Die Hoffnung stirbt zuletzt
Dabei war und ist die Idee, die hinter einer solchen Strategie steckt, durchaus nachvollziehbar: Praxisinhaber, die meist einen Großteil ihres Lebens mit dem Aufbau der Praxis und der Festigung ihrer damit verbundenen Existenz verbringen, wollen im Alter die (finanziellen) Früchte ernten: Durch den Verkauf an einen Nachfolger wird die Praxis einschließlich aller materiellen und immateriellen Werte fortgeführt, und der bisherige Eigentümer finanziert mit dem Verkaufserlös neben den Bezügen aus der Versorgungskasse seinen Ruhestand. Der Praxisnachfolger finanziert seinerseits den Kaufpreis mithilfe seiner Hausbank, so dass es im Ergebnis ausschließlich Gewinner geben sollte.
Kritische Kredithöhe
In der Wirklichkeit stellen sich derartige Transaktionen nicht zuletzt durch die eingangs erwähnte Situation derzeit allerdings häufig schwieriger dar als ursprünglich geplant. Dies liegt vor allem an den Einzelheiten der Finanzierung des jeweiligen Kaufpreises. Während sich Verkäufer und Käufer über dessen Höhe meist relativ schnell einigen, gibt es – mit offenbar zunehmender Tendenz – Probleme mit der Bereitschaft der Banken, eine Übernahme finanziell zu begleiten. Dabei geht es in der Regel nicht um die grundsätzliche Kreditzusage, sondern vor allem um die Höhe des jeweiligen Kredits, die sich wiederum am Verkaufserlös der Praxis orientiert.
Auffällig ist, dass die internen Bewertungsansätze der Bankinstitute oftmals nicht mit dem vom Verkäufer ermittelten Wert der Praxis übereinstimmen. So drohen Übernahmen zu scheitern, wenn aufgrund der subjektiven Bankbewertung und des auf dieser Basis gewährten Kredits statt des erwarteten Verkaufserlöses lediglich ein Bruchteil des ursprünglichen Betrags erzielt werden kann. Für den bisherigen Praxisinhaber sind solche Folgen naturgemäß unerfreulich: Da ihm unter Umständen ein Großteil seiner Altersvorsorge verloren gehen würde, kann er die Praxis meist nur selbst weiterführen oder doch den Betrag akzeptieren, den ihm der potenzielle Nachfolger mithilfe seiner Bank zahlen kann.
Bewertungskriterien der Banken beachten
Um eine solche Situation zu vermeiden, sollten sich Praxisinhaber, die über einen späteren Verkauf nachdenken, nicht erst kurz vor der geplanten Übergabe, sondern bereits frühzeitig mit dieser Pro blematik auseinandersetzen. Dazu gehört vor allem, die banküblichen Bewertungsdetails einmal näher zu betrachten. Die Erfahrung zeigt dabei, dass es in der Regel noch nicht einmal gravierende Unterschiede in der tatsächlichen Bewertung der jeweiligen Praxis gibt. Dies liegt vor allem daran, dass es zumindest für die materiellen Werte wie Grundstück, Gebäude und Praxisausstattung nachvollziehbare Bewertungsmaßstäbe gibt. So können Richtwertkarten bei den Gemeinden ebenso konkrete Hinweise zu Bodenpreisen geben wie bereits vorliegende Gutachten zu vergleichbaren Gewerbegebäuden oder angemessene Zeitwerte bei der Praxis ausstattung. Die rechnerischen Grundlagen der bei Praxisbewertungen üblichen Ertragsbeziehungsweise Sachwertverfahren sollten also objektiv genug sein, um auch kritische Kreditgeber zu überzeugen. Es sind dagegen vielmehr die internen Wertansätze des jeweiligen Bankinstituts, die einer Übernahme meist entgegenstehen. Gerade hier drohen durch Basel III und durch die in den vergangenen Jahren zum Teil erheblich veränderte wirtschaftliche Situation diverser Banken weitere Verschärfungen, denen sich sowohl Banken als auch Ärzte rechtzeitig stellen sollten.
Beleihungswert und Beleihungsgrenze
Dabei gilt grundsätzlich, dass sich im Gegensatz zum Beleihungswert, der üblicherweise auf der Basis des dargestellten Verkehrswerts unter Berücksichtigung eines vertretbaren Abschlags ermittelt wird, die tatsächliche Kredithöhe vor allem an der Beleihungsgrenze orientiert, die ihrerseits wiederum einen bestimmten Prozentsatz des Beleihungswerts ausmacht. Für einen Praxisnachfolger – und in der Folge auch für den Praxisverkäufer – kann der Unterschied erheblich sein: Bei einem durch ein Gutachten ermittelten Praxiswert von beispielsweise 300 000 Euro und einer Beleihungsgrenze von sechzig Prozent kann der zukünftige Unternehmer also lediglich mit einem Kredit von 180 000 Euro rechnen. Kommt kein nennenswertes Eigenkapital hinzu, wäre dieser Betrag auch die Höhe des Kaufpreises und damit der Erlös für den bisherigen Eigentümer.
Aber selbst bei einer angemessenen Eigenkapitalquote müssten bei diesen Voraussetzungen vom jetzigen Praxisinhaber erhebliche finanzielle Abstriche bei seiner späteren Altersvorsorge gemacht werden. Den von ihm erwarteten Betrag von 300 000 Euro, der ja nicht seinen eigenen, subjektiven Schätzungen, sondern einem offiziellen Gutachten zugrunde liegt, wird er oftmals nicht einmal annähernd erzielen.
Zur Vermeidung einer solchen Situation ist es also sinnvoll, rechtzeitig Gespräche mit mehreren möglichen Kreditgebern zu führen. Die Beleihungsgrenzen werden nämlich zum Teil flexibel ermittelt und stellen keineswegs unveränderbare Größen dar.
Michael VetterWirtschaftsjournalistvetter-finanz@t-online.de