Politiker blind für Prävention
Der Bundesrat begrüßt die Regelungen nach § 119b SGB V und § 87 Abs. 2j SGB V. Laut letzterem soll eine zusätzliche Vergütung für zahnärztliche Leistungen geschaffen werden, die über die Bewertung der Leistung für das Aufsuchen von Pflegebedürftigen nach § 87 Abs. 2i SGB V hinausgeht. Voraussetzung ist – entgegen den Vorschlägen von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) – der Abschluss einer Vereinbarung der Partner des Bundesmantelvertrags für eine zahnärztliche Betreuung von Bewohnern in Pflegeeinrichtungen nach § 119b Abs. 2 SGB V.
Der § 119b Abs. 2 SGB V des Gesetzentwurfs sieht vor, dass die Vertragspartner der Bundesmantelverträge bis 30. September 2013 – im Benehmen mit den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen sowie den Verbänden der Pflegeberufe auf Bundesebene – Anforderungen an eine kooperative und koordinierte Versorgung von Bedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen vereinbaren müssen. Der Bundesrat hält auch bei der ambulanten Pflege eine aufsuchende zahnärztliche Versorgung für nicht ausreichend und fordert eine Zusammenarbeit von Zahnärzten mit den für die Pflege und damit auch für die Mundhygiene verantwortlichen Personen. Er kritisiert – und dies ganz im Sinne der Zahnärzteschaft – dass die Regelungen auf stationäre Einrichtungen beschränkt seien und ambulant gepflegte Personen, die nicht zu einer selbstständigen Mundhygiene in der Lage sind, sondern der Unterstützung durch die pflegenden Personen bedürfen, schlechter gestellt seien als stationär gepflegte Personen, ohne dass ein sachlicher Grund dafür erkennbar sei. Der Bundesrat erkennt an, dass das Gros der Pflegebedürftigen aber nicht stationär, sondern ambulant in verschiedenen Versorgungsformen gepflegt wird. Der in § 87 Abs. 2i Satz 1 SGB V genannte Personenkreis, für den im BEMA eine zusätzliche Leistung für das Aufsuchen von Versicherten vorgesehen ist, weil er die Zahnarztpraxis aufgrund von Pflegebedürftigkeit, einer Behinderung oder einer dauerhaften erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen kann, dürfte aus Sicht des Bundesrats ebenso wenig zur selbstständigen Mundhygiene fähig sein, wie ein Bewohner einer Pflegeeinrichtung.
„Aus unserer Sicht fehlt die Festlegung der Anspruchsberechtigung für den aus zahnmedizinischer Sicht bisher völlig vernachlässigten Bereich der Prävention, wie vorgeschlagen in § 22a SGB V. Gerade die präventiven Potenziale zahnärztlicher Versorgung gilt es im Rahmen gesetzlicher Schritte zu heben“, fordert der BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich. Das von der zahnärztlichen Selbstverwaltung vorgeschlagene Präventionsmanagement wurde bisher nicht berücksichtigt, sei aber zugleich die Grundlage für die vom Bundesrat eingeforderten Kooperationen mit den Partnern aus dem Pflegebereich. Oesterreich: „Insofern kann im zahnärztlichen Bereich nach unserem Dafürhalten auch das jetzt von der KBV vorgelegte Versorgungskonzept nicht zum Erfolg führen.“ BZÄK und KZBV hätten mit ihrem Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ (Abbildung) die notwendigen Rahmenbedingungen für den zahnärztlichen Bereich umfangreich beschrieben und würden auf Basis dieser Expertise alle gesetzlichen Schritte sowie anderweitige Versorgungskonzepte einer Prüfung unterziehen.
„Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung benötigen bedarfsadäquate präventive Leistungen, um ihre Situation zu verbessern“, ergänzt Dr. Wolfgang Eßer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZBV. „Die verbindlichere Ausgestaltung von § 119b SGB V, der stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit eröffnet, einzeln oder gemeinsam mit Leistungserbringern Kooperationsverträge zu schließen, bei der K(Z)V auf Abschluss eines Kooperationsvertrags zu drängen oder eigene Ärzte anzustellen, sieht die KZBV nicht als geeignet an, um eine bedarfsgerechte zahnmedizinische Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung zu erreichen“, erklärt Eßer. Die Regelungen verstießen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da von ihr lediglich die Menschen in der stationären Pflege profitierten, wohingegen die Menschen in häuslicher Pflege nicht teilhaben könnten. Eine unter KZVen durchgeführte Umfrage der KZBV zeige, dass im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung gar kein Vertrag nach § 119b SGB V existiert. Die stationären Pflegeeinrichtungen machten von den Möglichkeiten, die ihnen das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz eröffnet habe, in der vertragszahnärztlichen Versorgung also keinen Gebrauch. Daher sei dringend erforderlich, das zahnärztliche Präventionsmanagement in § 22a SGB V zu verankern und den G-BA mit der Umsetzung zu beauftragen. Auf Einladung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages haben Vertreter von KZBV und BZÄK ihre Forderungen im Rahmen einer Anhörung zum PNG eingebracht. Nun folgt die Stellungnahme der Bundesregierung. sf