Antibiotikaresistente Bakterien

Ob Kuhstall oder Klinik

sf
„Survival of the fittest“ lehrte uns Darwin. Aber die Fitten sind nicht immer die Guten. Denn nicht nur in Krankenhäusern, auch in Beständen von Nutztieren nehmen Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika zu.

„Diese Entwicklung überrascht nicht“, meldet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). „Immer, wenn Antibiotika eingesetzt werden, entsteht ein Selektionsdruck, und Bakterienstämme, die Abwehrmechanismen gegen die eingesetzten Antibiotika entwickelt haben, können sich ausbreiten“, heißt es in einem BfR-Bericht. Das sei in Ställen nicht anders als in Kliniken. Resistente Stämme fänden sich unter krankmachenden, als auch unter harmlosen Bakterien, sogenannten Kommensalen.

Antibiotika vermeiden

Antibiotikaresistente Bakterien wurden laut BfR sowohl in Nutztierbeständen (Geflügel, Schwein, Rind) als auch auf Lebensmittelproben (Schweinefleisch, Geflügelfleisch und Rohmilch) nachgewiesen. „Sowohl in der Klinik als auch in der Tierhaltung muss der Einsatz von Antibiotika auf das therapeutisch notwendige Maß beschränkt werden“, fordert BfR-Präsident Prof. Andreas Hensel. „Im Bereich der Nutztierbestände müssen wir durch die Aufzucht robuster Tiere und verbesserte Haltungsbedingungen, zu denen eine gute Impfprophylaxe, eine verbesserte Hygiene und gutes Stallmanagement gehören, dafür sorgen, dass die Tiere insgesamt gesünder sind und möglichst keine Antibiotikabehandlungen benötigen.“

Eine Untersuchung aus Nordrhein-Westfalen habe gezeigt, dass ein genereller Zusammenhang zwischen Behandlungsintensität und Betriebsgröße nicht erkennbar ist.

Durch den Einsatz von Antibiotika entstehen laut BfR nicht primär neue Antibiotikaresistenzen. Vielmehr hätten Bakterien, die meist zufällig durch Mutation resistent geworden sind, beim Einsatz Antibiotika einen Vorteil gegenüber nichtresistenten Stämmen und vermehren sich stärker.

Aus dem Resistenzmonitoring ist dem BfR seit längerem bekannt, dass in den Nutztierbeständen und aus von ihnen gewonnenen Lebensmitteln wie Fleisch Zoonoseerreger, zum Beispiel Salmonella und Campyloacter, nachgewiesen werden, die auch gegen moderne Antibiotika wie die Fluorchinolone oder Cephalosporine resistent sind. Diese Antibiotika sollten bei der Behandlung von Nutztieren zurückhaltend eingesetzt werden.

Untersuchungen von Geflügel-, Schweine- und Rinderbeständen zeigen außerdem, dass Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und ESBL-tragenden Bakterien zunehmen (siehe Kasten). Die bei den Nutztieren nachgewiesenen MRSA machen laut BfR jedoch nur einen sehr kleinen Anteil der Erkrankungen des Menschen aus. Betroffen seien hier überwiegend Personen, die Kontakt zu Nutztieren haben.

Bei den im Krankenhaus erworbenen MRSA-Infektionen handele es sich fast ausschließlich um Stämme, die nur beim Menschen vorkommen. In welchem Umfang die beim Menschen auftretenden Infektionen mit ESBL-bildenden Bakterien ihren Ursprung in der Tierproduktion haben, werde derzeit erforscht. Bisher gebe es keine Belege für eine direkte Infektionskette.

Aus molekularbiologischen Untersuchungen sei aber abzuleiten, dass ein Gesundheitsrisiko für den Menschen von ESBL-bildenden Bakterien aus der Tierhaltung ausgeht. Daher gelte es zu verhindern, dass die antibiotikaresistenten Keime aus dem Tierstall über Lebensmittel oder den Kontakt mit Tieren zum Problem für den Menschen werden.

Aus diesem Grund wurde in einer konzertierten Aktion des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bereits 2008 die Deutsche Antibiotikaresistenz-Strategie (DART) initiiert. Ziel ist es, durch ein Bündel von Maßnahmen sowohl in der Humanmedizin als auch in den Nutztierbeständen die Resistenzen gegen Antibiotika einzudämmen. Dazu werden im human- wie im veterinärmedizinischen Bereich Daten zur Antibiotikaresistenzsituation und -entwicklung bei bakteriellen Krankheitserregern erhoben. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen Ärzte und Tierärzte im Falle einer notwendigen Behandlung von Mensch und Tier gezielt die richtigen Wirkstoffe so effizient wie möglich einsetzen.

