Gastkommentar

Spielregeln

pr
Die Spielregeln zwischen Pharma und Kassen zu Preisverhandlungen über Arzneimittel sind fest, offene Fragen muss aber noch die Schiedsstelle klären. Ob Röslers Amnog wirklich ein Erfolg wird, ist noch nicht entschieden, meint der Berliner FAZ-Korrespondent Andreas Mihm.

Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (Amnog) gilt als großer politischer Erfolg des damaligen Gesundheitsministers Philipp Rösler. Zwar hat der Liberale mit dem auf 16 Prozent staatlich verordneten Preisabschlag gegen grundlegende Ordnungsprinzipien liberaler Ökonomie verstoßen. Doch heiligte der Erfolg milliardenschwerer Einsparungen einmal mehr das Mittel. Besser ins Konzept passte der Vorstoß, die an selbst festgelegte, üppige Preise gewöhnte Branche zu Preisverhandlungen mit den Kassen zu zwingen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, wie sich auch gut ein Jahr später noch zeigt. Das liegt nicht allein an der Widerspenstigkeit der Pharmabranche. Die Krankenkassen, die sich gern daran gewöhnt haben, für viele Arzneien die Preise über Festbeträge zu regulieren, tun sich mit dem Verhandeln auf Augenhöhe ebenso schwer. Immerhin haben sich Kassen und Pharmaverbände im Streit um die meisten Spielregeln für künftige Preisverhandlungen über Arzneimittel geeinigt. Die Regeln sind wichtig, denn nach ihnen sollen von 2012 an die Verhandlungen über die milliardenschweren Pharmabudgets der Krankenkassen geführt werden. Nun ist man sich darüber einig, nach welchem Muster vergleichbare Arzneimittel für die Preisverhandlungen ausgewählt und wie deren Jahrestherapiekosten bei der Vereinbarung des Erstattungsbetrags ermittelt werden. Und: Verschreiben die Ärzte mehr oder weniger Pillen, als Kassen und Hersteller bei ihren Verhandlungen zugrunde gelegt haben, dann können die Preise reduziert oder erhöht werden. Nur in einer Frage erzielten die Verhandler in der vierten Runde keine Einigkeit: Aus welchen europäischen Ländern dürfen die Pharmapreise zur Ermittlung des Preises in Deutschland herangezogen werden? Der Gesetzgeber hat dazu nur einen vagen Verweis auf „andere europäische Länder“ hinterlassen. Bezieht das nun auch arme Staaten mit Billigarzneien wie Rumänien oder Lettland mit ein, wie die auf niedrige Vergleichspreise hoffenden Kassen meinen? Oder interpretieren die Arzneimittelhersteller das Gesetz richtig, indem sie auf „vergleichbare“ Länder abheben? Die Frage aber ist für die künftige Preisfindung zentral. Wer wird der Vergleichsmaßstab für das Pharma-Hochpreisland Deutschland? Das soll nun bis Anfang 2012 die Schiedsstelle klären. Auf deren Besetzung hatte man sich – immerhin – schon frühzeitig geeinigt.

Vor dem Hintergrund klingt das Selbstlob aller Beteiligten, man habe „die Fähigkeit zu einvernehmlichen Lösungen nach schwierigen Verhandlungen erneut unter Beweis gestellt“, ein wenig überzogen. Vermutlich drückt es eher die Erleichterung darüber aus, wie weit man trotz monatelangen Streits gekommen ist. Denn wäre man im Streit auseinandergelaufen, so wäre das auch das Eingeständnis gewesen, dass die Gesundheitsbranche mit Wahlfreiheiten und Verhandlungslösungen nicht viel anfangen kann. Das hätte den federführenden Verband der forschenden Arzneimittelhersteller mit seiner neuen, auf Konsens, Konsens, Konsens ausgerichteten, bei der Ersatzkasse Barmer/ GEK weggekauften Chefin Birgit Fischer ebenso beschädigt wie die Chefriege des Spitzenverbands der Kassen. Muss die doch gegenüber AOK, Barmer & Co. beweisen, dass auch sie kann, was ihr die Mitglieder seit Jahren erfolgreich mit Rabattverhandlungen mit den Generikaherstellern vorexerzieren.

Die Kassen können der Pharmabranche bei den Spielregeln über die Preisverhandlungen um so eher entgegenkommen, weil sie über den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen zweiten, mächtigen Wirkhebel verfügen: Denn der legt fest, nach welchen Methoden der Zusatznutzen neuartiger Arzneien ermittelt wird. Die Pharmabranche hat nun den nicht ganz unbegründeten Verdacht, die Vergleichsanordnungen würden so gestrickt, dass nur wenige neue Präparate überhaupt für Preisverhandlungen zugelassen werden. Das wäre schlecht für die Pharmaindustrie und ihre Aktionäre, aber gut für die Kassen der Kassen. Doch dürfte es sich auf Dauer für die Patienten als ungünstig erweisen, wenn neue Präparate in Deutschland nicht mehr eingeführt würden.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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