Microsoft-Projekt Streetside

Streit um virtuelle Straßen

232982-flexible-1900
ck
„Erleben Sie die Welt, als wären Sie vor Ort!“ Mit diesem Slogan wirbt Microsoft für seinen Geodatendienst Bing Maps Streetside. Wie zuvor Konkurrent Google hat nun auch Microsoft damit begonnen, deutsche Städte für sein 3-D-Bilderbuch im Internet zu fotografieren – und stößt damit auf ebenso großen Widerstand.

Seit Anfang Mai fahren Microsoft- Kameraautos durch Deutschland, um Straßenzüge und Plätze zu fotografieren. Die Bilder werden mit einem 360-Grad-Geodatendienst-Spezialobjektiv aufgenommen und später zu einem Panorama verschmolzen. User können sich die Aufnahmen aus der Ich-Perspektive anschauen – ganz so, als gingen sie die Straße entlang.

Mit Streetside will Microsoft die Möglichkeit geben, eine Gegend der Wahl via Computer zu erkunden. Zum Beispiel den angepeilten Urlaubsort oder die Parkmöglichkeiten für den Geschäftstermin in einer fremden Stadt. „Schauen Sie sich vorab online an, wo Sie hingehen möchten – so werden Sie sich nie wieder verirren“, verspricht der IT-Konzern auf der Streetside-Website.

In Deutschland will Microsoft die virtuellen Spaziergänge zunächst für 50 Städte und Regionen anbieten.

Geplanter Starttermin für den Panoramadienst: noch dieses Jahr. Als erstes Ziel standen die süddeutschen Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Augsburg auf der Reiseroute der Streetside-Fotografen.

Diskussion um Datenschutz

Schon bei Beginn der Fotoaktion räumte Microsoft ein, vor einer Veröffentlichung der Bilder Gesichter von Passanten sowie KFZ-Kennzeichen unkenntlich zu machen. Außerdem nehme das Unternehmen nach Veröffentlichung Widersprüche von Hausbesitzern entgegen. „Explizit von der Erfassung ausgeschlossen“ seien auch andere Daten, die Rückschlüsse auf private Informationen ermöglichen könnten – beispielsweise solche, die von WLAN-Netzen übertragen werden. Hintergrund für dieses Versprechen war ein Datenschutzverstoß von Google während der Street-View-Aufnahmen im vergangenen Jahr. Der Suchmaschinenbetreiber hatte mit seinen Kamerawagen unbefugt persönliche Daten aus drahtlosen Netzwerken aufgezeichnet und dies erst im Nachhinein eingestanden. Microsoft wollte diesen Befürchtungen vorbeugen – doch die bereits gemachten Zugeständnisse genügen vielen Kritikern nicht.

An Geodatendiensten entzünden sich in Deutschland immer wieder heftige Kontroversen. Siehe Google Street View 2010: Die Bildergalerie sei ein willkommenes Hilfsmittel für Einbrecher, kritisierten Gegner, als die Kameraautos des Konzerns hierzulande unterwegs waren. Befürworter hielten dagegen, dass die Fassadenfotos keine Informationen lieferten, die man sich nicht auch als Passant verschaffen könne. Das Private werde lückenlos öffentlich gemacht, lautete eine weitere Befürchtung. Online ließe sich beispielsweise genau beobachten, wer wen um welche Uhrzeit besuche. Unsinn, so das Kontra der anderen Seite, bei den Fotos handele es sich um einmalige Momentaufnahmen und nicht um andauernde Livestreams.

Vorabwiderspruch möglich

Gegen Streetside bringen Kritiker dieselben Einwände vor. Microsofts Geodatendienst rief – als Betroffener des Präzedenzfalls in Deutschland – vor allem das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) auf den Plan. Das Amt begrüßte zwar, dass Gesichter und Nummernschilder auf den Bildern unkenntlich gemacht würden, wies aber ausdrücklich darauf hin, dass es „die Veröffentlichung der Aufnahmen ohne Einräumung eines Vorabwiderspruchs für die Betroffenen als rechtswidrig“ erachtet.

Microsoft sperrte sich gegen die Forderung, schon vor der Veröffentlichung der Bilder das Nein von Hausbesitzern zu akzeptieren und deren Immobilien zu verpixeln, aber: Die bayerischen Datenschützer setzten sich durch. Anfang Juni lenkte der IT-Konzern ein und räumte einen begrenzten Zeitraum für Vorabwidersprüche ein. Vom 1. August bis zum 30. September 2011 können User die Verpixelung ihrer Fassade auf der Streetside- Seite beantragen.

Diese sollten allerdings eins bedenken: Wer sich in das Einspruchsregister einträgt, muss aller Voraussicht nach seinen Namen, seine Adresse und seine E-Mail-Adresse nennen, gibt also auf jeden Fall viele Informationen über sich preis. Wie genau Microsoft den Einspruch gestaltet, gibt das Unternehmen noch im Juli bekannt.

Susanne TheisenFreie Journalistin in Kölninfo@susanne-theisen.de

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.