Im Stall richtig ausmisten

Im Bereich der Nutztierhaltung und Lebensmittelgewinnung geht es vor allem darum, durch vorbeugende Maßnahmen die Gesundheit der Nutztiere zu erhalten oder zu stärken, so dass Infektionen bei Tieren verhindert werden. Dazu gehören unter anderem die konsequente Bekämpfung von Zoonoseerregern in den Beständen, eine gute Hygiene im Stall, eine gute Betreuung der Tiere und gezielte Impfprogramme.

Hehre Ziele contra gängige Praxis

Durch die verbesserte Tiergesundheit kann die Antibiotikagabe minimiert werden, so die Hoffnung. Zugleich soll eine bessere Erfassung der Anwendung von Antibiotika im Veterinärwesen die Kontrolle des Einsatzes vereinfachen. Derzeit ist nach BfR-Auffassung das Risiko für Verbraucher gering, über Lebensmittel eine Infektion mit antibiotikaresistenten Erregern zu erwerben – bei Beachtung der gängigen Regeln für die Küchenhygiene.

Allerdings bringt alle Vorsicht bei der Zubereitung langfristig betrachtet wenig, wenn weiterhin regelmäßig Antibiotika in der Massentierhaltung verabreicht werden. Denn das birgt die Gefahr der Verbreitung von Zoonosen, eben jenen Erkrankungen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können oder umgekehrt.

Das Zoonosen-Monitoring 2010 des BfR, das insbesondere Puten und Putenfleisch untersucht hat, bestätigt die Existenz antibiotikaresistenter Bakterien entlang der Lebensmittelkette. 3 748 Isolate verschiedener Bakterien wurden auf ihre Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen untersucht und nach epidemiologischen Kriterien bewertet. Die Isolate stammen von Proben aus Puten-, Hähnchen- und Mastkälberbeständen sowie Putenfleisch, Rohmilch und Eiern.

Bei der Resistenztestung der Keime wurde laut BfR-Bericht deutlich, dass es große Unterschiede zwischen den Tiergruppen und Lebensmitteln hinsichtlich der Belastung mit antibiotikaresistenten Bakterien gibt: Mehr als 90 Prozent der E. coli-Isolate aus Puten-, Hähnchen- oder Mastkälberbeständen sowie aus Putenfleisch waren gegen mindestens eine, häufig auch mehrere Antibiotikasubstanzklassen resistent.

Dagegen waren E. coli aus Rohmilch oder aus Legehennenbeständen seltener resistent (24 beziehungsweise 40 Prozent). Ebenso waren Salmonellenisolate aus Masthähnchenbeständen im Vergleich zu denen aus Putenbeständen seltener resistent.

Im Vergleich zum Vorjahr wurde für E. coli beziehungsweise Salmonellen bei Legehennen-, Masthähnchen- und Mastkälberbeständen und Putenfleisch ein Anstieg der Resistenzraten gegenüber Antibiotika der Wirkstoffklasse der Cephalosporine der 3. Generation ermittelt. Bei Salmonellen und E. coli in Masthähnchenbeständen sowie aus Putenfleisch waren die Resistenzraten gegen Antibiotika der Substanzklasse Fluorchinolone wie im Zoonosen-Monitoring 2009 unverändert hoch.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat sich in den Entwurf zur 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) eingebracht. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den rechtlichen Rahmen für Vorgaben beim Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin zu verschärfen. Dies gilt insbesondere für die Behandlung von Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen. sf/pm

INFO

ESBL und MRSA

ESBL-bildende Bakterien können Penicilline und Cephalosporine durch Enzyme zerstören und sind gegen diese Wirkstoffe unempfindlich. ESBL steht für extended-spectrum beta-lactamases (Beta-Laktamasen mit erweitertem Wirkungsbereich). Die Enzyme können nicht nur Penicilline, sondern auch moderne Cephalosporine der 3. und 4. Generation zerstören und sind gegen zahlreiche Antibiotika resistent, die zur Infektionstherapie eingesetzt werden.

Methicillin-resistente S.aureus (MRSA) können beim Menschen und bei vielen Haus- und Heimtieren nachgewiesen werden. Sie besiedeln die Haut und die Schleimhäute, können aber auch zu schwerwiegenden Wund- und Atemwegsinfektionen bis hin zur Blutvergiftung führen. Das besondere Kennzeichen dieser Keime ist ihre Resistenz gegenüber einer großen Gruppe von Antibiotika, zu denen die Penicilline und die Cepha-losporine gehören. Quelle: BfR

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