IGeL-Segen, IGeL-Fluch
Dr. Andreas Lehr
IGeL, von niedergelassenen Ärzten angeboten, sind höchst umstritten. Seit Langem sind sie den Krankenkassen ein Dorn im Auge; und Ärzte schwimmen bei dem Gedanken an IGeL auf einer Welle des Hochgefühls.
Die meisten Ärzteverbände dagegen betrachten sie kritisch und befürchten Schlimmes. Sie mahnen seit Jahren an, IGeL ihren Patienten nur sorgsam anzubieten, wissen die Funktionäre doch genau, dass bei Ausuferungen der Gesetzgeber diese sprudelnde Finanzquelle ein für alle Mal hermetisch abdichten könnte.
Die niedergelassenen Ärzte „igeln“ dennoch, „was das Zeug hält“. Die Sinnhaftigkeit dieser Angebote spielt leider meist eine untergeordnete Rolle, der Verkauf „am Tresen“ erweist sich zudem oft als höchst manipulativ. Gelegentlich wird sogar eine Leistung, die von den Krankenkassen übernommen wird, als IGeL verkauft und dabei kräftig auf die Krankenkassen geschimpft. Das ist heute in vielen deutschen Arztpraxen Usus.
Der Patient ist in der Regel überfordert. Für ihn ist undurchschaubar, ob das, was als unerlässliches Angebot angepriesen wird, tatsächlich notwendig ist. In der Regel vertraut der Patient dem Arzt und dessen Team. Woher soll er wissen, ob das aus dem eigenen Portemonnaie zu bezahlende Angebot sinnvoll ist? Er muss in diesem kurzen Moment der Entscheidung schlicht vertrauen. Äußert er Zweifel, werden teilweise recht dubiose Argumentationsketten aufgebaut, gelegentlich wird sogar mit dem Haftungsrecht argumentiert, wenn der Patient die IGeL ablehnt. In Zeiten, in denen die Eliten der Gesellschaft Gewinnmaximierung als oberstes Handlungsziel vorleben, sind solche Praktiken nicht verwunderlich, aber dennoch inakzeptabel.
Die Krankenkassen haben inzwischen mit dem IGeL-Monitor reagiert und diese Leistungen auf den wissenschaftlichen Prüfstand gestellt. Und siehe – die gewinnträchtigsten und am häufigsten angebo-tenen IGeL erweisen sich als unnütz und in einigen Fällen gar als kontraproduktiv, weil sie zu unnötigen Eingriffen führen können.
Das alles wissen die Ärztefunktionäre, die zwar die Stirn runzeln, sich aber aus verständlichen Gründen schwer tun, ihre „gestrauchelten“ Schafe wieder auf den rechten Weg zu führen. Das klassische Berufsethos per ordre de mufti durchsetzen zu wollen, dürfte wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Folglich muss wohl der Gesetzgeber die „igelnden“ Ärzte reglementieren. Im Patientenrechtegesetzentwurf sind deshalb auch neue Aufklärungsvorschriften, Verschriftlichung (weil es sich um einen Individualvertrag handelt) und Karenzzeiten zwischen Angebot und Inanspruchnahme vorgesehen. Das sind aber eher zaghafte Maßnahmen, die leicht „umgangen“ werden können.
Da wird der Gesetzgeber irgendwann nachbessern müssen, zumal die Öffentlichkeit durch Zeitungsmeldungen wie vor Kurzem aufgeschreckt wurde. Laut Antwort der Bundesregierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage der grünen Abgeordneten Biggi Bender fördert das Bundeswirtschaftsministerium Seminare mit einem recht netten Zuschuss, in denen Ärzte Praktiken erlernen können, wie man IGeL am besten an den Mann oder an die Frau bringt.
Die grüne Gesundheitspolitikerin forderte postwendend, diese Förderung zu stoppen. Ohne Frage, Ärzte sind auch Kleinunternehmer, die wirtschaftlich denken müssen. Aber sie sind auch Freiberufler, die in Deutschland einen Sonderstatus mit vielfältigen Privilegien genießen, der aus ihrer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung erwächst.
In der BÄK ertönten sofort die Alarmglocken, alle wesentlichen Informationen für Ärzte und Patienten, so Frank Ulrich Montgomery, seien über die BÄK und die KBV in Form von Checklisten abrufbar, Verkaufsseminare überflüssig.
Ein Appell, der vielleicht zu spät kommt.