Leitartikel

Klare Worte

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Was in der Öffentlichkeit Ende Juni als harte Reaktion auf das sogenannte Korruptionsurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) kursierte, war weder haltbar noch diskutabel. Die Karlsruher Richter haben mit dieser Rechtsprechung formal geklärt, dass ein freiberuflicher Arzt, wenn er von Pharmafirmen Geld für die Verschreibung bestimmter Medikamente erhält, wegen Bestechlichkeit nicht strafrechtlich belangt werden kann.

Und für die, die daran zweifeln: Dass die Zahnärzteschaft diese Rechtsprechung mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt, hat nichts mit mangelnder Ethik zu tun. Im Gegenteil: Die Zahnmedizin steht schon wegen Umfang und Art der Verschreibung von Medikamenten gar nicht im Fokus der Pharmafirmen. Abgesehen davon: Für diese Art falsch verstandener Grundhaltung hat die Selbstverwaltung genug disziplinarische Möglichkeiten, Korruption oder andere Formen ärztlich-ethischen Fehlverhaltens zu ahnden und abzustellen. Das ist für mich der Auftrag, den ich aus dem Urteil des BGH herauslese. Selbstzufrieden zurücklehnen ist nicht!

Der BGH hat klar die bestehende Rechtslage beurteilt: Danach wäre ein Korruptionsvorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn Ärzte und (die mal wieder in Sippenhaft genommenen) Zahnärzte Amtsträger oder Beauftragte der Krankenkassen sind. Und er hat klar geurteilt: Wir sind keine Amtsträger und keine Beauftragten der Kassen. Will man das Übel zweifellos fragwürdiger Zusammenarbeit zwischen Ärzten (und Zahnärzten) hier und der Pharmaindustrie und anderen mehr dort an der Wurzel packen und unter Strafe stellen, dann müsse man die Gesetzeslage ändern oder erweitern.

Erinnern wir uns: Uns Vertrags-(zahn-)ärzten wurde die Zwangsfortbildung aufgedrückt, weil die eigenen (Mediziner-)Reihen Schiffbruch erlitten, den zum Fünfuhrtee von der Pharmaindustrie gesponsorten Betablocker-Vortrag auf der von derselben Pharmaindustrie gesponsorten Kreuzfahrt auf der „Queen Mary“ als Fortbildung zu etikettieren. Man hatte es in der Hand, aber das Herz in der Hose, die Kreuzfahrt im Sinn und die Schwimmweste im Blick! Die Folgen sind bekannt.

Nach dem BGH-Urteil ist jetzt internes „Klar-Schiff-machen“ angesagt! Wir brauchen keine neuen Gesetze.

Das Urteil des BGH hat eine für mich viel wichtigere, viel kostbarere Botschaft: Wir sind keine Amtsträger, Beauftragte oder andere Büttel der Krankenkassen! Damit ist der Versuch interessierter politischer Kreise (erst einmal) gescheitert, sozusagen im Kielwasser eines Korruptionsprozesses politische Fakten zu setzen und unsere Freiberuflichkeit nicht nur zu unterlaufen, sondern in ihren Grundfesten zu erschüttern:

• Der freiberuflich tätige Zahnarzt ist in seinem Handeln dem Patienten verantwortlich. Dieses Verhältnis gehört gegen direkte Einflussnahme durch Staat oder gar Krankenkassen geschützt. Der Freiberufler ist aus guten – ethisch begründeten – Prinzipien kein Angestellter Dritter, sondern dem Wohl ihm vertrauender Patienten verpflichtet.

• Wer gegen dieses Prinzip verstößt, muss im Rahmen der Selbstverwaltung zur Verantwortung gezogen werden. Das Disziplinarrecht muss vor schwarzen Schafen im Berufsstand schützen.

• Wer in diesem Stadium die Entscheidung des Bundesgerichtshofs so versteht, dass er durch zusätzliche Gesetzbarkeiten den elementaren Schutzbereich von Freiberufler und Patient aufbrechen will, gefährdet gerade dadurch die notwendige medizinische Entscheidungsfreiheit des Arztes oder Zahnarztes zulasten von Kontrolle und Ökonomisierung.

Wir dürfen in unserer Entscheidungsfreiheit, in Diagnose und Therapie, nicht von Dritten beeinflusst werden. Nicht von Pharmafirmen, von keiner Apotheke dieser Welt – und schon gar nicht von rein ökonomischen Zielen verschriebenen Krankenkassen. Klare Worte zur richtigen Zeit.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen Fedderwitz

Vorsitzender der KZBV

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