Hilfe bei der Selbsthilfe
Einigkeit bestand darin, dass die Selbsthilfe einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitssystem in Deutschland leistet. Nur wo sie genau ansetzt, darüber herrschten unterschiedliche Ansichten. Sie habe sich zu einer wichtigen Säule bei der gesundheitlichen Versorgung entwickelt, urteilte Ulrike Flach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), über die Selbsthilfe. Sie entlaste das Gesundheitssystem, lobte Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandschef der Barmer GEK. Und Rüdiger Meierjürgen, Präventionsbeauftragter der Barmer GEK, sagte: „Die gesundheitsbezogene Selbsthilfe ergänzt in vielfältiger Weise die professionellen Angebote der Gesundheitsversorgung.“ Doch was macht die Selbsthilfe für das Gesundheitswesen in Deutschland so wichtig?
Betroffene für Betroffene
Laut BMG sind aktuell drei Millionen Menschen Mitglied in einer der circa 70 000 bis 100 000 Selbsthilfegruppen in der Bundesrepublik, knapp 50 000 haben einen medizinischen Bezug. In diesen Gruppen helfen sich Betroffene gegenseitig, tauschen Erfahrungen aus, geben sich Tipps. Sie unterstützen sich bei der Bewältigung von Krankheit und Behinderung und deren psychosozialen Folgen, sagte Flach. Die medizinischen Gruppen widmen sich meist chronischen beziehungsweise seltenen Erkrankungen.
Nach Erkenntnissen des Robert Koch- Instituts führten die Zunahme chronischer Erkrankungen, verbesserte Behandlungsmöglichkeiten, die steigende Lebenserwartung, die Veränderung der primären sozialen Netzwerke wie Familie und Verwandtschaft und die zunehmende gesellschaftliche Anerkennung zu einer weiten Verbreitung von Selbsthilfegruppen.
Die Selbsthilfe ist – nicht zuletzt vom BMG – zu einer Ergänzung der medizinischen Versorgung und des Gesundheitssystems ausgebaut worden. Nach Flachs Angaben sind im Haushaltsplan 2012 knapp zwei Millionen Euro Fördergelder für die Selbsthilfe eingeplant. Die Gesamtfördersumme von Bund, Ländern und Kommunen belaufe sich durch Kofinanzierung auf 50 Millionen Euro pro Jahr.
Neue Herausforderungen
In Zukunft wird sich die Selbsthilfe nach Meinung aller Referenten neuen Herausforderungen stellen müssen. „Der Umgang mit dem Demografiewandel, die Nutzung der neuen Medien sowie die Qualitätssicherung spielen dabei eine herausragende Rolle“, sagte die Staatssekretärin. Meierjürgen glaubt, dass sich die Selbsthilfelandschaft sowie deren Aufgaben und Funktionen weiter ausdifferenzieren werden.
In der abschließenden Plenumsdiskussion wurde deutlich, dass sich kleine und mittelgroße Selbsthilfegruppen teilweise allein gelassen fühlen. Die Anträge der Kassen zur Förderung seien zu kompliziert, außerdem gebe es oft keine klare Unterscheidung zwischen Projekt- und Pauschalförderung und eine Uneinheitlichkeit der Förderverfahren der Krankenkassen. Dadurch werde gerade kleinen Gruppen erschwert, ihre Arbeit auch finanzieren zu können, beklagten mehrere Vertreter. Flach bedauerte zudem ein wachsendes Nachwuchsproblem in den Selbsthilfegruppen. Diese müssten für junge Leute attraktiver werden.
Dennoch: Am Ende des Kongresses bestand unter den Teilnehmern Einigkeit darüber, dass die Selbsthilfe vollständig im deutschen Gesundheitssystem angekommen ist und einen nicht mehr wegzudenkenden Beitrag leistet – auch und gerade für den einzelnen Betroffenen.