Pathophysiologie, Klinik und Therapie
Schlafbezogene Atemstörungen stellen eine hohe individuelle gesundheitliche Belastung für die Betroffenen und ein erhebliches ökonomisches Problem für die Gesellschaft dar. Während konservative Schätzungen bisher eine Häufigkeit von zwei bis vier Prozent in der Bevölkerung annahmen [Young et al., 2002], ist inzwischen von deutlich höheren Zahlen mit einer Prävalenz von 20 Prozent in den besonders betroffenen Gruppen, zum Beispiel Männer zwischen 40 und 60 Jahren, auszugehen. In Hausarztpraxen zeigte sich, dass bei 32 Prozent der Personen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unter obstruktiven schlafbezogenen Atemstörungen litten, diese noch unbekannt waren [Ohayon et al., 1997; Netzer et al., 2003]. Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
Zu den schlafbezogenen Atemstörungen gehören das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS), das zentrale Schlafapnoesyndrom (ZSAS) und schlafbezogene Hypoventilationen.
Bei derobstruktiven Apnoeliegt ein vollständiger Verschluss der oberen Atemwege meist in Höhe des Zungengrunds vor. Zwar geht also der Impuls regelrecht vom zentralen Nervensystem aus und stimuliert auch die Atemmuskulatur, die Luft kann jedoch nicht durch die obstruierten Atemwege befördert werden. Der Patient unternimmt frustrane Atemanstrengungen. Demgegenüber fehlt bei derzentralen Apnoeder Impuls des Gehirns zu atmen. Weder Atemstrom durch Mund oder Nase noch Atembewegungen sind erkennbar. Im Unterschied zu den Apnoen ist von einer Hypopnoe zu sprechen, wenn bei abgeschwächtem, jedoch nicht vollständig unterbrochenem Atemfluss ein prozentualer Abfall der Sauerstoffsättigung eintritt [Iber et al., 2007]. Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) quantifiziert die Anzahl von Apnoen und Hypopnoen pro Stunde Schlaf. Bereits ab einem AHI größer gleich 5/h muss mit einem Anstieg des kardiovaskulären Risikos gerechnet werden.
Zentrale schlafbezogene Atemstörungen treten häufig bei Erkrankungen des Herzens, Schlaganfall, Niereninsuffizienz, bei Medikamenten- oder Drogengebrauch (wie Opiate) und in großer Höhe auf. Unter dem BegriffHypoventilationssyndromekönnen zahlreiche Erkrankungen zusammengefasst werden, bei denen die Atemtiefe im Schlaf nicht ausreicht, um das CO 2 suffizient abzuatmen (COPD, neuromuskuläre oder skelettale Erkrankungen). In diese Gruppe fällt auch das Obesitas-Hypoventilations-Syndrom, also die verminderte Atmung bei stark übergewichtigen Patienten, ein Problem, das mit der Zunahme des Körpergewichts in der Bevölkerung weiter steigen wird [The Report of an American Academy of Sleep Medicine Task Force, 1999].
Insgesamt werden Hypoventilationssyndrome und zentrale Atemstörungen deutlich seltener als obstruktive schlafbezogene Atemstörungen festgestellt. Nur letztere sind therapeutisch für den Zahnarzt von Interesse und werden in diesem Artikel besprochen. Dennoch ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung im Schlaflabor von großer Bedeutung. Nicht zuletzt deswegen stellt die Polysomnografie die Basis der Diagnostik dar, die der Behandlung zum Beispiel mit Unterkieferprotrusionsschienen vorausgehen muss.
