Leitartikel

IGeL, Sparschwein oder Melkkuh

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Wer hat’s erfunden, das Wettbewerbswesen, an dem unsere Volksgesundheit genesen soll? Auch wenn die Sommerloch-Hetze der Medien über die IGe-Leistungen schon vorab die Schuldigen ausgemacht haben will: Die Ärzte waren es nicht.

Denn dass Ökonomen ihre Methoden perfektionieren, aus dem Gesundheits- ein Mischwesen zwischen Sparschwein und Melkkuh zu machen, ist nicht neu, sondern Standard. Den Wachstumskräften des „Marktes“ freien Lauf zu lassen, den Wettbewerb als Motor für Qualität, Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistung und zugleich den medizinischen Fortschritt einzusetzen, das war Ziel von Volks-, Betriebswirten und Politikern, nicht das von Ärzten und deren Patienten. Wer feiert denn so laut das Gesundheitswesen als „Wachstumsmarkt“ mit seinem enormen Beschäftigungspotenzial? Wir doch nicht!

Wie schwer man sich tut, freie Marktkräfte sinnvoll walten zu lassen, kann man übrigens sehr gut an den Regulierungsübergriffen in diesen „Markt“ am Beispiel der jetzt auf die Ärzte einschlagenden GKVen beobachten. Wettbewerb unter, aber nicht zu Lasten der Kassen, heißt deren Devise. Was folgt, sind Pleiten, Pech und Pannen. So ist das mit dem Wettbewerb: Ein bißchen schwanger geht eben nicht!

Man kann sicher darüber streiten, ob die IGeL-Diskussion (auch von den Ärzten selbst) immer glücklich geführt worden ist. Aber wer bitte soll denn die Leistungen des hochgepriesenen zweiten Gesundheitsmarktes bezahlen?

Wir Zahnärzte haben mit den Jahren einen vertrauensvollen Weg gefunden, wenn wir in unseren Gesprächen mit den Patienten auch über den Faktor „Zuzahlung“ reden. Wir sind wohl deshalb auch diesmal aus den Schlagzeilen.

Und mal Hand auf’s Herz: Jeder Zahnarzt (und das gilt auch für die ärztlichen Kollegen), der Patienten (von denen er lebt!) über den Tisch ziehen will, spielt unweigerlich mit der eigenen Existenz. Soviel zum Sinn von Abzockereien.

Aber eines ist klar: Jede Zahn(-Arzt)-Praxis ist ein kleiner mittelständischer Wirtschaftsbetrieb, der Mitarbeiter beschäftigt und – nicht nur deshalb – betriebswirtschaftlich geführt werden muss.

Es kann aber nicht angehen, dass wir aufgefordert werden, uns durch wettbewerbliche Maßnahmen leistungsbezogen auszuweiten, also auch „betriebswirtschaftlich“ zu denken, uns aber gleichzeitig alle normalen Wege verbaut werden, die andere – vom Heizungsbauer bis zum Juristen – wie selbstverständlich nutzen können und sollen. Dass das Wirtschaftsministerium als indirekter Förderer von berufsbegleitender Bildung jetzt dafür in der Kritik steht, ist grotesk!

Wir Zahnärzte sind – wie Anwälte, Architekten oder Ärzte – Freiberufler. Wir müssen im Schnitt etliche hunderttausend Euro in unseren Betrieb investieren und abzahlen. Das geht nicht ohne kalkulatorische Betriebsmodelle. Diese Modelle sind nach wie vor Grundlage für den Arzt oder Zahnarzt, sich nach Ethos und gutem Gewissen dem Heilen widmen zu können.

Wer das nicht will, der sollte ruhig die Fehler der Briten aus dem vorigen Jahrhundert nachholen und das Gesundheitswesen verstaatlichen (um hinterher festzustellen, dass das nicht funktioniert, folglich wieder private Behandlungen „geduldet“ werden).

Ein bigotter einäugiger Betroffenheitsjournalismus treibt die mediale Sau durchs Sommerloch. Ich erwarte nicht, dass man den Rentner davor schützt, auf der Butterfahrt eine überteuerte Rheumadecke zu kaufen. Oder den Esoterikmessen-Besucher davor bewahrt, eine „Energiepyramide“ mitzunehmen, die daheim den genetischen Code stabilisieren soll. Wer den Bundesärztekammerpräsidenten Montgomery auffordert, klare Worte zu finden – was der ja auch tut, der sollte auch jene Krankenkassen ins Visier nehmen, die Osteopathie- und Heil- praktikerrechnungen bezahlen und Feldenkrais- oder Eigenharntherapie im Programm haben.

Aber womöglich sind diese Journalisten ja auch GKV-versichert ...

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen Fedderwitz

Vorsitzender der KZBV

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