zahncreme namens Doramad im Jahre 1935 angeblich Abwehrkräfte stärken, den Zellen neue Lebensenergien spenden, das Zahnfleisch straffen und den Schmelz aufs Schonendste polieren. Grundlage dafür war eine moderne wissenschaftliche Errungenschaft: die Nutzung der Radioaktivität. „Eine radioaktive Zahncreme also – damals in Mode, heute ein Märchen“, kommentierte Prof. Einwag. „Die Übergänge sind fließend, und in der Praxis finden wir stets eine Kombination aller drei Kategorien. Was können wir dem Patienten heute auf der Basis gesicherten Wissens für die häusliche Mundpflege an die Hand geben?“stellte er in den Raum.

Prof. Dr. Christof Dörfer, Universität Kiel, bewertete die wesentlichen Techniken und Mundpflegemittel der Reihe nach gemäß dem aktuellen Stand der einschlägigen Studien – hartes Wissen statt Lehrmeinung oder, wie der Referent es salopp formulierte: „evidenzbasiert“ statt „eminenzbasiert“. Dieser Ansatz führt zu einigen klaren Einschätzungen, die in der Praxis Sicherheit geben. Dabei geht es an erster Stelle um die Frage, welche Bürste besonders geeignet ist. Dörfer begann seine Ausführungen mit der konventionellen Handzahnbürste mit planem Borstenfeld: Sie werde effektiv angewendet, wenn der Patient sie angewinkelt ansetze. Putze er dagegen intuitiv, so werde die Wirkung wesentlich abgeschwächt. In diesem Falle können schräg gestellte Borsten die Effektivität der Plaque-Entfernung steigern. Eine bedeutende Verbesserung schafft jedoch die elektrische Zahnbürste. So verwies der Referent auf die Ergebnisse einer Konsensus-Konferenz vom Frühjahr 2010. Bei diesem Expertentreffen verständigte man sich anhand der vorliegenden Studien unter anderem darauf, dass elektrische Zahnbürsten allen Anwendergruppen den Vorteil standardisierter und reinigungs- intensiver Bewegungsabläufe bieten. Dabei sind elektronische Zusatzfunktionen wie Zeitkontrolle, Andruckkontrolle und Unterstützung des systematischen Zahnputzablaufs auch von klinischer Bedeutung. Elektrische Zahnbürsten putzen so sanft wie Handzahnbürsten, war die einhellige Meinung des um Rat gefragten Expertenteams. Sie erweisen sich aber auch als überlegen in der Effektivität der Plaque-Entfernung, wobei die vorhandenen Studien allerdings – so betonte Prof. Dörfer – im Falle von Schallzahnbürsten nur darauf hindeuten, während die bessere Wirksamkeit gegenüber Handzahnbürsten für oszillierendrotierende Zahnbürsten belegt sei.

Neben der Bürste ist die richtige Zahnpasta Thema vieler Patientenfragen. Nach dem Gesetz handelt es sich dabei um ein Kosmetikum, doch Prof. Stefan Zimmer, Witten/ Herdecke, betonte: „Eine gute Zahnpasta hat heute auch einen medizinischen Nutzen.“ Die Cochrane Collaboration habe hierzu auf der Grundlage einer Meta-Analyse unter Einschluss von 70 Studien festgestellt: Fluoridierte Zahnpasten verbessern die Karieshemmung im Vergleich zu nichtfluoridierten um 24 Prozent. Da die EUKosmetik- Verordnung den Gehalt jedoch auf 1 500 ppm („parts per million“; 0,15 Prozent) begrenzt, kommt es darauf an, möglichst effektive Verbindungen zu wählen. Als vorteilhaft haben sich gegenüber anderen Fluorid-Verbindungen Aminfluoride und Zinnfluoride gezeigt – nicht zuletzt aufgrund der antibakteriellen Wirkung der Kationen (Gingivitis- Prophylaxe).

Speziell zum Thema „Zinnfluorid“ führte Prof. Zimmer aus: Zahncremes mit diesem Inhaltsstoff bieten durch das Fluorid Kariesschutz, wirken zudem gegen Gingivitis – und auch gegen Halitosis, indem sie die insbesondere auf dem dorsalen Zungendrittel lokalisierten schwefelhaltigen Verbindungen abfangen. Des Weiteren reduzieren die in speziellen Formulierungen enthaltenen Kristallisations- Inhibitoren die Zahnstein-Bildung.

Thema Mundspüllösungen

Braucht man über Zahnbürste und Zahnpasta hinaus die antibakteriellen Wirkungen von Mundspüllösungen? Dieser Frage stellte Prof. Dr. Nicole Arweiler, Marburg. Ihr Fazit: Mundspüllösungen sind kein Ersatz für Zahnbürsten und Zahnseide, können jedoch die Mundpflege unterstützen – dies vor allem bei Schwangeren, bei Kindern mit festen Zahnspangen sowie bei Krebspatienten während der Chemotherapie. Im Allgemeinen ist Chlorhexidin für die Kurzzeit- Anwendung der Goldstandard. Doch cave: nicht beim chirurgischen Eingriff direkt auf den freigelegten Knochen applizieren! Unmittelbar nach der Nahtlegung hemmt es aber Entzündungen und fördert sogar die Wundheilung.

Neben den im engeren Sinne zahnmedizinischen Themen ergänzten Dr. Elmar Favero, Tirol, und Prof. Dr. Jean-François Roulet, Schaan (Liechtenstein), das Kongressprogramm um Aspekte der Ernährung und ihren Einfluss auf die Zahngesundheit. Um nur ein Extrembeispiel zu nennen: Der Zahnarzt diagnostiziert eine Bulimia nervosa oft als erster Facharzt, doch der Ernährungsberater, der Psychotherapeut und unter Umständen auch der Internist sind für die Behandlung selbstverständlich hinzuzuziehen.

Fazit: Erfolg der bewährten Methoden

Prof. Einwag betonte, verglichen mit den sprunghaften Fortschritten in Gentechnik und Bioanalytik, entwickle sich die zahnärztliche Prophylaxe eher evolutionär. Andererseits lasse sich der Biofilm offenbar durch unspezifische Maßnahmen wie das Zähneputzen sogar wirkungsvoller managen als etwa durch gezielte Bekämpfung bestimmter Krankheitserreger. So erweisen sich in einer Zeit rasanten Wissenszuwachses und rascher Umbrüche gerade die lange bewährten Verfahren der mechanischen Belagentfernung zur Prophylaxe als erfolgreich. Allerdings gibt es keine einfachen Rezepte, die man auf alle Patienten anwenden beziehungsweise jedem Patienten als Tipp mit auf den Weg geben könne. Für so manche wichtige Fragestellung steht noch die entscheidende Studie aus. Was sich zur häuslichen Mundpflege nach dem Stand der Wissenschaft aber heute auf der Basis einer evidenzbasierten Zahnmedizin festhalten lässt, erfuhr das Auditorium bei diesem Kongress von echten Koryphäen.

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