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Klinik
Die Leitsymptome des OSAS sind das laute und oft unregelmäßige Schnarchen, die fremdbeobachteten Atemunterbrechungen im Schlaf sowie die Tagesschläfrigkeit. Mit der Obstruktion der oberen Atemwege ist eine vermehrte Atemanstrengung verbunden. Sie führt zu Weckreaktionen, jedoch meist nicht zum vollständigen Erwachen, sondern zu einer Veränderung der Schlaftiefe. Die Patienten fühlen sich am nächsten Tag nicht ausgeruht, wachen wie gerädert auf, schlafen in ruhigen Situationen ein, leiden unter Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten und können am Arbeitsplatz eingeschränkt sein. Die vermehrte Tagesschläfrigkeit ist mit einer deutlich erhöhten Unfallgefahr im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz verbunden. Mehr als 40 Prozent der OSAS-Patienten geben an, mindestens einmal im letzten Monat vor der stationären Aufnahme am Steuer eingeschlafen zu sein [Randerath et al., 2000; Lindberg et al., 2001]. Zu den weniger bekannten Symptomen gehören unruhiger Schlaf, nächtliches Erwachen mit Luftnot, morgendlicher Kopfschmerz und morgendliche Mundtrockenheit, Abgeschlagenheit und Leistungsknick, aber auch depressive Verstimmungen und Probleme in der Sexualität [Yim-Yeh et al., 2010]. Frauen scheinen oft unter den weniger typischen Beschwerden zu leiden.
Die respiratorischen Störungen im Schlaf haben neben dem Unfallrisiko und den Einschränkungen der Lebensqualität jedoch weitere Konsequenzen zur Folge. Über die Freisetzung von Katecholaminen, möglicherweise auch durch die mechanische Belastung des Herzens aufgrund der erheblichen Atemanstrengungen, kommt es zum Anstieg des arteriellen Blutdrucks, zu Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und vorzeitigem Tod [Marin et al., 2005]. Bei einer neu diagnostizierten Hypertonie sollte daher unbedingt nach OSAS gesucht werden [Baldwin et al., 2001].
Pathophysiologie
Wie kommt es zur Verlegung der oberen Atemwege beim OSAS? Anatomische Einengungen durch Veränderung des Gesichtsschädels oder der pharyngealen Weichteile, aber auch durch Vergrößerungen von Tonsillen, Uvula oder Zunge, stellen eine ungünstige Prädisposition dar. Diese anatomische Einengung findet sich meist auf der retropalatinalen und retroglossalen Ebene [Ciscar et al., 2001; Sanner et al., 2002]. Auf dem Boden dieser Voraussetzungen spielen jedoch Morphologie und Funktion der Muskeln der oberen Atemwege die entscheidende Rolle. Sie halten die oberen Atemwege offen, da diese nicht umfassend durch Knochen oder Knorpel ausgesteift sind.
Auch die pharyngealen Muskelgruppen sind von der allgemeinen Muskelrelaxation im Schlaf betroffen, die zu einer geringen Einengung der Atemwege im Schlaf führt. Zu ihrer Verlegung sind jedoch zusätzliche Faktoren notwendig. Dazu gehört der zeitliche Ablauf der Muskelstimulation von pharyngealer und thorakaler Muskulatur. Im Normalzustand wird die Muskulatur der oberen Atemwege zeitlich vor der Muskulatur von Zwerchfell und Thorax aktiviert. Nur dann kann ihre geringe Masse dem stark negativen thorakalen Druck, der durch die Atemmuskulatur (Zwerchfell und Brustkorb) aufgebaut wird, stabilisierend entgegenwirken. Diese vorzeitige Stimulation ist bei zahlreichen Patienten mit OSAS aufgehoben [Hudgel and Harasick, 1990].
Die pharyngealen Muskeln werden normalerweise auch durch negativen intraluminalen Druck stimuliert. Dieser Reflex ist beim OSAS vermindert, ein Phänomen, das im Schlaf weiter verstärkt wird. Interessanterweise ist die Aktivität der pharyngealen Muskulatur, insbesondere des Musculus genioglossus, bei OSAS-Patienten im Wachzustand höher als bei Gesunden. Dies wird als Kompensation der ungünstigen anatomischen Prädisposition verstanden. Im Schlaf kommt es jedoch bei den meisten Patienten zu einem starken Abfall der Genioglossus-Aktivität und somit zum Verlust der Kompensation zu Schlafbeginn [Mezzanotte et al., 1996].
