Gegenseitige Lern-Stunden
Im „Querschnittsfach ästhetische Zahnheilkunde“ gebe es bei den Kollegen einiges an Grundwissen rund um die moderne Kieferorthopädie, berichtete DGÄZ-Präsident Prof. Dr. mult. Robert Sader über die gemeinsamen Vorbereitungen der Tagung am Tegernsee. Das Thema spiele eine große Rolle in Fortbildung und Vorstandsarbeit. Andersherum habe es beim Stichwort„Ästhetik“ in der DGKFO allerdings einige Fragezeichen gegeben.
Dass die DGÄZ nicht ein Kreis von Zahnkosmetikern sei, sondern eine wissenschaftliche Fachgesellschaft mit fundierten Grundlagen zu Ästhetik und Funktion, habe man erst verstehen und weitergeben müssen, gestand Prof. Dr. Andreas Jäger, Präsident der DGKFO, zur Eröffnung. Offenbar gebe es im Berufsstand nach wie vor Verwirrung zum Begriff „Ästhetik“. Er positionierte sich aber deutlich: „Aspekte der Ästhetik sind unauflösbarer Teil des Faches Zahnmedizin.“ Zum Abschluss der Tagung gab es seinerseits sogar Komplimente an die Ästhetik-Kollegen: Das Programm sei mehr als eindrucksvoll gewesen, die DGÄZ gehöre zu Recht in den Kreis der wissenschaftlichen Fachgesellschaften.
Interdisziplinarität als Diskussionsmotor
Nicht immer zeigen interdisziplinäre Kongress-Konzepte auch ein ausgewogen interdisziplinär besetztes Auditorium – doch am Tegernsee war das der Fall. Vielleicht gerade deswegen nutzten die Teilnehmer diskussionsfreudig die Möglichkeit, die Vorträge der Referenten zu hinterfragen. Das wurde auch deshalb spannend, weil die Themen von Kongressleiter und DGÄZ-Vizepräsident Dr. Siegfried Marquardt bewusst in stetem Wechsel und auch in Doppel-Präsentationen arrangiert waren – und keine der Berufsgruppen eine Phase der Unterforderung durch allzu Bekanntes „erleiden“ musste. Das Ergebnis: Lern-Stunden für beide Seiten und eine spürbar gestiegene gegenseitige Achtung. Insgesamt gab der Kongress sowohl für die DGÄZ als auch für die DGKFO ein positives Bild ab.
Fallplanung als Highlight
Geradezu einen Grundlagenvortrag zum interdisziplinären Ansatz lieferten Dr. Stefano Gracis und Dr. David De Franco, beide aus Mailand. „Wir Zahnärzte können nicht alles allein – wenn wir unseren Patienten die beste Behandlung bieten möchten, müssen wir in die Diskussion mit Kollegen aus anderen Bereichen einsteigen“, sagte Gracis. Für den Austausch würden zwischen den persönlichen Treffen auch E-Mails genutzt .
Dr. Galip Gürel, Istanbul, zeigte anhand mehrerer Fälle, wie er die Möglichkeiten der modernen Kieferorthopädie nutzt, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Um die wahren Patientenwünsche zu erkunden, nutze er die Form des Interviews: „Die wenigsten Patienten, die mit ihrer Wirkung unzufrieden sind, können das auch erklären. Sie sagen nicht: Ich habe zu lange Zähne. Wir sehen und hören aber in den Interviews heraus, worum es ihnen geht.“ Rund 90 Prozent dessen, was ein Patient wirklich haben möchte, zeige sich zudem beim Mock-up.
Um den Bereich „Skelettale Verankerungen“ ging es im Vortrag von Prof. Dr. Dieter Drescher, Düsseldorf. Er hatte seinen Fokus auf Mini-Implantate gelegt. Der Gewinn für die Patienten: „Die unbeliebte Gesichtsmaske brauchen wir für orthodontische Maßnahmen heute gar nicht mehr.“ Auch die weiteren Vorträge haben den Teilnehmern viele praktische Informationen mitgegeben – und das gute Gefühl, dass sich auch Experten nicht immer einig sind: Das traditionelle Highlight der Jahrestagung, die Fallplanung, diesmal zu einer Situation eines im Oberkiefer quer verlagerten „Dreiers“, zeigte eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie man heute an komplexe Situationen herangehen kann – und wie sinnvoll es ist, zur Vermeidung von Fehlern die Expertise von Kollegen mit einzubeziehen.
Die nächste DGÄZ-Jahrestagung findet am 12./13. Oktober 2012 zum Thema „Rot trifft Weiß“ statt.
Dr. Christian SchielPraxis Dr. Siegfried MarquardtAdelhofstr. 183684 TegernseeCschiel@gmx.de