Online-Netzwerk für Patienten

Schluss mit dem Ärztekauderwelsch

Laborbefunde, zahnmedizinische Befunde oder die Ergebnisse von Röntgen-, CT- oder MRT-Untersuchungen sind für viele Patienten nur schwer zu verstehen. Ein Online-Netzwerk von Medizinstudenten und Ärzten hilft, das Medizinerdeutsch in allgemein verständliche Worte zu übersetzen, und will so zu mündigen Patienten beitragen.

Angefangen hat alles vor gut 14 Monaten. Die Dresdner Medizinstudenten Anja Kersten und Johannes Bittner waren immer mal wieder von Freunden und Bekannten gebeten worden, medizinische Befunde zu „übersetzen“. Das brachte sie auf die Idee, diesen Dienst auch Menschen anzubieten, die niemanden haben, den sie fragen können. Mitte Januar letzten Jahres war es dann soweit. Das kostenfreie Online-Portal mit der Internetadresse washabich.de war geboren.Das Angebot sprach sich über Foren und durch Mund-zu-Mund-Propaganda herum wie ein Lauffeuer. Inzwischen erreichen den Dienst pro Woche im Schnitt 150 Befunde und Entlassungsbriefe. Rund 5 500 Übersetzungen haben die Studenten seit dem 15. Januar 2011 bereits geleistet.

Riesiges Informationsbedürfnis

Den Sturm an Anfragen bewältigen sie schon lange nicht mehr allein. „Unser Team besteht derzeit aus 409 Studenten, 90 Assistenz- und Fachärzten der Human- und Zahnmedizin sowie zwei Diplom-Psychologen“, berichtet Bittner. Zurzeit ist der Dienst derart ausgelastet, dass keine neuen Befunde angenommen werden, bis der aufgelaufene Berg an Anfragen abgearbeitet ist. Neue Teammitarbeiter sind daher willkommen. Alle Studenten und Ärzte arbeiten ehrenamtlich für „Was hab ich?“. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die Studenten sich mindestens im 8. Fachsemester befinden.

Um den Dienst in Anspruch nehmen zu können, müssen die Patienten ihren anonymisierten medizinischen Befund oder ihren Entlassungsbrief auf der Internetseite lediglich hochladen. Wahlweise können sie ihn auch per Fax senden. Innerhalb weniger Tage erhalten sie das Dokument mit näheren Erläuterungen zurück. So werden zum Beispiel bei einem CT-Befund einer Schulterzerrung neben der Übersetzung der medizinischen Fachbegriffe auch das Verfahren der Kernspintomografie sowie der Aufbau der Schulter erklärt.

Wie die Stiftung Warentest, die den Dienst Ende letzten Jahres kritisch unter die Lupe genommen hat, berichtet, stand die schnellste Übersetzung schon nach wenigen Stunden bereit, die langsamste nach fünf Tagen. Das Portal sei ein nützliches Angebot für Patienten, die ihre Krankheit besser verstehen wollen, urteilte die Stiftung. „Zwar waren nicht alle Befundübersetzungen übersichtlich und klar aufgebaut, doch die fachliche Qualität war insgesamt in Ordnung und verständlich“, lautete die abschließende Bewertung.

Corinna Schäfer, Bereichsleiterin Patienteninformation bei der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ), beurteilt das Angebot ebenfalls positiv: „Der Dienst befriedigt das Bedürfnis seitens der Patienten, verständlich informiert zu werden.“ Auch sei erkennbar, dass „Was hab ich?“ keine wirtschaftlichen Interessen verfolge, sondern sich um Qualitätsmanagement bemühe.

Übersetzung nutzt Patienten und Ärzten

Für die Befundübersetzungen sind vornehmlich die Studenten zuständig. Für die Einarbeitung, die Kontrolle von komplexen und langen Befunden sowie für Fragen steht ihnen jederzeit das Team aus Ärzten und Psychologen zur Verfügung. Der Zahnmediziner Johannes Seidel ist seit Juni letzten Jahres dabei. „Ich war von der Idee von Anfang an begeistert, da sie für Ärzte und Patienten eine klassische Win-Win-Situation darstellt“, berichtet er. So habe er durch die Übersetzungen gelernt, sich verständlich auszudrücken und hofft, dass dies auch seinen Patienten zugutekommen wird. Seidel beginnt seine zahnärztliche Tätigkeit im Mai.

Katja Niekrawietz aus Dresden, die sich ab April zur Internistin weiterbildet, findet darüber hinaus positiv, dass sie sich durch die Befundübersetzung mit Fachgebieten auseinandersetzen muss, mit denen sie sich sonst so beschäftigen würde, wie die Neurologie und die Orthopädie. Die Studenten können gleichwohl selbst entscheiden, wie viele und welche Befunde sie übersetzen wollen. „Ungefähr die Hälfte der eingesandten Dokumente stammt aus den Bereichen Innere Medizin, Orthopädie und Radiologie“, erklärt Bittner.

Bei den Usern scheint der Dienst ebenfalls gut anzukommen. Von den Patienten gebe es fast ausnahmslos positive Feedbacks, berichtet Luise Bergner, die an der Technischen Universität Dresden im 9. Semester Medizin studiert. In vielen Fällen belohnten die Nutzer des Dienstes ihre Übersetzer auch mit einer kleinen Spende. 15 bis 20 Stunden pro Woche widmet Bergner neben ihrem Studium den Übersetzungen. Der Arbeitsaufwand pro Befund be trage je nach Länge zwischen einer halben bis zu mehreren Stunden.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält das Internetportal ebenfalls für einen nützlichen Service. „In Einzelfällen könnte es jedoch problematisch sein, zwischen einer reinen Übersetzung und einer Beratung zu differenzieren“, meint Ilona Köster-Steinbach, Gesundheitsreferentin bei der vzbv.

Auf ihrer Homepage weisen die Anbieter allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die Übersetzer den jeweiligen Befund auch nicht in Zusammenhänge setzen könnten, da sie keinen Überblick über die gesamte Krankengeschichte hätten. Der Dienst macht ferner deutlich, dass der Service keinen Arztbesuch ersetzt und auch keine Therapieempfehlungen ausspricht. „Wir wollen die ärztlichen Leistungen nicht infrage stellen, sondern durch einen besser aufgeklärten und fachlich gut informierten Patienten unterstützen“, betont Bittner.

Petra Spielberg

Altmünsterstr. 1

65207 Wiesbaden

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