Ein Exzellenzprojekt aus der Zahnmedizin
„Die Wissenschaftsoffensive der Trinationalen Metropolregion Oberrhein (TMO) ist eine europaweit einzigartige Initiative und ermöglicht erstmals eine gemeinsame Förderung exzellenter grenzüberschreitender Forschungsprojekte aus Mitteln der Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, der Région Alsace und der Europäischen Union. Ziel ist es, Wissenschaftler, Forscher und innovative Unternehmen am Oberrhein anzuregen, das grenzüberschreitend vorhandene FuE[Forschung und Entwicklung]-Potenzial besser zu nutzen“, betonte Prof. Dr. Norbert Höptner, Europabeauftragter des Ministers für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg und Direktor des Steinbeis-Europa-Zentrums während des Festakts zur Wissenschaftsoffensive der TMO am 4. Juni 2012 in Landau.
Als Ergebnis des Projektaufrufs vom Dezember 2011 der Wissenschaftsoffensive und des EU-Programms INTERREG IV hatten sich sieben Projekte mit einem Volumen von zehn Millionen Euro im Rahmen eines internationalen Gutachterverfahrens aus einem Teilnehmerfeld von insgesamt 36 eingereichten Projektanträgen durchgesetzt.
„Das Steinbeis-Europa-Zentrum wurde von den Partnern der Wissenschaftsoffensive beauftragt, die Umsetzung mit Informationsveranstaltungen und der Begleitung des wissenschaftlichen Projektauswahlverfahrens, als auch bei der Konzeption förderfähiger Projektanträge zu unterstützen. Es steht den sieben Projektträgern in Zukunft bei der administrativen Projektumsetzung zur Seite und wird sich am Ende der Projekte für die Markteinführung der Ergebnisse engagieren“, so Höptner.
Die Exzellenzprojekte werden unterstützt durch die Europäische Union über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), kofinanziert durch das Programm INTERREG IV Oberrhein und gefördertim Rahmen der Wissenschaftsoffensive der TMO. Die Laufzeit beträgt drei Jahre.
Ausgewählt wurde auch ein Exzellenzprojekt aus der Zahnmedizin. Es trägt den Titel „Manifestationen seltener Krankheiten im Mund- und Zahnbereich – Aussichten für Diagnose und Therapie“. Das Projekt wird unter anderem von zahnmedizinischen Arbeitsgruppen der Universitäten Straßburg, Heidelberg und Freiburg im Kooperationsverbund bearbeitet. Das wurde auf dem IZZ-Presseforum bekannt, das in diesem Jahr in der Zahnklinik Straßburg stattfand und von der Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) und der entsprechenden Landeszahnärztekammer getragen wird.
„So gut die Globalisierung ist, so wichtig ist jedoch auch die Regionalisierung“, betonte Dr. Ute Maier, amtierende IZZ-Verwaltungsratsvorsitzende und Vorsitzende des Vorstands der KZV BW, auf dem Presseforum. Da die Grenzen der Nationalstaaten oft willkürlich gezogen worden seien, hätten sie häufig europäische Geschichtslandschaften durchschnitten. „Grenzen sind daher auch ’Narben der Geschichte’ und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit trägt dazu bei, die Nachteile der Grenzen zu mildern und die nationale Randlage der Grenzgebiete zu überwinden“, sagte Maier.
Das Fördervolumen für das zahnmedizinische Exzellenzprojekt beträgt insgesamt 1 971 342 Euro. Davon stammen 985 671 Euro aus dem EFRE-Fonds und 250 000 Euro aus regionalen Mitteln. Projektpartner sind unter anderem das Universitätsklinikum Freiburg, die Région Alsace, die Universitätsklinik Straßburg, das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg, das Wissenschaftsministerium des Landes Rheinland-Pfalz, die Universität Heidelberg und die Oberrheinische Zahnärztegesellschaft. Letztere pflegt aus einer langen Tradition heraus eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Kasten).
