Geldanlage in Nahrungsmitteln

Investment mit Schattenseiten

Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen und Lebensmitteln wächst, doch das Angebot wird immer knapper – beste Voraussetzungen für Spekulationen um hohe Renditen und steigende Preise. Dem Gewinn für die Reichen stehen Hunger und Armut für einen großen Teil der Weltbevölkerung gegenüber. Nur nachhaltiges Investieren kann beiden Seiten zu Gewinnen verhelfen.

84 Prozent der Deutschen lehnen die Spekulation auf mögliche Preissteigerungen bei Lebensmitteln ab. Das ergab eine Forsa-Umfrage Ende 2011. Treibt die Spekulation auf den Rohstoffmärkten die Preise für Nahrungsmittel tatsächlich in die Höhe? Ja, sagt die Verbraucherorganisation „Foodwatch“. Nicht unbedingt, meinen die nachhaltig arbeitenden Finanzdienstleister „Bank Sarasin“ und der schweizerische Vermögensverwalter „SAM“.

Eine Ende 2011 von Foodwatch veröffentlichte Studie wirft Investmentbanken wie der Deutschen Bank und Goldman Sachs sowie Versicherungskonzernen wie der Allianz und Pensionsfonds Bereicherung auf Kosten der Armen vor. In der Studie „Die Hungermacher“ belegt der Autor Harald Schumann, dass bis Ende März 2011 Investoren 600 Milliarden Dollar in die von Investmentbanken und Hedgefonds aufgelegten Papiere für Wetten mit Rohstoffen wie Mais und Weizen investiert haben. Lag der Anteil der zu rein spekulativen Zwecken gehaltenen Weizen-Kontrakte an der Chicagoer Börse (CBOT) bis 1999 noch bei 20 bis 30 Prozent beträgt er heute bis zu 80 Prozent.

Die Deregulierungen um die Jahrtausendwende, das Platzen der Dotcom-Blase und die seit Jahren anhaltende Niedrigzins- phase haben die Spekulation mit Rohstoffen forciert. Diese Papiere gelten als sichere Anlage. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Weltbevölkerung wächst und die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt. Außerdem entwickeln sich die Preise für Rohstoffe unabhängig von Aktien und Anleihen. Anleger können so ihre Risiken besser streuen.

Maßvolle Spekulation vertretbar

Grundsätzlich sehen auch die Kritiker von Foodwatch ein „gewisses Maß an Speku- lation“ als nützlich an. Bauern und Großhändler schließen Verträge über Waren- lieferungen zu einem festen Preis und einem festen Termin in der Zukunft ab. Spekulanten, die kein Interesse an der Ware haben, schließen Wetten auf sinkende oder steigende Preise ab. Sie führen dem Markt Liquidität zu und tragen so zur Preisstabilität bei.

Inzwischen hat sich die Spekulation mit Rohstoffen von der realen Basis jedoch längst verabschiedet. Als Instrumente verwenden die Investoren neben den Terminkontrakten und Optionen auf einzelne Rohstoffe vor allem passive Indexfonds, die auf einem Index aus verschiedenen Rohstoffen basieren. Alle Instrumente werden meistens mithilfe von „Futures“ (börsengehandelte Terminkontrakte) gemanagt. Die Zahl der gehandelten Futures entwickelt sich völlig unabhängig von der Menge der physischen Ware. Ein Beispiel: Das Volumen der gezeichneten Futures auf eine bestimmte Sorte Weizen betrug in Chicago Ende März 2011 rund 76 Millionen Tonnen. Die tatsächlich vorhandene Menge lag bei etwa neun Millionen Tonnen.

Diese Entwicklung betrachtet auch Andrea Sonntag, Expertin für Finanzmärkte bei der Welthungerhilfe, kritisch. In den letzten zehn Jahren seien immer mehr Hedgefonds oder Vermögensverwalter auf diese Märkte gedrängt, befeuert durch das knapper werdende Angebot. „Und das“, meint die Fachfrau, „ist nicht gut. Sie üben eine stetige Nachfrage auf den Agrarrohstoffmärkten aus und verstärken so den Preistrend und sind für extreme Preisblasen verantwortlich.“

Preissteigerungen fachen Armut weiter an

Dazu sagt die Foodwatch-Studie: „Wenn Menschen in den ärmsten Ländern 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen, können sie bei Preis- steigerungen ihre Nahrung nicht mehr bezahlen.“ Eine Schätzung der Weltbank ergab, dass während der Hochpreisphase 2007/8 rund 100 Millionen Menschen zusätzlich Hunger litten, weil ihnen das nötige Geld fehlte. Und 2011 lagen die Preise für die drei wichtigsten Getreidesorten Weizen, Mais und Reis im weltweiten Durchschnitt inflationsbereinigt um 150 Prozent über denen im Jahr 2000. Die Lage wird sich weiter verschärfen. Die UNO prognostiziert einen Anstieg der Weltbevölkerung bis 2050 auf 8,9 Milliarden Menschen.

