Onlinegestützte Navigation
Die International Association of Dental Traumatology (IADT) ist eine weltweite Organisation von Experten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Leitlinien für eine optimale Prävention, Diagnostik und Therapie im Bereich der dentalen Traumatologie zu erarbeiten. Hierbei haben sich erfahrene Spezialisten, Forscher und Wissenschaftler nach Überprüfung der zahnärztlichen Literatur auf einen Konsens für eine evidenzbasierte Diagnostik und Behandlung von jeglicher Form der Zahntraumata geeinigt und entsprechende Richtlinien erstellt. Diese international anerkannten Normen für die Behandlung von traumatischen Zahnverletzungen werden regelmäßig, auf der Grundlage von evidenzbasierter Forschung und aktuellen klinischen Erfolgen, von einem Expertengremium aktualisiert. Die Leitlinien für die Therapie sollen dabei nach heutigem Kenntnisstand die prognostisch besten Behandlungsergebnisse ermöglichen. Das Ziel dieser IADT-Leitlinien ist nicht nur eine Verbesserung des Wissenstandes der Zahnärzte; vielmehr soll auch eine Orientierungshilfe für eine optimale Behandlung in der akuten Notsituation und bei der adäquaten Nachsorge von Traumapatienten zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich gibt es auf der Internetseite ein Diskussionsforum und die Möglichkeit, Informationsmaterial für Fachleute und Patienten einzusehen.
Die neueste Entwicklung der IADT ist ein online verfügbarer „Dental Trauma Guide“ – ein interaktiver Leitfaden (bisher nur auf Englisch verfügbar) für die Erstellung der Diagnose und eines darauf aufbauenden Behandlungskonzepts. Der „Dental Trauma Guide“ wurde als Visualisierung der Leitlinien der IADT, verbunden mit einer Einschätzung der Langzeitprognose für alle Arten von Traumata sowohl an Milch- als auch an bleibenden Zähnen entwickelt. Eine strukturierte Unterteilung der Untersuchungs- und Behandlungsschritte erleichtert dabei einen schnellen Überblick. Diese Plattform ermöglicht es dem Kliniker, unabhängig von seinem Aufenthaltsort, via Internet Informationen über eine traumatische Verletzung einzugeben und sofort Empfehlungen für den individuellen Einzelfall über die wichtigen Diagnoseparameter und für eine entsprechend geeignete, beziehungsweise indizierte Behandlung zu erhalten. Ebenso erlaubt diese Webseite die Erstellung einer Prognose für den Einzelfall. Der Nutzer erhält dabei zunächst Hilfe beim Erstellen der korrekten Diagnose für seinen Patienten in Form eines „Trauma-Pfadfinders“, der ihm hilft, die richtige Diagnose auf Grundlage von Ja/Nein-Antworten zu erstellen. Zusätzlich enthält eine so genannte Beschreibungsseite Illustrationen, die die Ätiologie der jeweiligen Art der Verletzungen zeigen.
Eine Diagnostikseite fasst die notwendigen Befunde für eine Diagnosestellung der einzelnen Verletzungsformen nochmals als Checkliste zusammen. Eine Prognoseseite ermöglicht die Erstellung eines individuellen Risikoprofils.
Gerade im Umgang mit Zahntraumata bestehen nicht nur bezüglich einer fein abgestimmten Diagnostik Unsicherheiten, sondern auch bei der adäquaten Behandlung im Praxisalltag. Durch den zum Teil unterschiedlichen Kenntnisstand und der daraus resultierenden variierenden Einschätzung der therapeutischen Perspektive (zum Beispiel über die Erhaltungswürdigkeit eines Traumazahnes) bei mehreren Behandlern könnten zum eigentlichen Trauma weitere eventuell vermeidbare iatrogen bedingte Komplikationen auftreten. Durch den Trauma-Guide soll nicht nur mehr Sicherheit für die zahnärztliche Praxis bei der Diagnostik, sondern auch eine Einheitlichkeit bei der Therapie von Zahntraumata geschaffen werden. Durch die Nutzung der Internetseite eröffnet sich für den Zahnarzt auch die Möglichkeit, sein Wissen auf den neuesten wissenschaftlichen Kenntnisstand zu bringen.
Natürlich ist diese Webseite ein Modell, das nicht pauschal ohne Abstriche auf jeden individuellen Traumafall und auf die sich ableitende Behandlung im Praxisalltag übertragbar ist. Gerade die Vielgestaltigkeit der dentalen Traumata ist hier als limitierender Faktor festzuhalten. Eine detaillierte Dokumentation des Unfalls (für die Versicherung) sowie eine suffiziente klinische und röntgenologische Befunderhebung mit der sich anschließenden Erstellung einer Verdachtsdiagnose bildet die Grundlage für die Anwendung des Trauma-Guides. Schon die Übersetzung aus dem Englischen suggeriert, dass dieser als eine Hilfestellung (Übersetzung: guide = Anleitung/Ratgeber/Orientierungshilfe) dienen soll, jedoch nicht eine auf ärztlicher Seite durchgeführte, gezielte Diagnostik sowie ein individuell zugeschnittenes Behandlungskonzept ersetzen kann.
Ein einheitliches Behandlungskonzept erlaubt jedoch für den Behandler eine praktische (diagnostische sowie therapeutische) Sicherheit sowohl im Umgang mit Traumafällen im Behandlungsalltag als auch eine eventuelle juristische Absicherung des Zahnarztes. Des Weiteren ermöglicht eine Angleichung des Fachkenntnisstandes eine langzeitige Verringerung der durch inadäquate Erstversorgung entstehenden finanziellen Belastung sowohl für den Patienten als auch in gewissem Maße für die Gesellschaft. Die Prognose von Traumazähnen ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, insbesondere jedoch von einer adäquaten Erstversorgung. Durch einheitliche Umsetzung der Behandlungsrichtlinien des Trauma-Guides bereits im Rahmen der Erstversorgung, könnten eine Vielzahl der sich aus solch einem Unfall ergebenden Spätkomplikationen vermieden oder zumindest verringert werden.
Quellen: Dental Trauma Guide:
IAD:
Dr. Anna-Katharina Gieren
Charité-Universitätsmedizin Berlin
CharitéCentrum 3 für ZMK
Abteilung für Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin/
Abteilung für Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin
Aßmannshauser Str. 4-6
14197 Berlin