Die Forschungsgemeinschaft geht davon aus, dass „die genetisch bedingten Pathologien oder Anomalien der Mundhöhle und der Zähne ein oftmals missverstandener Aspekt seltener Krankheiten sind, deren eindeutige Diagnose mithilfe der Identifizierung der beteiligten Gene schwierig ist.“ Ziel soll es sein, die Kenntnisse dieser Pathologien, die Qualität der Diagnose, den Zugang zur Versorgung und die Behandlung der Patienten zu verbessern.
Das Exzellenzprojekt vereint Praktiker, Forscher, Patienten und Fachpersonal im Gesundheitswesen und kombiniert klinische, genetische, biologische und bioinformatische Ansätze für ein besseres Verständnis der Krankheit. Das Ziel lautet: Kenntnisse der Diagnosestellung und Behandlung hinsichtlich Pathologien der Mundhöhle bei seltenen Krankheiten zu fördern und die Betreuung von durch seltene Krankheiten betroffenen Patienten grundlegend neu zu strukturieren.
Diese Betreuung, insbesondere hinsichtlich der Manifestationen im Mund- und Zahnbereich, könne nur mittels eines interdisziplinären und transnationalen Forschungsprogramms erreicht werden, das molekular- und zellbiologische sowie physiopathologische Studien seltener Knochen- und Zahnkrankheiten beziehungsweise die Entwicklung von Diagnose- und Therapiemitteln mit einschließe, geht aus der Projektbeschreibung hervor. Diese Strategie im Sinne translationaler Forschung, „vom Labor ans Bett“ und zurück – entsprechend dem Verständnis der Projektgruppe – erfordere den Zusammenschluss der Partner auf grenzüberschreitender Ebene, um aussagekräftige Daten zu erheben. Wichtig sei zudem die Einrichtung gemeinsamer bioinformatischer Werkzeuge sowie die Einstellung von Fachpersonal für die Datenerhebung. Dazu kämen die Auswahl von Patientengruppen und die Identifizierung informativer Familien, als auch die Einrichtung einer gemeinsamen Forschungsplattform zur Molekulardiagnose. Denn die existiere in Europa bisher nicht. Schließlich müsste die Wirkung der neuen Behandlungsansätze seltener Krankheiten im Mund- und Zahnbereich evaluiert werden. Über die Ergebnisse würden Patienten, die Öffentlichkeit und das Personal im Gesundheitswesen informiert.
Projektträger ist die Universität Straßburg. Die Zahnklinik erstrahlt in neuem Glanz. „Das dentale Interieur wurde zu 100 Prozent von der Industrie gespendet“, erklärte Prof. Youssef Haïkel, Direktor der Abteilung Zahnerhaltung der Fakultät für Zahnchirurgie der Universität Straßburg, während eines Klinikrundgangs sichtlich stolz. Im Zahnlabor arbeiten 80 Angestellte – viele von ihnen sprechen französisch und deutsch. Ein wissenschaftlicher Schwerpunkt liege in der Erforschung von Ersatzgewebe. Nach Aussage von Haïkel liegt Straßburg in diesem Bereich auf Platz vier in der Welt.
INFO
Oberrheinische Zahnärztegesellschaft
Vor über 50 Jahren wurde von Professoren der Universitäten Basel, Freiburg, Straßburg, den Kammern und der niedergelassenen Zahnärzteschaft die Oberrheinische Zahnärztegesellschaft gegründet. Ziel war es, eine enge wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg zu fördern. Durch ihre exponierte Lage im Herzen des „institutionalisierten Europas“ sind die Mitglieder der Gesellschaft durch unterschiedliche Gesundheits- und Bildungssysteme geprägt. Die Jahrestagung wird abwechselnd in einem der drei Länder ausgerichtet. In diesem Jahr findet sie am 17. November 2012 in der neuen Zahnklinik in Straßburg statt und wird mit neun Fortbildungspunkten bewertet. Das Thema lautet: „Die Versorgung der Frontzahnlücke – Interdisziplinäre Lösungsansätze“.