Als Ursachen für den Preisanstieg haben die Experten der Basler Bank Sarasin neben der Spekulation vor allem die stark anziehende Nachfrage in den Schwellenländern aus- gemacht. Besonders der dortigen Mittelschicht stehen inzwischen deutlich mehr Geld für eine bessere Ernährung zur Verfügung. Das Angebot aber lässt sich aufgrund zu knapper Kapazitäten nicht be- liebig ausweiten. Dr. Eckhard Plinke, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeitsresearch bei Sarasin, erklärt die Knappheit: „Jahrzehntelang wurde zu wenig in die Landwirtschaft investiert“, sagt er. Von 1960 bis 2005 seien die Preise in der Landwirtschaft inflationsbereinigt gesunken. Seitdem ziehen sie an. Den Einfluss von Spekulationen hält Plinke für begrenzt: „Es spricht einiges dafür, dass die „Finanzialisierung“ der Rohstoffmärkte die Preisschwankungen verschärft, dies allerdings nur kurzfristig.“

Künstliche Verknappung treibt den Preis

Als wirklich preistreibend gilt bei Investi- tionen und Anlagen der direkte Kauf von Rohstoffen. Wer also Weizen kauft und ihn in Lagern hält, verknappt das Angebot künstlich, um den Preis zu manipulieren. Die UNO empfiehlt daher den Verzicht auf physische Investments. Meiden sollten Investoren auch Futures auf sensible Nahrungsmittel wie Weizen. Preissteigerungen können hier direkt zu einer Verschärfung der Ernährungsprobleme führen. Nachhaltigkeitsexperte Plinke nennt noch einen weiteren Grund, warum die Investition in Futures für ihn keinen Sinn macht: „Rohstoffderivate haben den Charakter von Wetten auf Preisänderungen und stel-len keine Investitionen in reale Vermögenswerte dar.“

Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft lassen sich eher mit dem Kauf von Aktien solcher Unternehmen erreichen, die zum Beispiel Landmaschinen wie John Deere oder Dünger wie Yara produzieren. Sarasin bietet seinen Kunden keinen spe-ziellen Agrarfonds an, sondern setzt eher auf gemischte Nachhaltigkeitsfonds wie den „Sarasin Oekosar Equity“.

Die ebenfalls auf Nachhaltigkeit speziali-sierte schweizerische Vermögensverwaltung „Sustainable Asset Management“ (SAM) will mit dem „Agribusiness Equities“, einem auf Agrarwirtschaft spezialisierten Fonds, bei den Kunden punkten. Das Unternehmen geht in einer aktuellen Studie von einer Verteuerung der Nahrungsmittel bis 2050 um 60 Prozent aus. Jürgen Siemer, Senior Analyst bei SAM und Manager des Agribusiness, sieht darin eine gute Chance für Anleger: „Wir sind überzeugt davon, dass der Gewinn in diesem Bereich überdurchschnittlich sein wird.“ Allerdings lehnen die Vermögensverwalter ebenfalls jede Investition in kurzfristige Instrumente wie Futures ab. SAM investiert das Geld der Kunden ausschließlich in Aktien von Unternehmen, die „langfristig denken“, wie es heißt.

Nachhaltigkeit der Produktion wichtig

Welche Unternehmen das sind, zeigen die hauseigenen Indizes. Alle darin vertretenen Unternehmen bekommen jedes Jahr einen etwa 80 Seiten umfassenden Fragebogen zum Thema Nachhaltigkeit. Er behandelt drei Themenbereiche: Soziales wie Kinderarbeit und Arbeitsbedingungen, Umwelt (CO2-Fußabdruck) und ökonomische Kriterien. Daraus entwickeln die Analysten ein Ranking. Der erreichte Wert geht mit in die Unternehmensanalyse ein. Für den Agrar- und Ernährungsbereich legen die Analysten zusätzliche Maßstäbe an. Sie verlangen für verschiedene Produkte Zertifikate. So fordern sie zum Beispiel von den Palmöl-Produzenten die Erfüllung des Zertifizierungsstandards „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (RSPO) und die Verpflichtung zur Einhaltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. „Ein Unternehmen, das die erforderlichen Zertifizierungen nicht vorweisen kann“, so Siemer, „schließen wir aus. Auf diese Weise üben wir Druck auf die Firmen aus, nachhaltig zu produzieren.“

Auf der Liste der Agrarfonds stehen weitere Anbieter wie zum Beispiel die deutsche Fondsgesellschaft DJE. Beim „DJE-Agrar Ernährung-Fonds“ verzichtet das Management auf die Beimischung von Rohstoff- Futures. Termingeschäfte verwendet man nur zur Absicherung von Aktienportfolios und Währungspositionen.

Die Sensibilität in der Bevölkerung für den Schaden, den die Zocker anrichten können, wächst, wie die Forsa-Umfrage zeigt. Aufgrund des öffentlichen Drucks verzichten die Commerzbank und die LBBW in Zukunft auf die Geschäfte mit Spekulationen auf Nahrungsmittel. Bei der Deutschen Bank will man zumindest darüber nachdenken. Die Allianz lässt sich bislang von der Kritik nicht beeindrucken.

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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