Somit sind also sowohl Motorik, aber auch Sensorik (Reflexverhalten) gestört, was auf eine Schädigung der versorgenden Nerven zurückzuführen sein kann [Friberg et al., 1998]. Im Vergleich zu Kontrollpersonen fand sich in histologischen Präparaten von Schlafapnoeikern ein Nebeneinander von atrophischen und hypertrophischen Muskelfasern, die zudem eine einheitliche Verteilung der Fasertypen zeigten. Durch Schädigung einzelner Nerven kommt es zur Atrophie der abhängigen Muskelzellen und kompensatorischer Hypertrophie benachbarter Fasern. In Analogie zu Schädigungsmustern aus der Arbeitsmedizin (Vibrationstrauma bei Arbeiten mit Presslufthämmern) führten Svanborg et al. diese neurogene Muskelschädigung auf ein Vibrationstrauma durch das langjährige Schnarchen zurück [Svanborg, 2006].
Das Ausmaß der Einengung der oberen Atemwege variiert je nach Schlafstadium und Körperposition innerhalb einer Nacht, aber auch von Nacht zu Nacht und im Langzeitverlauf. Dies kann durch den kritischen Verschlussdruck (P crit ) beschrieben werden, der den Gewebsdruck im kollapsiblen pharyngealen Abschnitt widerspiegelt. Wenn der Druck in den Atemwegen proximal („upstream“, nasal) und distal des kollapsiblen Elements („downstream”, Trachea) über dem kritischen Verschlussdruck im Pharynxbereich liegt, kann die Luft frei durch die Atemwege strömen. Falls andererseits der P crit den Atemwegsdruck im proximalen oder im distalen Abschnitt übertrifft, wird der Luftstrom behindert oder gar unterbrochen [Gleadhill et al., 1991; Patil et al.. 2007].
Das OSAS stellt also nicht nur ein rein mechanisches Problem, sondern ein komplexes pathophysiologisches Geschehen dar. Es ist durch ein Zusammenspiel einer anatomischen Prädisposition mit Einengung der oberen Atemwege, funktionellen Störungen der Muskulatur und der Muskelstimulation sowie Nervenschädigungen gekennzeichnet. Das macht die nur begrenzte Wirksamkeit operativer Verfahren an Uvula, weichem Gaumen und pharyngealen Wänden verständlich. Die Erkenntnisse führten auch zu experimentellen Ansätzen zum Training und zur Stimulation der Muskeln der Atemwege, die bisher jedoch noch nicht zu klinisch relevanten Behandlungsoptionen geführt haben.
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Diagnostik
Noch immer muss von einer hohen Zahl unerkannter und unbehandelter Patienten ausgegangen werden. Auch für den Zahnarzt bietet sich daher an, regelmäßig einige wenige Fragen in die Anamneseerhebung mit aufzunehmen. Dies kann auf einem einfachen Fragebogen erfolgen wie zum Beispiel:
• Fühlen Sie sich am Tag schläfrig, unaufmerksam, unkonzentriert?• Schnarchen Sie?• Sind bei Ihnen Atemunterbrechungen oder Atemunregelmäßigkeiten bemerkt worden?
Mit diesen Fragen können Patienten mit einem schweren OSAS mit hoher Wahrscheinlichkeit gefunden werden.
Fragebögen spielen in der Diagnostik des Schlafapnoesyndroms, aber auch in der Schweregradeinschätzung und der Verlaufsbeobachtung eine große Rolle. Mit der Epworth Sleepiness Scale (ESS) [Johns, 1991] oder der Stanford Sleepiness Scale (SSS) kann die Tagesschläfrigkeit – auch im Verlauf – quantifiziert werden. Im Schlaflabor stehen standardisierte objektive Testverfahren wie zum Beispiel Fahrsimulatoren, Daueraufmerksamkeitstests und komplexe elektrophysiologische Untersuchungen, wie der multiple Schlaflatenztest (MSLT) oder der Maintenance of Wakefulness Test (MWT), zur Verfügung.
