Tumorprävention und Therapie werden massiv forciert
Im Jahr 2008 erkrankten in Deutschland rund 470 000 Menschen – so die neuesten Zahlen – an Krebs. Das sind 70 000 bis 80 000 mehr als vor zehn Jahren, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) im Vorfeld des DKK bekannt gab. Für 2012 rechnet das Institut mit knapp 490 000 Krebsneuerkrankungen. Ein wesentlicher Grund des Anstiegs der Inzidenz liegt nach Ansicht der Experten in der demografischen Entwicklung. Denn mit der steigenden Zahl älterer Menschen in der Gesellschaft nehmen auch die typischerweise im höheren Lebensalter auftretenden Erkrankungen wie die malignen Tumore an Häufigkeit zu. Hinzu kommt aus Sicht des RKI ein erwarteter Anstieg beim Mammakarzinom durch das bundesweite Mammografie-Screening. So werden Fälle von Brustkrebs durch die Screening-Untersuchung früher erkannt, was zunächst einen Anstieg der Diagnosehäufigkeit bedingt. Bei Frauen ist der Brustkrebs den neuen Daten zufolge mit einem Anteil von rund 30 Prozent der malignen Tumore weiterhin die häufigste Krebsform. Bei Männern führt mit 25 Prozent das Prostatakarzinom die Liste der Tumorerkrankungen an.
Krebssterblichkeit ist rückläufig
Zwar steigt die Krebshäufigkeit, die RKI-Zahlen zeigen aber auch einen erfreulichen Trend: Denn die Krebssterblichkeit geht kontinuierlich zurück, wofür insbesondere Fortschritte bei der Behandlung verantwortlich sein dürften. Immerhin verstarben vor dem Jahr 1980 mehr als zwei Drittel der Tumorpatienten an ihrer Erkrankung. Nunmehr ist es laut RKI weniger als die Hälfte. Die Konsequenz der beiden Trends – steigende Inzidenz bei zurückgehender Sterblichkeit – ist eine deutlich steigende Zahl an Menschen hierzulande, die mit der Diagnose Krebs leben. „Derzeit gibt es in Deutschland etwa 1,4 Millionen Menschen, bei denen die Diagnose Krebs innerhalb der letzten fünf Jahre gestellt wurde“, heißt es im aktuellen Bericht des Instituts.
Das macht neue Konzepte der Nachsorge notwendig. Denn auch viele „Langzeitüberlebende“ nach Krebs bedürfen einer langfristigen Betreuung, ein Phänomen, dem die moderne Krebsmedizin bislang kaum Rechnung trägt, wie mehrfach beim DKK betont wurde. Der Kongress stand in diesem Jahr unter dem Motto „Qualität sichern – Forschung fo(e)rdern“, womit bereits signalisiert werden sollte, dass es in der Krebsmedizin in Deutschland durchaus noch Handlungsbedarf gibt.
Nationaler Krebsplan mit vier Handlungsfeldern
Eine nachhaltige Verbesserung der Situation erhoffen sich Krebsmediziner wie auch Politiker von der Realisierung des Nationalen Krebsplans. Initiiert wurde dieser seinerzeit gemeinsam vom Bundesministerium für Gesundheit, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, hinter dem Konzept stehen inzwischen 20 Organisationen.
Der Nationale Krebsplan beinhaltet vier Handlungsfelder, wie DKK-Präsident Professor Dr. Peter Albers aus Düsseldorf in Berlin darlegte.
•In Handlungsfeld 1 soll die Krebsfrüherkennung vorangetrieben werden, wobei vor allem die Inanspruchnahme der Programme durch die Bevölkerung verbessert werden soll. Außerdem ist geplant, die Früherkennungsprogramme hinsichtlich ihres Nutzens zu evaluieren.
•Handlungsfeld 2 zielt auf die Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und auf die Qualitätssicherung ab. Es soll eine „qualitativ hochwertige Versorgung für alle Patienten“ gewährleistet sein und es wird geplant, einheitliche Konzepte und Bezeichnungen für die Qualitätssicherung und die Zertifizierung onkologischer Behandlungseinrichtungen zu erarbeiten. Im Fokus dieses Handlungsfelds stehen zudem die Erarbeitung evidenzbasierter Behandlungsleitlinien für alle häufigen Tumorarten, die Entwicklung einer sektorenübergreifenden integrierten onkologischen Versorgung, die onkologische Qualitätsberichterstattung und darüber hinaus explizit auch die Gewährleistung einer angemessenen psychoonkologischen Versorgung von Krebspatienten.
Bundesweite klinische Krebsregister geplant
•Beim Handlungsfeld 3, der Sicherstellung einer effizienten onkologischen Behandlung, bekennen sich die Initiatoren des Nationalen Krebsplans zu innovativen Krebsmedikamenten und fordern einen fairen und raschen Zugang zu den nachweislich wirksamen Innovationen in der Krebsbehandlung.
•Mit dem Handlungsfeld 4 soll schließlich der Patient stärker in die Krebsmedizin eingebunden werden. Es wird eine „Stärkung der Patientenorientierung“ gefordert und es sollen vor allem niederschwellige, zielgruppengerechte Informations-, Beratungs- und Hilfsangebote erarbeitet werden. Patienten wie auch ihre Angehörige sollen dabei stärker als bisher in die Entscheidung über medizinische Maßnahmen einbezogen werden.
Der Nationale Krebsplan sieht dabei auch die Etablierung bundesweiter klinischer Krebsregister vor, in denen die Behandlung von Krebspatienten erfasst wird. „Nur so können wir beurteilen, wie gut die Leitlinien zur Krebstherapie umgesetzt werden“, betonte in Berlin Professor Dr. Werner Hohenberger, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. Klinische Krebsregister machen nach seinen Angaben zudem erkennbar, wie sich die entsprechenden Therapiemaßnahmen auf das Überleben der Patienten und auf deren Lebensqualität auswirken.
Palliativmedizin frühzeitiger starten
Keinen adäquaten Niederschlag im Nationalen Krebsplan hat die palliativmedizinische Behandlung von Krebspatienten gefunden, kritisierte Professor Dr. Friedemann Nauck aus Göttingen. „Es ist eine Herausforderung für die kommenden Jahre, die Palliativmedizin frühzeitiger als bisher in die allgemeine Versorgung zu integrieren und dies sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich“, forderte der Mediziner.
Dabei geht es nach seinen Worten nicht nur darum, akute Beschwerden von Krebspatienten, bei denen eine kurative Therapie nicht mehr möglich ist, zu lindern. Wichtig sei es vielmehr, durch eine begleitende Behandlung ganz allgemein für ein Höchstmaß an Lebensqualität zu sorgen, so dass die betroffenen Patienten die ihnen verbleibende Lebenszeit in größtmöglicher Selbstständigkeit und Würde verbringen können. Die Palliativmedizin sollte deshalb, so Nauck, „künftig jedem Patienten zu einem frühen Zeitpunkt einer unheilbaren Erkrankung zugänglich sein“.
Christine Vetter
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