Zinsanpassung der Banken bei Krediten und Sparplänen

Fast nach Gutsherrenart

Heftarchiv Praxis
sg
Ein Blick auf die Zinsen für Festgeld und Sparpläne bestätigt die Vermutung, dass die Niedrigzinsphase immer noch anhält. Ganz anders die Lage bei Dispokrediten und älteren variabel verzinsten Darlehen wie sie viele Zahnärzte für die Praxisfinan-zierung benötigen. Anders als die Leitzinsen bewegen sich die Zinsen, die Banken und Sparkassen kassieren, kaum nach unten. Hinnehmen müssen die Kunden diese Willkür nicht unbedingt.

Nach wie vor hübschen Banken und Sparkassen ihre Bilanzen mit Erträgen auf, die sie eigentlich ihren Kunden gut schreiben müssten. Die Rede ist von Produkten, für die ein variabler Zins vereinbart worden ist. Das kann ein Sparvertrag sein, der über viele Jahre läuft und andererseits ein Geschäfts- oder Baudarlehen, dessen Zinssatz das Kreditinstitut an die jeweilige Marktsituation anpassen darf. Als besonders einträglich erweist sich der Dispokredit. Eine Umfrage der Stiftung Warentest im September 2010 ergab, dass in der Spitze ein Satz von mehr als 17 Prozent verlangt worden ist – und das bei einem Leitzins, zu dem sich Banken Geld leihen, von einem Prozent. Die Geldhäuser nutzen ihre Möglichkeiten. Steigen die Zinsen, passen sie die Kreditzinsen sofort an, bei den Sparzinsen halten sie sich zurück. Fallen die Leitzinsen, passiert das gleiche nur umgekehrt.

Dabei haben die betroffenen Kunden durchaus ein Recht auf eine angemessene Angleichung der Konditionen. Aber sie nutzen sie nicht. Verbraucheranwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin kennt das Problem: „Es gibt Millionen Euro, die den Menschen als Schadensersatz zustehen. Doch sie machen ihre Ansprüche nicht geltend.“

In der Tat geht es um Summen, bei denen sich eine Klage vielleicht doch lohnen könnte. Die Stiftung Warentest rechnete: „Die Bundesbank gibt das Volumen der Überziehungskredite für Mai 2010 mit 41,6 Milliarden Euro an – davon machen die Dispokredite den Löwenanteil aus. Gemessen an dieser Summe kostet jeder Prozentpunkt, um den der Zinssatz nicht gesenkt wird, die Bankkunden 416 Millionen Euro im Jahr.“ Dieses Geld steht den Verbrauchern nicht zur Verfügung, also können sie es auch nicht für den Konsum ausgeben – ein großer Schaden für die Wirtschaft.

Teure Dispokredite

Wer als Kunde mit guter Bonität mit seiner Bank verhandelt, kann vielleicht eine Verbesserung der Konditionen erreichen. Doch Christina Buchmüller, Referentin für Schulden und Insolvenz beim Verbraucherzentrale Bundesverband, bezweifelt die Chancen der Kunden: „Wer den Dispo nutzt, hat keine guten Karten. Er kann auch nicht so einfach mal die Bank wechseln.“ Sie rät statt des teuren Dispos besser einen günstigeren Abrufkredit aufzunehmen. Kunden, die ihr Konto im grünen Bereich führen, suchen sich eine Bank mit günstigeren Konditionen. Im Juli letzten Jahres goss die Bundesregierung eine Verbraucherkreditrichtlinie in ein neues Gesetz. Die Banken sind nun verpflichtet, einen Referenzzins anzugeben. Das kann der Leitzins der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank oder ein öffentlicher durchschnittlicher Guthaben- oder Kreditzins sein. Ändert sich dieser Zins, muss sich auch der Zins für den Kunden ändern.

Dabei können die Banken zwischen einer Zinsgleitklausel und einer Zinsanpassungsklausel wählen. Bei der ersten binden sie sich fest an einen Referenzzinssatz wie zum Beispiel den Leitzins der Europäischen Zentralbank. Dann muss der Dispo jede Bewegung automatisch mitmachen. Als Alternative bietet die Anpassungsklausel die Möglichkeit, den Zins zu ändern. Die Institute entscheiden dann nach „billigem Ermessen“, wenn zum Beispiel die Refinanzierung des Kredits dies zulässt. Damit erfüllen Banken und Sparkassen auch die Forderungen des BGH aus seinen jüngsten Urteilen. Alle Institute entscheiden selbst, ob wann und wie viel sie anpassen. Allerdings müssen sie dabei darauf achten, dass sie keine einseitigen Entscheidungen zu Ungunsten der Kunden treffen.

Kunden sind schlecht dran

Für die Festlegung auf einen Referenzzins, auf die Häufigkeit der Intervalle, in denen angepasst wird sowie auf den Abstand zum Zins, den die Kunden bekommen, ist der jetzige Zeitpunkt aus Sicht der Kundschaft denkbar schlecht. Denn die Vorschrift bewirkt, dass ein ursprünglich teurer Kredit teuer bleibt und ein billiger Kredit aber billig bleiben muss. Derzeit liegt der Leitzins, zu dem sich die Banken Geld bei der Zentralbank leihen, immer noch bei einem Prozent, die Dispozinsen aber deutlich über zehn Prozent. In naher Zukunft dürften die Leitzinsen anziehen und mit ihnen dann auch automatisch die Dispokonditionen. Da hat der Gesetzgeber nicht aufgepasst.