Beim Verdacht auf ein OSAS sollten kardiorespiratorische Parameter (Atemstrom an Mund und Nase, Bewegungen von Brustkorb und Bauch, Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Beinbewegungen) im Schlaf erfasst werden. Diese meist ambulant durchgeführte Untersuchung kann selbstverständlich weder die exakte Zahl der Atemstörungen, noch andere schlafmedizinische Erkrankungen erfassen, da sie den Schlaf selber ja nicht misst. Die größte Aussagekraft in der schlafmedizinischen Diagnostik hat daher die Polysomnografie (PSG), die neben den kardiorespiratorischen Parametern auch als neurologische Messgrößen mehrere Kanäle des Elektroenzephalogramms, das Elektromyogramm am Kinn (und gegebenenfalls am Bein) und das Elektrookulogramm von beiden Augen ableitet. So können die Schlafstadien gemessen, der Schlafvom Wachzustand unterschieden und die Weckreaktionen erfasst werden [Rechtschaffen and Kales, 1968]. Im Schlaflabor werden in ein bis zwei Polysomnografien Diagnose und Schweregrad der Erkrankung bestimmt und anschließend die Therapie eingeleitet.
Mit der Kephalometrie können Einengungen des hinteren Luftraums, Vergrößerungen der Zunge und des weichen Gaumens, Verlagerungen des Hyoids nach inferior, eine Rückverlagerung des Unterkiefers und Veränderungen des Nasion-Sella-Basion-Winkels erfasst werden. Sie bietet damit auch die Voraussetzungen für operative Eingriffe am Kiefer [Hans et al., 2001].
Nach Entlassung des Patienten sind regelmäßige Kontrollen sinnvoll, um die Nutzung der Therapie, Probleme mit der Anwendung der Nasen- oder Gesichtsmaske und die suffiziente Beseitigung der respiratorischen Störungen erfassen. Je nach Zeitdauer der Therapie und Zufriedenheit können Kontrollen von einfachen Befragungen über ambulante Polygrafien bis zur Polysomnografie im Schlaflabor reichen.
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Therapie
Die Stabilisierung der oberen Atemwege durch einen von außen zugeführten positiven Druck wurde Anfang der 1980er-Jahre von Sullivan beschrieben und ist zwar seither modifiziert, jedoch nicht prinzipiell verändert worden [Sullivan et al., 1981]. Bei der kontinuierlichen Positivdruckatmung (Continuous Positive Airway Pressure, CPAP) wird ein von einem Gerät erzeugter konstanter Druck über ein Schlauchsystem und eine Maske den Atemwegen des Patienten zugeführt, die so von ihnen offengehalten werden („pneumatische Schienung“). So werden der Kollaps der Atemwege und das Schnarchen, und somit auch alle Symptome des OSAS verhindert und die kardiovaskuläre Belastung normalisiert [Sullivan, Issa et al., 1981; Marin, Carrizo et al., 2005]. Auch wenn die hoch effiziente CPAP-Therapie frei von ernsten Nebenwirkungen ist, klagen dennoch nicht wenige Patienten über Trockenheit oder Kältegefühl der Schleimhäute, Reizungen der Konjunktiven oder Druckstellen im Gesicht. Eine optimale Maskenanpassung oder die Applikation eines Warmluftbefeuchters können daher die Nutzung der Therapie erheblich beeinflussen. Trotz dieser Einschränkungen liegt die Langzeit-Compliance mit einer Nutzung von 70 Prozent an mehr als fünf Tagen pro Woche über mehr als vier Stunden auf einem sehr hohen Niveau, verglichen mit anderen medizinischen Therapiemaßnahmen [McArdle et al., 1999].
Automatisches CPAP (APAP) und Bilevel (BPAP)stellen technische Modifikationen der Positivdrucktherapie mit dem Ziel dar, die Akzeptanz zu verbessern. Bei der Bilevel-Therapie atmen die Patienten auf zwei in Inspiration und Exspiration verschiedenen, aber im Schlaflabor individuell festgelegten Druckniveaus. Demgegenüber variieren APAP-Geräte den applizierten Therapiedruck permanent entsprechend dem aktuellen Kollapszustand der oberen Atemwege [Randerath et al., 2001]. Obwohl der mittlere Behandlungsdruck unter APAP zwar signifikant gesenkt und die respiratorischen Störungen ebenso gut wie unter CPAP verbessert werden, konnte bisher eine Überlegenheit automatischer Systeme im Hinblick auf die Compliance noch nicht gezeigt werden [Randerath, 2006].
