Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
vorbeugen statt heilen? Auf den ersten Blick hat in unserer Gesellschaft nichts höheren Stellenwert als Prävention. Scheinbar gehen alle Zeichen auf „grün“, wenn es um Bürgers Gesundheit geht. Allerdings mit einer Einschränkung: Es darf nur wenig kosten. Kommt es zum Schwur, heben nur wenige Verantwortliche die Hand. Dann gilt, dass den meisten die Gesundheit des anderen lieb ist, solange sie nicht teuer kommt.
Aber wer agiert da, wenn die Debatten darüber losbrechen, was uns die Gesundheit unseres Nächsten tatsächlich wert ist? Es sind nicht die Bürger und Steuerzahler, die sich zu Wort melden. Als scheinbare Advokaten agieren die, die das Geld verwalten, das die Bürger für ihre Gesundheit in den sozialen Topf geschmissen haben.
Und immer dann, wenn dieser von den Krankenkassen verwaltete Geldtopf ins Gerede kommt, taucht – oh Wunder – aus irgendeinem karitativen Orbit ein Hinweis auf, dass Ärzte oder Zahnärzte gar nicht heilen, auch nicht vorbeugen, sondern nur abzocken wollen. Da wird populistisch tief ins Tintenfass gegriffen. Schwarz wird gemalt, was kurz zuvor noch als Hoffnung für die Teilhabe der Menschen am medizinischen Fortschritt galt. Schnell wird das, was aus Sparsamkeit ausgegrenzt war, als nicht evidenzbasiert und damit nicht bezahlungswürdig disqualifiziert. Selbst, wenn es zuvor präventiv als empfehlenswert galt.
Hier ist nicht von IGeL die Rede. Nein, die Krankenkassen suchen sich andere Ansätze – akut beispielsweise die PZR – heraus, sobald am Horizont Verhandlungen mit den Zahnärzten anstehen oder die Kassen etwas aus dem Geldtopf abgeben sollen.
Also Schluss mit der PZR, nur aus Mangel an Beweisen? Das wollen nicht einmal die Krankenkassen. Lächerlich wäre es ohnehin: Wer medizinische Leistungen erst für einsetzbar erklärt, wenn ihr Nutzen evidenz-basiert, bis zum Letzten bescheinigt und besiegelt ist, bliebe auch heute noch zu großen Teilen vom Fortschritt abgetrennt, also schlicht „unter-“ oder gar „unversorgt“. PZR ist Prävention!
Sprüche wie die, dass nur anerkannt sei, was bereits in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wurde, im Umkehrschluss also alles, was anerkannt werden soll, auch in den Leistungskatalog gehört, malen eine Welt, die eher an inquisitorische mittelalterliche Scheibenmodelle erinnert. Es kann nicht sein, was nicht sein darf? Das darf doch nicht wahr sein. Denn trotz dieser Denke zahlt die eine oder andere Kasse klaglos für klinisch keinesfalls anerkannte „alternativmedizinische“ Leistungen. Zufall oder Kundenfang?
Wer so argumentiert, wertet auch anerkannte Versorgung ab, die die Kassen vorher im Einklang mit Politik und Zahnärzteschaft vor Jahren aus finanzieller Not dem Leistungskatalog entzogen haben. Diese nur mit Festzuschüssen finanzierte Zahnheil-kunde hat sich – „anerkannterweise“ – als medizinische Glanzleistung erwiesen. Hättest Du doch geschwiegen, GKV!
Freundlichst Ihr
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur