Leitartikel

Zweite Halbzeit

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

dieser Tage waren wir nach Berlin zur Anhörung des Gesetzes zur „Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ – so lautet zumindest seine Zielsetzung – geladen. Damit will die Koalition, aber auch das FDP-geführte BMG punkten. Wenn Gesundheitsminister Daniel Bahr die Halbzeitbilanz der schwarz-gelben Regierungskoalition mit „allenfalls einem 0:1-Rückstand“ bewertet, dann fragt man sich: War das Tor ein Eigentor? Kann er wie angekündigt „in der zweiten Halbzeit noch Tore schießen“? Und wenn ja, sind dies auch keine Abseitstore?

Zweifellos hat das BMG schon mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) für deutliche Feldvorteile gesorgt. Indem der Pharmaindustrie verboten wurde, Preise frei festzulegen, erhält das System GKV Zeit zum Luftholen. Was wohl maßgeblich dazu beitrug, dass die Krankenkassen im ersten Halbjahr dieses Jahres laut Statistischem Bundesamt ein Plus von 2,9 Milliarden Euro erwirtschaften konnten und im Fonds eine Finanzreserve von knapp 16 Milliarden Euro liegt (Erinnern wir uns: Vor einem Jahr mussten Spargesetze her, um ein drohendes Milliardendefizit zu verhindern ...).

Daniel Bahr ist auf einem guten Weg, mit dem Versorgungsstrukturgesetz einen Treffer zu landen. Wir Zahnärzte feuern ihn hier gern an. Unsere Zielvorstellungen aus der Perspektive Mundgesundheit von 2009 finden sich im Koalitionsvertrag wieder, unsere wesentliche Forderung, ein Ende der straffen Budgetierung einzuleiten, wurde vom Gesetzgeber aufgenommen. Wir hätten uns zwar einen „noch direkteren“ Weg zum Tor gewünscht, stellen wir doch fest, dass es immer noch eine gewisse Abhängigkeit von der Grundlohnsummenentwicklung gibt, dass die Beitragssatzstabilität immer noch einen großen, aber keinen dominierenden Wert mehr hat und dass sich KZVen und Kassen immer noch auf eine anzustrebende Gesamtvergütung verständigen müssen.

Aber der Gestaltungsspielraum der KZVen soll größer, die Vergütung wieder am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Dazu sollen die Vertragspartner wieder Zahl und Struktur der Versicherten sowie die Morbiditätsentwicklung berücksichtigen. Der Spielaufbau dazu überzeugte mit gutter Kondition und Übersicht aus der Tiefe des Raumes. Dass es kein gradliniger Weg zum Tor wurde, lag auch an den eigenen Leuten. Das Offensivspiel wurde erheblich aus den eigenen Reihen gebremst, indem der Finanzminister, der eigentlich gar nicht zum Aufgebot gehörte und auf einmal wundersamerweise und völlig deplatziert auf dem Spielfeld erschien, per Grätsche den eigenen Spielfluss unterband. Und da das Runde noch nicht im Eckigen gelandet ist, möge Bahr daran denken, dass das Tor nicht anerkannt wird, wenn man – und sei es passiv – im Abseits steht. Aber er kann es auch nicht allein richten; die Mitspieler haben auch ihre Aufgaben. Und da hapert es bisher am Aufbau in der gesamten Mannschaft und vielfach am Abschluss der Stürmer. So lief man mit dem Ost-West-Angleich ins Abseits, verhedderte sich mit einer über weite Strecken gut angelegten GOZ und verpasste somit einen fulminanten Abschluss. Und mit dem Sturmlauf Alters- und Behindertenbetreuung, dem Vernehmen nach ein vom Trainer selbst inspiriertes Thema, landete man bisher nur einen Pfostenschuss – womöglich aus Angst vor einer weiteren Grätsche (s.o.). Vom ehedem Aktivposten linker Flügel gegen die Pharmalobby darf man nicht mehr viel erwarten; er hat sein Tor geschossen und ist aus der Puste. Der Angriff Pflegegesetz ist bisher in der eigenen Hälfte stecken geblieben.

In zwei Jahren werden die Verträge erneuert. Vielleicht hat die Anhörung der Regierungsmannschaft noch einige Erkenntnisse liefern können, wie Strategie und Umsetzung verbessert werden können und wo die Konditionsmängel offenkundig sind. Am Spielansatz kann es nicht liegen – der Koalitionsvertrag ist eindeutig und zielführend. Pfiffe von der Tribüne sind nicht die Welt – auf die Fankurve kommt es an! Bahr und Mitspieler hoffen, dass sie in der zweiten Halbzeit noch Tore schießen werden. Wir auch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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