Der Dream vom Team
Nicht nur bürokratische Auflagen lassen den Nachwuchsmedizinern die Lust auf den vermeintlichen Traumjob vergehen. Es sind auch zwei Drittel der praktizierenden ärztlichen Zunft selbst, die ihren Kindern ganz bewusst abraten, ein Medizinstudium zu ergreifen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Ärztenetzwerks „Hippokranet“.
Die konkreten Erwartungen der jüngsten Medizinergeneration eruierte jetzt der Verband der Ärzte Deutschlands „Hartmannbund“ in einer brandneuen Umfrage unter 4 396 seiner insgesamt mehr als 20 000 Studierenden an 36 medizinischen Fakultäten. Die meisten Teilnehmer (656) entstammten dem fünften Semester, dem dritten (598) und dem siebten (572). Gemäß dem geläufigen Slogan „Die Zukunft der Medizin ist weiblich“ zählten 65 Prozent der Befragten zu diesem Geschlecht.
Ein Ergebnis der Studie: Lediglich zehn Prozent der Befragten, würden sich nach dem Studium in einer Einzelpraxis niederlassen. Zu hoch scheint das finanzielle Risiko, zu wenig Zeit bleibt für die Familie und als zu überbordend empfinden sie die Bürokratie. Ende vom Lied: Fast jeder Zweite erwägt, nach dem Studium einen Job außerhalb der kurativen Medizin anzutreten. Von ihnen zieht es das Gros der Befragten in die Forschung (57 Prozent) oder in den öffentlichen Gesundheitsdienst (39 Prozent) oder in die Pharmaindustrie (33 Prozent). „Das ist bei einem so beliebten Studiengang wie der Humanmedizin ein Armutszeugnis für all jene, die für die Rahmenbedingungen der ärztlichen Ausbildung und Berufsausübung verantwortlich sind“, sagte Kristian Otte, Vorsitzender des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund, anlässlich der Vorstellung der Umfrage in Berlin. Den ländlichen Raum würde der Versorgungsnotstand laut Otte mit voller Härte treffen: Während 24 Prozent der Befragten vom Land stammen, sind nur neun Prozent bereit, dort auch ambulant tätig zu werden.
Geld ist nicht alles – Familie ist fest eingeplant
Viel Geld hilft nicht immer viel. Nur 19 Prozent aller Befragten können sich eine Tätigkeit in unterversorgten Gebieten vorstellen, wenn Sie im Gegenzug während des Studiums finanziell unterstützt würden – für 52 Prozent stellt eine Finanzspritze keinen Anreiz dar – sie sind dagegen immun.
Fast 80 Prozent der Befragten sind bereit, ins Ausland zu gehen, davon mehr Männer (81 Prozent) als Frauen (77 Prozent). Sprich: Die Studentinnen, die ohnehin schon die Mehrheit der zukünftigen Ärzteschaft stellen, bleiben aus Gründen der Heimatverbundenheit vermehrt in Deutschland. Hinzu kommt: 77 Prozent aller Befragten wollen eine Familie gründen, davon wiederum 79 Prozent der Frauen und 76 Prozent der Männer. Für ihre Familie würden 47 Prozent der Befragten eine Teilzeitstelle antreten, abermals eher die Frauen (55 Prozent) als die Männer (34 Prozent). Aber: Nach spätestens drei Jahren sehnen sich dann 43 Prozent der Befragten wieder in eine, an die Vollzeit angelehnte Tätigkeit. Und: 85 Prozent aller Befragten können sich vorstellen, nach einer bestimmten Zeit von einem Angestelltenverhältnis in die Niederlassung zu wechseln. Dann aber eher als Facharzt – denn: 78 Prozent der Befragten wollen eine fachärztliche Tätigkeit ausüben, während sich nur 22 Prozent als Hausarzt sehen.
Otte: „Die Ergebnisse unserer Umfrage sind ein deutlicher Weckruf an Politik und Klinikträger, endlich zu handeln und angehenden Ärzten attraktive berufliche Perspektiven zu bieten.“ sf