Bei der Entscheidung zur Therapie sind sowohl die Anzahl der Atemstörungen (Apnoe-Hypopnoe-Index), als auch die Beschwerden des Patienten, das Unfallrisiko und kardiovaskuläre Belastungen zu berücksichtigen. Bei einem AHI von mehr als 15 sollte dem Patienten unbedingt zur Behandlung geraten werden. Bei niedrigeren Werten ist die Indikation von der Klinik abhängig zu machen.Häufig fragen die Patienten nach Alternativen zur CPAP-Therapie. Dabei haben sich in Abhängigkeit vom Schweregrad halsnasenohrenärztliche und kieferchirurgische Operationen sowie Unterkieferprotrusionsschienen bei Patienten mit leichtem bis allenfalls mäßig ausgeprägtem OSAS (AHI bis etwa 25 bis 30/h) als teilweise effektiv erwiesen [Randerath et al., 2011]. Diese Verfahren werden in anderen Beiträgen dieser Serie ausführlicher diskutiert.
Unterkieferprotrusionsschienenwerden vom Zahnarzt nach Abdruck angefertigt, verlagern die Mandibula und damit die Zunge nach vorne und führen so zu einer Erweiterung der oberen Luftwege. In verschiedenen Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass in der genannten Gruppe etwa 50 Prozent der Patienten auf die Therapie ansprechen [Lim et al., 2006]. Leider gibt es derzeit kein einfaches Verfahren, die Effizienz der Hilfsmittel beim individuellen Patienten vorherzusagen. In einem Kooperationsmodell von Schlafmedizinischem Zentrum und zahnärztlichen Praxen nutzen wir daher individuell laborgefertigte Testschienen (modifizierte Lyon-Geräte) als Probeschienen, die weniger kostenintensiv sind, jedoch nicht als dauerhafte Therapiegeräte genutzt werden sollten. Kann dabei Wirksamkeit nachgewiesen werden, ist die im Vergleich zum Testgerät grazilere Protrusionsschiene (ein individuell angepasstes, einstellbares, also titrierbares Zweischienensystem) einsetzbar. Im negativen Fall kann dennoch im Einzelfall eine definitive Protrusionsschiene erwogen werden. Die Effizienz der Behandlung ist durch regelmäßig erfolgende zahn- und schlafmedizinische Folgeuntersuchungen, wie die Polysomnografie, und nicht nur durch Befragungen der Patienten zu subjektiven Parametern (fremd wahrgenommenes Schnarchen, Tagessymptome) nachzuweisen. Für zahlreichehals-nasen-ohrenärztliche Eingriffeliegen nur unzureichende wissenschaftliche Daten vor. Bei einer Tonsillenhyperplasie kann die Tonsillektomie als wirksames Verfahren empfohlen werden. Muskelresezierende Operationstechniken am Weichgaumen erhöhen die Komplikationsrate, nicht aber die Effektivität. Auch wenn die Uvulo-Palato-Pharyngoplastie bereits seit vielen Jahren eingesetzt wird, ist ihr Effekt im Einzelfall nicht vorhersehbar und ein Nachlassen der Wirksamkeit im Verlauf der Jahre wird beobachtet. Dies gilt auch für andere Formen der Weichgaumenchirurgie. Falls eine CPAP-Therapie nicht möglich ist, werden hals-nasen-ohrenärztliche Multileveleingriffe diskutiert [Verse T et al., 2006].
