Bürger sollen sich entscheiden
Nach einer rund 15 Jahre währenden Debatte hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung den parteiübergreifenden Gesetzentwurf zur Reform des Transplantationsgesetzes beschlossen. Das Gesetz soll noch in diesem Sommer in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist es, die Diskrepanz zwischen einer laut Umfragen grundsätzlich hohen Bereitschaft zur Organspende (rund 75 Prozent) in der Bevölkerung und dem tatsächlich dokumentierten Willen zur Organspende (rund 25 Prozent) zu verringern.
Die Gesetzesnovelle sieht vor, dass jeder Bürger künftig regelmäßig aufgefordert wird, seine Bereitschaft für oder gegen eine Organspende zu erklären. Allerdings besteht kein Zwang zur Abgabe dieser Erklärung. Diese sogenannte Entscheidungslösung löst damit die bislang in Deutschland geltende erweiterte Zustimmungslösung ab, derzufolge die Bereitschaft zur Organspende vollständig der Eigeninitiative des Einzelnen überlassen blieb. Die Konsequenz: In der Vergangenheit mussten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in neun von zehn Todesfällen die Angehörigen über eine Organspende entscheiden, weil der Verstorbene seinen Willen nicht dokumentiert hatte. Dementsprechend begrüßt die DSO als zentrale Koordinierungsstelle für Organtransplantationen in Deutschland die anstehende Reform. „Jeder Bürger sollte eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung treffen“, betont der medizinische Vorstand der DSO, Prof. Günter Kirste. Er sieht in der Entscheidungslösung einen geeigneten Weg, um die Auseinandersetzung mit dem Thema aktiv zu fördern und die Organspende-Bereitschaft zu erhöhen. Viele Menschen wären zu einer Entscheidung erst bereit, „wenn sie sich ausreichend informiert fühlen“, so Kirste.
Zu wenig Spenderorgane
Derzeit stehen bundesweit etwa 12 000 Menschen auf den Wartelisten für eine Organtransplantation. Schwerst Nierenkranke müssen häufig fünf bis sechs Jahre auf eine Spenderniere warten. In dieser Zeit sind die Patienten auf die Dialyse angewiesen. Bei Herz- oder Lungentransplantationen ist ein solcher Aufschub nicht möglich, viele Patienten sterben, weil kein Spenderorgan verfügbar ist. Um die Zahl der Organspender zu erhöhen, verpflichtet der Gesetzentwurf die Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen, ihre Versicherten alle zwei Jahre zur Organ- und Gewebespende ausführlich zu informieren und ihnen einen Organspendeausweis zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus müssen die Kassen die Versicherten auffordern, ihre Entscheidung bezüglich der postmortalen Organ- und Gewebespende schriftlich mitzuteilen. Neben der Möglichkeit, sich prinzipiell für oder gegen eine Organspende zu entscheiden, können die Bürger auch bestimmen, dass sie nur bestimmte Organe spenden wollen oder bestimmte Organe ausschließen möchten. Die Erklärung soll ausdrücklich freiwillig sein, betont Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr: „Wir wollen keinen Zwang ausüben, aber wir wollen überzeugen, dass es sich lohnt und dass es wichtig ist, sich mit der Frage der Organspende auseinanderzusetzen. Der Versicherte bleibt Herr seiner Daten. Die Krankenkassen werden den Grundsatz der Freiwilligkeit der Entscheidung eines jeden einzelnen Versicherten berücksichtigen.“
Vorgaben aus der EU
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Transplantationsgesetzes setzt europarechtliche Vorgaben um und legt damit europaweit geltende einheitliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Organtransplantation fest. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass in jedem Entnahmekrankenhaus ein Transplantationsbeauftragter benannt werden muss. Dieser soll unter anderem Verbindungsglied des Krankenhauses zu den Transplantationszentren sein, das Krankenhauspersonal in Fragen der Organspende beraten und Angehörige aufklären und beraten. Patienten- und Ärzteverbände haben diese Neuregelung ausdrücklich begrüßt. Auch für Prof. Kirste von der DSO ist dies ein Schritt in die richtige Richtung, der allerdings noch viele Fragen offen lasse. So kritisierte Kirste im Deutschlandfunk, dass der Gesetzentwurf weder klar festlege, welche Kompetenzen der Beauftragte hat, noch welche konkrete Ausbildung oder Berufserfahrung für diese Tätigkeit vorausgesetzt wird.
Otmar Müller
Freier gesundheitspolitischer Fachjournalist
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