Die klinisch-ethische Falldiskussion

Kollegialer Umgang zwischen Kieferorthopädin und Zahnarzt

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Dominik Groß
Gereon Schäfer, Brigitte Utzig, Hans-Otto Bermann, Dominik Groß

Der nachfolgende Fall widmet sich der Frage nach dem angemessenen kollegialen Verhalten einer Kieferorthopädin gegenüber dem vorbehandelnden Hauszahnarzt in Anbetracht (vermeintlich) unzureichender Maßnahmen.

Sollte die betreffende Fachzahnärztin den Patienten zur nötigen konservierenden Versorgung an den Hauszahnarzt zurück überweisen – ungeachtet der Befürchtung, dass dieser keine fachgerechte Sanierung durchführen wird? Wie sollte in einem solchen Fall die Kommunikation mit dem Hauszahnarzt und mit dem Patienten ablaufen? Und ist es begründbar oder vielleicht sogar geboten, trotz der (noch) unversorgten kariösen Defekte eine kieferorthopädische Behandlung zu beantragen?

Der Fallbericht:

TS, ein 17-jähriger, gesetzlich versicherter junger Mann mit tadellosem Auftreten, stellt sich in Begleitung seiner Mutter erstmals in der Gemeinschaftspraxis der Dres. K vor. Herr Dr. FK behandelt allgemeinzahnärztlich, seine Frau Dr. EK kieferorthopädisch. Die Untersuchung von TS durch EK ergibt nicht nur einen kieferorthopädischen Behandlungsbedarf – weshalb der Patient eigentlich überwiesen wurde –, sondern offenbart auch kariöse Läsionen an ausnahmslos allen Molaren und Prämolaren, die zum Teil in die Tiefe gehen und mit Substanzverlusten verbunden sind. Zwei Zähne besitzen Füllungen, die offensichtlich ohne gründliche Exkavation der Karies gelegt wurden. Versiegelungen sind nicht vorhanden. TS und seine Mutter versichern, dass er seit frühester Kindheit regelmäßig jedes halbe Jahr den Hauszahnarzt HH besucht habe. Er habe allerdings „immer mal wieder“ Schmerzen gehabt. Die individualprophylaktischen Maßnahmen, die TS noch in derselben Sitzung demonstriert werden, sind diesem nach eigenem Bekunden „vollkommen neu“.

EK sieht in der Beantragung und der Durchführung der kieferorthopädischen Therapie mit MBB-Apparatur des Patienten kein Problem. Sorgen machen ihr aber die zahlreichen unversorgten kariösen Defekte – umso mehr, als sie sich zum wiederholten Mal mit insuffizienten Behandlungsmaßnahmen von HH konfrontiert sieht.

EK überlegt: Soll sie den Patienten zur nötigen konservierenden Versorgung zum Hauszahnarzt zurück überweisen – trotz der Befürchtung, dass dieser keine fachgerechte Sanierung durchführen wird? Oder darf EK den Patienten explizit bitten, sich bei einem anderen Kollegen – oder gar in der eigenen Gemeinschaftspraxis – therapieren zu lassen? Welches Licht würde gerade der letztgenannte Vorschlag unter dem Aspekt der zahnärztlichen Kollegialität auf EK werfen? Und sollte sie mit dem Patienten fairerweise besprechen, dass ein niedergelassener Zahnarzt eventuell nicht alle Seitenzähne in einem Quartal behandeln wird, auch wenn die Sanierung im vorliegenden Fall sehr dringend ist? Sollte EK die kieferorthopädische Behandlung trotz der zahlreichen kariösen Defekte jetzt schon beantragen, da die Therapie im Rahmen der GKV beim volljährigen Patienten nicht mehr beantragt werden kann?

Dominik Groß

Dr. med. dent. Gereon SchäferUniv.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik GroßInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinUniversitätsklinikum der RWTH Aachen Wendlingweg 252074 Aachengte-med-sekr@ukaachen.de

Dr. med. dent. Hans-Otto Bermann Joachimstr. 5440547 Düsseldorf

Medizinpresse@t-online.de

Dr. med. dent. Brigitte UtzigSaarbrücker Str. 6366901 Schönenberg-Kübelberg

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