In speziellen Fällen werden auchmundkiefergesichtschirurgische Operationeneingesetzt [Randerath, Verbraecken et al., 2011]. BeimGenioglossus-Advancementerfolgt eine inferiore sagittale Osteotomie der Mandibula und eine Vorverlagerung des Musculus genioglossus. Dieses Verfahren kommt meist im Zusammenhang mit anderen operativen Eingriffen zum Einsatz, so dass der Effekt der isolierten Anwendung nicht abgeschätzt werden kann. Diemaxillo-mandibuläre Osteotomieführt durch die Vorverlagerung von Weichgaumen, Zunge und Pharynxwänden zu einer Erweiterung von Naso-, Oro- und Hypopharynx. In mehreren kontrollierten Studien erwies sich die Methode gegenüber der CPAP-Therapie sowohl kurzwie auch langfristig als gleichwertig. Trotzdem bleibt sie wegen ihres Aufwands, möglicher Komplikationen und Belastungen für den Patienten besonderen Situationen wie Gesichtsschädeldeformierungen oder Kieferfehlstellungen vorbehalten. DieDistraktionsosteogenesewurde zur Behandlung schwerer syndromaler oder nicht-syndromaler maxillo-mandibulärer Deformitäten eingeführt. Bei den Betroffenen finden sich häufig durch Rückverlagerungen von Unterkiefer oder Mittelgesicht auch Einengungen der oberen Atemwege und somit ein Schlafapnoesyndrom. Bei dem Verfahren werden nach der maxillären und mandibulären Osteotomie die Knochensegmente über Tage distrahiert [Riley et al., 1990; Hochban et al., 1997; Conradt et al., 1998; Hochban and Hoch, 1998; Li et al., 2000; Li et al., 2000].
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Schlussfolgerung
Intraorale Protrusionsschienen erweitern die oberen Atemwege durch Öffnung des Bisses sowie durch Vorverlagerung der Mandibula, der Zunge und weiterer Strukturen [Schwarting et al., 2007]. Sie haben sich bei Patienten mit mildem bis mittelschwerem OSAS als teilweise effizient erwiesen. Dennoch bleibt die kontinuierliche Positivdrucktherapie (CPAP) die wirksamste Behandlungsmöglichkeit unabhängig von der Lokalisation der Obstruktion und dem Schweregrad der Erkrankung.
Das obstruktive Schlafapnoesyndrom beruht auf verschiedenen pathophysiologischen Faktoren, zu denen eine morphologische Einengung der Atemwege, die Schädigung der Muskulatur durch Schnarchen und Störungen der Atmungssteuerung gehören. Schnarchen kann daher nicht als harmlose Störung betrachtet werden. Die krankmachende Bedeutung des Schnarchens legt nahe, die Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzuleiten. Hier können auch Verfahren wie Unterkieferprotrusionsschienen oder Muskelstimulationen zum Einsatz kommen, wenn sie einen gesicherten Effekt auf das Schnarchen haben. Prospektive klinische Studien zur Überprüfung dieser Vorgehensweise sind von großem Interesse.
Zusammenfassung
Das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) stellt aufgrund der hohen Prävalenz und den individuellen Beeinträchtigungen ein Krankheitsbild von zunehmender Bedeutung dar. Dazu tragen auch epidemiologische Entwicklungen – Alterung und zunehmendes Übergewicht – nicht unerheblich bei. OSAS betrifft interdisziplinär sowohl den Allgemeinmediziner als auch den Kardiologen, bei denen die Patienten wegen ihrer Beeinträchtigung im Alltagsleben (Tagesschläfrigkeit, Aufmerksamkeitsdefizite, Sekundenschlaf) und der kardiovaskulären Folgeerkrankungen (arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern) vorstellig werden. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt, aber auch der Zahnarzt wird nicht selten wegen des Schnarchens konsultiert. Im Mittelpunkt der Pathophysiologie stehen morphologische Einengungen der oberen Atemwege und Funktionsstörungen der pharyngealen Muskeln. Die Polysomnografie im Schlaflabor hilft die Diagnose zu sichern und andere Atemstörungen oder somnologische Erkrankungen abzugrenzen. Die kontinuierliche Positivdrucktherapie (CPAP) gilt als optimaler Standard, für den eine Beseitigung der Atemstörungen und der Symptome nachgewiesen ist. Als Alternativen werden Unterkieferprotrusionsschienen, hals-nasenohrenärztliche und kieferchirurgische Eingriffe diskutiert. Die suffiziente Therapie normalisiert das kardiovaskuläre Risiko und die Lebenserwartung der betroffenen Patienten.
Prof. Dr. Winfried RanderathAufderhöher Str. 169-17542699 Solingenranderath@klinik-bethanien.de
Dr. Alexander MeyerFriedrich-Ebert-Str. 2142719 Solingen