EU-Konzepte gegen Fachkräftemangel
Dies ist zumindest die Zielvorgabe des zuständigen EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier. Ferner erhofft sich die Brüsseler Behörde, dass die erleichterte Anerkennung die Mobilität der Beschäftigten erhöhen und so die Folgen des erwarteten europaweiten Fachkräftemangels von 16 Millionen Arbeitnehmern bis 2020 dämpfen wird.
Zu diesem Zweck wurde die aus dem Jahr 2005 stammende Berufsanerkennungsrichtlinie, die den gemeinsamen Rechtsrahmen für die Anerkennung von Berufsabschlüssen reglementierter Berufe darstellt, einer grundlegenden Revision unterworfen. Für ausgewählte Berufsgruppen wie etwa Ärzte oder Zahnärzte erfolgt die Anerkennung auf der Grundlage europäischer Standards für Ausbildungsdauer und Ausbildungsinhalte sogar automatisch. Zwischen 2007 und 2010 erhielten rund 26 000 Ärzte und 6 600 Zahnärzte in der Europäischen Union gemäß dieser Richtlinie die Anerkennung ihrer Abschlüsse.
Berufsausweise geplant
Schlüsselelement des Kommissionsvorschlags ist die geplante Einführung europäischer Berufsausweise. Diese sollen nicht flächendeckend, sondern nur auf Wunsch des einzelnen Berufsangehörigen in Form eines elektronischen Zertifikats durch die zuständigen Behörden im Herkunftsstaat ausgestellt werden. Der Ausweis würde dann den Behörden des Bestimmungslandes eine rasche Prüfung der Anträge ermöglichen. Idealerweise sollen die Ausweise die Anerkennungsverfahren auf einen Monat verkürzen. Kommen die Behörden den zeitlichen Vorgaben allerdings nicht nach, so soll die Anerkennung in bestimmten Fällen sogar als automatisch erteilt gelten. Um eine reibungslose Abwicklung der Verfahren zu erleichtern, sind die Mitgliedstaaten ferner aufgerufen, einen einheitlichen Ansprechpartner zu benennen, der die Antragsteller bei Fragen unterstützen soll. Angestrebt ist eine vollständige elektronische Abwicklung der Anträge.
Sprachtests vorgesehen
Aufgrund negativer Erfahrungen in einzelnen EU-Staaten sind für Angehörige der Heilberufe zahlreiche Sonderregelungen vorgesehen. So sollen aus Gründen des Patientenschutzes künftig durchgängig Sprachtests für ausländische (Zahn-)Ärzte erlaubt werden. Europaweit soll zwischen den zuständigen nationalen Behörden ein Vorwarnmechanismus eingeführt werden, der innerhalb von drei Tagen ausgelöst werden muss, wenn gegen den Angehörigen eines Heilberufs ein Berufsverbot verhängt wurde.
Ebenfalls schlägt die Europäische Kommission für bestimmte Berufsgruppen eine Aktualisierung der Mindestausbildungsdauer vor. Hoch umstritten ist dabei der Vorstoß, dass die Ausbildung zur Krankenschwester und zum Krankenpfleger statt wie bisher eine zehn- nun eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung voraussetzen soll. Die zahnärztliche Grundausbildung soll wie bislang fünf Jahre betragen. Allerdings ist von der Europäischen Kommission im Unterschied zu den Ärzten keine kumulative Beschreibung der Ausbildungsdauer in Jahren und Fachstunden vorgesehen. Die Modernisierung der im Anhang der Richtlinie festgelegten Mindestausbildungsinhalte wurde jedoch entgegen der Forderungen der betroffenen Berufsverbände auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.
BZÄK fordert Korrekturen
Kritik an den Kommissionsplänen kam von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). BZÄK-Präsident Dr. Engel mahnte den europäischen Gesetzgeber an, bei der Revision der Berufsanerkennungsrichtlinie eine Balance zwischen Verwaltungsvereinfachung und Qualitätssicherung zu finden. Einzelne Korrekturen am Kommissionsvorschlag seien dringend notwendig, etwa gelte es die Mindestausbildungsdauer der Zahnärzte analog zu der der Ärzte in Jahren und Fachstunden festzulegen, um europaweit ein hohes Ausbildungsniveau der Zahnmediziner zu erhalten.
Offen ist, ob sich die Prognose der Europäischen Kommission, dass durch die Modernisierung der Berufsanerkennungsrichtlinie der Fachkräftemangel europaweit ausgeglichen werden kann, erfüllen wird. Dies mag für einzelne Berufsgruppen zutreffen, ist für den Gesundheitsbereich allerdings sehr fraglich, da alle EU-Mitgliedstaaten mit dem Problem des fehlenden Nachwuchses konfrontiert sind.
Das Europäische Parlament und die im Rat versammelten Mitgliedstaaten werden als Gesetzgeber in Kürze mit den Beratungen über den Vorschlag der Europäischen Kommission beginnen. Erwartet wird, dass das Gesetzgebungsverfahren 2013 abgeschlossen sein wird.
Dr. Alfred BüttnerBZÄK, Leiter Abteilung Europa/InternationalesAvenue de la Renaissance 1B-1000 Brüssel