Doch Christina Buchmüller glaubt, dass es eine rechtliche Grundlage gibt, die die Ansprüche des Kunden sichert. In Paragraf 675 g BGB, Absatz drei und vier fordert der Gesetzgeber, dass „Änderungen von Zinssätzen“ oder Wechselkursen unmittelbar und ohne vorherige Benachrichtigung wirksam werden, soweit diese im Zahlungsdienstrahmenvertrag vereinbart wurde. Die Verbraucherschützerin sieht darin eine Chance für Bankkunden auf eine faire Behandlung.

Wie unfair viele Kunden behandelt werden – darunter auch etliche Zahnärzte – zeigt ein Blick in so manchen lang laufenden Darlehensvertrag. Viele Mediziner haben Kredite für die Finanzierung ihrer Praxis aufgenommen, häufig mit variablen Zinsen. Da es sich anders als bei vielen Sparverträgen eher um große Kreditsummen von mehreren 100 000 Euro handelt, kann sich eine Überprüfung der Anpassung durchaus lohnen. Das institut für finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg überprüft – häufig auch im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands und der Stiftung Warentest – solche Verträge. Rechtsanwalt Michael Knobloch führt diese Untersuchungen durch und weiß, dass es für die Kunden schwierig ist, sich schon im Voraus gegen mangelhafte Anpassungsregeln zu schützen: „Die Probleme mit der Zinsanpassung tauchen erst auf, wenn die Verträge abgelaufen sind. Deshalb weisen auch vor allem die Altverträge häufig große Mängel auf.“ Manchmal gibt es überhaupt keine Regelung oder nur sehr unvollständige.

Beim Darlehen Ansprüche auf Zinsanpassung prüfen

Nach Knoblochs Meinung haben viele Betroffene durchaus Chancen, Ansprüche geltend zu machen. Zwar setzt schon nach drei Jahren die Verjährung dieses Anspruchs ein. Doch der Anwalt sagt, „dass es durchaus verschiedene Auslegungen gibt, wann der Zeitpunkt ist, an dem die Frist begonnen hat:

• nach Ablauf des Vertrags oder

• der Moment der Fehlanpassung.

Dabei kommt es auf die Gestaltung des Vertrages an. So war es in dem Beispiel, das das iff begutachtet hat, der Fall. Der Kunde hatte 1983 einen Darlehensvertrag mit der Karlsruher Sparkasse über 200 000 Mark geschlossen. Es wurde ein variabler Zins vereinbart, der zu Beginn 7,75 Prozent betrug. Die Anpassung regelte dieser Vertragspassus: „Die Sparkasse ist berechtigt, die Zinsen entsprechend der von ihr für Darlehen dieser Art jeweils festgesetzten Zinssatz mit sofortiger Wirkung durch Erklärung gegenüber dem Darlehenspartner zu senken oder zu erhöhen.“ Das bedeutete in der Praxis ein Freibrief für die Sparkasse, die den Zins nach Gutdünken ändern konnte oder auch nicht. Bei der Überprüfung legte das iff den Massstab der Rechtsprechung an: als Referenzzins den durchschnittlichen variablen Hypothekenzinssatz wie er von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht wird. Die Zinsanpassung sollte quartalsweise mit einer Anpassungsmarge von 0,2 Prozentpunkten erfolgen.

Das Ergebnis ist beeindruckend: Ende 2009 belief sich die Restschuld nach Berechnungen der Sparkasse auf 41 941,08 Mark. Dagegen errechnete das iff, dass der Kunde seine Schuld schon längst beglichen hatte und im Gegenteil 36 526,33 Mark zu viel gezahlt hatte. Das macht einen Unterschied zum Ergebnis der Sparkasse von stolzen 78 467,41 Mark. Allerdings ist nicht bekannt, ob die Sparkasse ihrem Kunden das zu viel gezahlte Geld erstattet hat. Die Basis für die Berechnungen bilden die Urteile, die der BGH und die Oberlandesgerichte in den vergangenen Jahren im Hinblick auf Darlehensverträge mit variabler Verzinsung und auf langfristige Sparverträge gefällt haben. Es lohnt sich also, einen Blick in die alten Verträge zu werfen. Allerdings sollte das Ablaufdatum nicht älter als drei Jahre sein. „Dann“, so Knobloch, „wird es schwierig.“

Auch Sparvertrag unter die Lupe nehmen

Wie bei den Darlehen kann sich auch eine Überprüfung eines langfristigen Sparvertrags lohnen. Als Basis für eine Neuberechnung dienen die BGH-Urteile aus den letzten Jahren, die sich explizit auf die Sparverträge beziehen:

• Das Urteil vom 17. Februar 2005 BGH XI ZR 140/03.

• Das Urteil vom 13. April 2010 XI ZR 197/09.

• Urteil vom 21. Dezember 2010 XI ZR 52/08.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist die Zinsanpassung bei variablen Zinsen geregelt. Folgt sie den Urteilen, dann muss sie laut Knobloch durch einen Referenzzins bestimmt sein. Außerdem muss Transparenz gewährleistet sein, das heißt, die Quelle für diesen Zins muss neutral und objektiv bestimmt worden sein, und in öffentlichen Quellen frei zugänglich sein wie zum Beispiel die Zeitreihen der Deutschen Bundesbank oder der Europäischen Zentralbank. Während Verbraucherschützer Knobloch auf eine positive Weiterentwicklung und Auslegung der Rechtsprechung zugunsten der Verbraucher hofft, sieht Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte eher schwarz: „Die BGH-Urteile sollen wie Leuchttürme wirken, aber die Finanzindustrie legt sie wieder um. Sie wissen, dass die meisten Kunden sich nicht wehren.“ Dabei haben es die Verbraucher selbst in der Hand. Wie sie angesichts des Dioxin-Skandals jetzt zu Bio-Eiern greifen, können sie sich auch das Institut mit dem verbraucherfreundlichsten Service aussuchen.

Marlene EndruweitWirtschaftsjournalistinm.endruweit@netcologne.de

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