Arm ist krank
Arm, aber sexy? Der Slogan gilt nur für Berlin. Wer arm ist, riskiert nämlich ab 45 vermehrt Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris, Hypertonie und Diabetes. Bronchitis, Lebererkrankungen, Osteoporose, Arthrosen und Depressionen treten ebenfalls häufiger auf. Dass Arme ihren Gesundheitszustand vielfach als weniger gut oder schlecht bewerten, lässt sich also mitnichten auf die rein subjektive Wahrnehmung kaprizieren. Bei Männern hängen zudem Armutsrisiko und Herzinsuffizienz, Arthritis und chronische Niereninsuffizienz zusammen. Betroffene Frauen leiden verstärkt an Asthma bronchiale und erhöhten Blutfettwerten. In fast jedem Alter sind von Armut bedrohte Männer und Frauen übrigens deutlich zahlreicher krankhaft dick: Männer haben im Vergleich zu Gutverdienern ein 1,6-fach erhöhtes Risiko adipös zu sein, Frauen ein 3,3-faches.
Kleines Gehalt, früher Tod
Was die Lebenserwartung betrifft: Schlecht verdienende Männer sterben fast elf Jahre früher als jene mit gutem Einkommen.
Neben dem Verdienst ist auch die Bildung entscheidend für das Gesundheitsbefinden. Dass sie in den vergangenen vier Wochen immer oder oft unter starken Schmerzen gelitten haben, berichten Ungebildete signifikant häufiger als Gebildete – ungeachtet des Alters. Sie rauchen außerdem weitaus häufiger und hören damit seltener beziehungsweise später wieder auf. Sport steht ebenfalls seltener auf dem Plan als bei Qualifizierten. Ausnahme: die 18- bis 29-jährigen Männer.
Weniger Qualifizierte nehmen überdies seltener an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und anderen Präventionsangeboten teil, obgleich diese größtenteils zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören, also ohne Zuzahlungen in Anspruch genommen werden können. Sie kennen außerdem viel weniger typische Symptome für Schlaganfall und Herzinfarkt. Auffällig ist auch, dass Diabetiker mit niedriger Bildung seltener an Diabetikerschulungen teilnehmen und weitaus größere Probleme haben, die Behandlung der Erkrankung im Alltag umzusetzen. Welche Bedeutung Bildung für die Gesundheit hat, zeigt sich auch hinsichtlich der Lebenserwartung: 45-jährige Männer mit Abitur oder Fachabitur leben im Durchschnitt 5,3 Jahre länger als Gleichaltrige mit Hauptoder ohne Schulabschluss.
Arbeitslos ist ungesund
Auch Arbeitslosigkeit ist mit einer schlechteren Gesundheit assoziiert, unter anderem wegen des engeren finanziellen Handlungsspielraums und des geringeren Lebensstandards. Arbeitslose waren 2009 mit durchschnittlich 20,9 Tagen pro Mitglied deutlich häufiger arbeitsunfähig als Pflichtund Freiwilligversicherte mit 11,3 und 5,8 Tagen. Die Unterschiede zwischen arbeitslosen und angestellten Versicherten treten gerade bei Arbeitsunfähigkeitstagen infolge psychischer und Verhaltensstörungen inklusive Suchterkrankungen, Stoffwechselkrankheiten und Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems zutage. Bei Männern übrigens noch etwas stärker als bei Frauen.
Arbeitslose klagen zudem häufiger und länger über körperliche und emotionale Beschwerden als Erwerbstätige. Nicht zuletzt sind arbeitslose Männer und Frauen mit körperlichen oder emotionalen Problemen, stärker in der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten eingeschränkt als diejenigen in Lohn und Brot.
No Sports
Mit Blick auf das Gesundheitsverhalten und gesundheitsbezogene Einstellungen fällt auf, dass Arbeitslose im Vergleich zu Erwerbstätigen insgesamt ungesünder leben. Dies lässt sich für den Tabakkonsum, die sportliche Inaktivität und Adipositas belegen. Statistisch gesehen ist das Risiko zu rauchen bei arbeitslosen im Verhältnis zu erwerbstätigen Männern und Frauen um den Faktor 2,9 beziehungsweise 1,7 erhöht. In Sachen Sport betragen die Verhältnisse 3,2:1 bei Männern und 3,6:1 bei Frauen, bei Adipositas 1,4:1 beziehungsweise 2,1:1.
Insgesamt 17 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen, die in den vergangenen fünf Jahren arbeitslos waren, halten ihre beeinträchtigte Gesundheit mit für einen Grund für den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Die überwiegende Mehrheit berichtet außerdem, dass sich ihr Gesundheitszustand nach Eintritt in die Arbeitslosigkeit nicht wieder verbessert oder sogar noch weiter verschlechtert hat (74 Prozent der Männer und 71 Prozent der Frauen). Weniger eindeutig sind die Ergebnisse zum Alkoholkonsum. Nur die Krankenhausstatistik verweist darauf, dass Arbeitslose häufiger als Erwerbstätige in Folge von alkoholbedingten psychischen und Verhaltensstörungen stationär behandelt werden. Offenbar trinken Arbeitslose mehr als Erwerbstätige.