Endlich raus aus den Kinderschuhen
Prof. Dr. med. Geert Mayer, Schwalmstadt- Treysa, Präsident der DGSM, würdigte in seinem Grußwort zur Eröffnung des Jubiläumssymposiums die Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS), die mit zur Zeit über 800 Mitgliedern die nach der DGSM zweitgrößte schlafmedizinisch aktive deutsche Fachgesellschaft darstellt. Nicht nur das DGSMKongressthema „Schlafmedizin interdisziplinär“, sondern auch die stete Mitwirkung am fachübergreifenden Austausch mit anderen medizinischen Disziplinen in der Behandlung schlafbezogener Atmungsstörungen offenbart das Zusammenwachsen der einzelnen Fachrichtungen und den speziell seit Veröffentlichung der S3-Leitlinie [Nicht erholsamer Schlaf / Schlafstörungen der DGSM (Somnologie 13, Suppl. 1, 2009)] fest etablierten Platz der Gesellschaft in der Schlafmedizin.
PD Dr. Anette Fransson, Universität Örebro, Schweden, Präsidentin der European Academy of Dental Sleep Medicine (EADSM, www.eadsm.org), stellte die Ziele der noch jungen Europäischen Dachgesellschaft zur Förderung des interdisziplinären wissenschaftlichen Austausches und der Qualifikation in der zahnärztlichen Mitbehandlung schlafbezogener Atmungsstörungen vor.
Gemäß dem Vorbild der American Academy of Dental Sleep Medicine (AADSM, www. aadsm.org) strebt die EADSM an, zu einer Plattform insbesondere zur Förderung des interdisziplinären wissenschaftlichen Austausches und der Qualifikation in der zahnärztlichen Mitbehandlung schlafbezogener Atmungsstörungen aufzusteigen.
Der Hauptvortrag, gehalten von Prof. Colin Sullivan, Medical School der Universität Sydney. Australien, präsentierte eine Zeitreise von den ersten therapeutischen Versuchen mit der nächtlichen Überdruckbeatmung vor dreißig Jahren bis zum heutigen Therapiestandard. Interessant waren die Ausblicke des international bekannten Schlafmediziners in aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen zum nicht erholsamen Schlaf und dessen Auswirkungen bei Kindern sowie bei Schwangeren. Hier sind insbesondere die Zusammenhänge zwischen Schnarchen und Hypertonie beziehungsweise Praeeklampsie zu nennen. Auch stellte er die Entwicklung von einfach zugänglichen Schlafapnoe- Screeningmöglichkeiten für große Populationen vor.
Weiterhin stellte Prof. Sullivan die aufstrebende Bedeutung der Zahnärztlichen Schlafmedizin in der Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen dar. Im Anschluss an seinen Vortrag wurde der Referent als nunmehr 6. Preisträger mit dem Meier-Ewert-Preis der DGZS geehrt. PD Dr. Friedhart Raschke, Norderney, referierte über gesundheitsökonomische Aspekte der Schlafapnoe und verglich in Hochrechnungen die volkswirtschaftlichen Kosten behandelter mit unbehandelter Schlafapnoe. Die Auswertung seiner Daten ergab eindeutig, dass jeder behandelte Fall – unabhängig vom Ausmaß entstandener Kosten – wirtschaftlich günstiger ist, man mit der Behandlung schlafbezogener Atmungsstörungen (SBAS) also unter dem Strich Geld einspart.
Prof. Dr. Martin Konermann, Kassel, diskutierte in seinen Ausführungen die Definition von Behandlungserfolg bei Schlafapnoe und Rechtsanwalt Dr. Ingo Fromm, Koblenz, erläuterte die rechtlichen Konsequenzen für Patient und Behandler bei einer untherapierten Schlafapnoe. Von besonderem Interesse ist hier sicherlich der möglicherweise entstehende Konflikt bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit von Berufskraftfahrern mit SBAS unter Einbeziehung der Folgen für den Betroffenen. Diese wären zum Beispiel eine erhöhte Unfallgefahr, Risiken und Unfallfolgen für andere sowie unter Umständen eine existenzielle Bedrohung für den Betroffenen bei Verlust des Arbeitsplatzes.
Es geht nicht ohne Interdisziplinarität
Die Mittagspause nutzten die Teilnehmer zum regen Informationsaustausch untereinander und zum Besuch der Industrieausstellung, wo verschiedene Systeme von Protrusionsschienen und Schlafapnoe-Screeninggeräte gezeigt wurden.
Der Nachmittagsabschnitt wurde von Prof. Dr. Svenja Happe, Bremen, mit einer Vorlesung über die Assoziation von schlafbezogenen Atmungsstörungen und Bewegungen eingeleitet.
Es folgte ein sehr interessanter dreiteiliger Vortrag zur Schienentherapie unter der Überschrift „neue Technologien, Entwicklungen, Fehlentwicklungen“. Der Zahnmediziner Dr. Marc Lefèvre, London, präsentierte im ersten Teil als neue Technologie das von Laboratoires Narval (seit Oktober 2009 zu ResMed gehörend) computergestützt (CAD/CAM) gefertigte O.R.M.-Gerät. Gleichzeitig stellte er den Algorithmus einer Versorgung mit Unterkieferprotrusionsschienen in Frankreich dar und erläuterte die bereits eingeführte Kostenerstattung für Protrusionsschienen in Frankreich. Kennzeichnend ist hier die Tatsache, dass ein Patient zwar mit einer Schiene versorgt werden kann, aber mit dem O.R.M. nur ein Therapiegerät für alle Patienten, unabhängig von anatomischen Besonderheiten, zur Verfügung steht.
Dr. Markus Heise, Herne, zeigte im Teil „Entwicklungen“ den Weg der IST-Geräte vom ISTclassic®über das ISTplus®zum ISTclassic neu®auf. Neben der Entwicklung der LAMItec®-Tiefziehtechnik zeigte der Referent die Veränderungen der Gerätemechanik vom auf Druck arbeitenden Herner Führungsteleskop über die interokklusalen Verbindungsstege bis hin zu den vestibulären Verbindungsstegen auf. Beide letztgenannten Geräte arbeiten auf Zug und verhindern die Dorsalrotation des Unterkiefers bei Mundöffnung, wirken somit einer Verkleinerung des posterioren Luftraumes im Rachenbereich entgegen.
Last but not least demonstrierte Dr. Susanne Schwarting, Kiel, 1. Vorsitzende der DGZS, Fehlentwicklungen in der Schienentherapie. Hier ging sie insbesondere auf frei käufliche „over the counter- Produkte“ beziehungsweise sogenannte konfektionierte „boil & bite-Schienen“ ein. Sie zeigte in anschaulichen Kasuistiken negative Folgen und ineffektive Behandlung bei der Anwendung solcher Produkte, wenn sie vom Patienten nach Kauf im Internet selbst oder von nicht fachgerecht ausgebildeten Behandlern eingesetzt werden.
Direkt im Anschluss stellte Prof. Marc Braem, Antwerpen, Ergebnisse aus seiner neuesten Studie „In-vitro Retention of a Custom-made versus a Thermoplastic Mandibular Advancement Device“ vor. Er bestätigte so noch einmal die Aussagen der Vanderveken- Studie aus dem Jahre 2007.
Es konnte erneut eindrucksvoll gezeigt werden, dass eine individuell nach Abdrücken im zahntechnischen Labor gefertigte Protrusionsschiene unter in vitro Bedingungen eine deutlich bessere Haftung auf den Kiefermodellen zeigt, als eine boil & bite Schiene dieses leisten kann, selbst wenn letztere von zahnärztlichem Fachpersonal angefertigt wird.
Abschließend präsentierte PD Dr. med. Ludger Grote, Vorsitzender der schwedischen Schlafmedizingesellschaft, Göteborg, die eindrucksvolle Europäische Schlafapnoe- Datenbank ESADA. Der mittlerweile zur Verfügung stehende Datenschatz von über 5 000 Patienten aus 14 europäischen Schlafmedizinzentren ist eine bedeutende Hilfe bei der Erforschung und Therapie der SBAS und den sich aus ihnen ergebenden gesundheitlichen Folgen für den Einzelnen aber auch daraus resultierenden sozioökonomischen Konsequenzen.
Im Rückblick auf die Tagung wurde die immense Bedeutung einer interdisziplinären Zusammenarbeit unter dem Aspekt eines qualifizierten fachübergreifenden Dialoges deutlich. In ihren abschließenden Worten ermutigte Dr. Schwarting alle Mitglieder, die DGZS-Zertifizierung zum schlafmedizinisch fortgebildeten Zahnmediziner und damit qualifizierten Partner der ärztlichen Kollegen zu absolvieren.
Dr. med. dent. Alexander MeyerFriedrich-Ebert-Str. 2142719 Solingen
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