Werbung und aktuelle Rechtsprechung

Der Einzelfall entscheidet

sg
Der Wettbewerb hat in den letzten Jahren auch bei Zahnärzten immer stärker zugenommen. Für Zahnmediziner ist es daher von Interesse, die eigene Leistung bewerben zu dürfen. Demgegenüber steht das Patienteninteresse an angemessener und richtiger Information. Angesichts dieser Situation hatten Gerichte jüngst vermehrt zu entscheiden, welche Werbung berufsrechtlich zulässig ist.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob in jüngster Zeit gleich mehrfach Urteile auf. Dabei lag der revidierten Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin vom 18. März 2011 (AZ: 24 U 161/10) die Frage zugrunde, ob eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft von Zahnärzten sich nach außen als „Zentrum für Zahnmedizin“ bezeichnen und damit werben darf. Im konkreten Fall waren neben den zwei an der Berufsausübungsgemeinschaft beteiligten Zahnärzten weitere Kollegen angestellt. Darüber hinaus gab es im Praxishaus einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichts-chirurgie, der mit der Berufsausübungs- gemeinschaft Räumlichkeiten und Personal teilte. Die Berufsausübungsgemeinschaft kooperierte zudem mit verschiedenen anderen Ärzten und Therapeuten.

Nach Auffassung des BVerfG hatte sich das KG Berlin bei der Definitionsbildung zu Unrecht auf die Behauptung beschränkt, mit dem Begriff „Zentrum“ werde auf die Größe und die Bedeutung einer Einrichtung sowie ihre „Mittelpunktfunktion hinsichtlich der angebotenen Leistungen innerhalb eines gewissen räumlichen Bezirks“ hingewiesen. Weitergehende, für die Begründung einer unzulässigen Werbung zu fordernde Anknüpfungspunkte, wie etwa die Bandbreite der angebotenen Leistungen, deren besondere Qualität, die apparative Ausstattung der Praxisräume, seien vom KG Berlin nicht erwähnt oder erörtert worden. Und auch die Definition des medizinischen Versorgungszentrums in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V lege nahe, dass diese auch Rückwirkungen auf das allgemeine Verständnis des Begriffs „Zentrum“ auf (zahn-)ärztlichem Gebiet hat. Dies wäre zwingend zu berücksichtigen gewesen. Eine pauschale Begründung reiche nicht aus, um eine Werbung als berufsrechtswidrig einzustufen; vielmehr müsse sie den hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 12 GG genügen.

Die Besonderheiten eines „Zentrums“

Die Intention und die Auffassung des BVerfG werden durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18.01.2012 (AZ: I ZR 104/10) verdeutlicht. Dort hatte ein Krankenhaus in einer Fachabteilung eine Unterabteilung eingerichtet und diese als „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ beworben. Der BGH sah in diesem Fall einen Wettbewerbsverstoß und damit berufsrechtswidriges Verhalten als gegeben an. Begründung: Der Begriff „Zentrum“ weise auf eine besondere Bedeutung und Größe eines Unternehmens hin, oder werde jedenfalls auf einen solchen Tatsachenkern zurückgeführt. Die Benennung einer Unterabteilung einer Fachabteilung als „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ komme diesen Anforderungen jedoch nicht nach, da dieser weder eine besondere Bedeutung noch eine über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung zugewiesen werden konnte.

Der BGH schlussfolgerte für ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) analog: Es handele sich bei dem MVZ um eine „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung, in denen Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind“. Fachübergreifend sei diese Einrichtung erst dann, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Die Verwendung des Wortes „Zentrum“ in diesem Zusammenhang deute also vielmehr darauf hin, dass die Leistungen eines medizinischen Zentrums über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen müssten. Dieser Anschauung genüge die Bezeichnung der Unterabteilung einer Fachabteilung als „Zentrum“ nicht. Die beiden Sachverhalte zeigen deutlich, dass Werbung mit dem Begriff „Zentrum“ je nach Ausgestaltung berufsrechtlich zulässig oder berufsrechtswidrig sein kann.

Der Begriff „Zahnärztehaus“

Auch das Bezirksberufsgericht und das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart ließen die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Begründungspflicht außer Acht (siehe Kasten). Das BVerfG stellte hier in einem Beschluss vom 14. Juli 2011 (AZ: 1 BvR 407/11) die Verfassungswidrigkeit der vorangegangenen Entscheidungen fest.

Eine von mehreren Zahnärzten betriebene Gemeinschaftspraxis mit Zahnarztlabor hatte sich im Internet und in einer Zeitungsannonce als „Zahnärztehaus …“ angepriesen. Die Berufsgerichte hatten darin ohne weitere Begründung zum konkreten Einzelfall eine berufsrechtswidrige Werbung gesehen. Das BVerfG hielt auch hier fest: Bedeutung und Tragweite der freien Berufsausübung erfordern die Nachvollziehbarkeit der fachgerichtlichen Bewertung einer Werbemaßnahme als berufswidrig. Die Berufsgerichte hätten sich weder mit der Frage der Definition des Begriffs „Zahnärztehaus“ noch mit der Frage der Irreführung verfassungsrechtlich ausreichend auseinandergesetzt.

Dass die Frage, ob zahnärztliche Werbung rechtswidrig ist, vom konkreten Einzelfall abhängt, zeigt sich auch an einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 25.05.2012 (AZ: 13 A 1399/10). Einer als Personengemeinschaft geführten Zahnarztpraxis war die Werbung als „Kinderzahnarzt“ beziehungsweise „Kinderzahnarztpraxis“ untersagt worden, wobei die Tätigkeitsschwerpunkte der in der Praxis tätigen Zahnärzte bereits durch deren Internetauftritt nicht oder jedenfalls nur kaum dem Tätigkeitsschwerpunkt der Kinderzahnheilkunde zuzuordnen gewesen waren.

Die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“

Das OVG Nordrhein-Westfalen urteilte, dass ein Patient bei einer Bezeichnung eines Zahnarztes als „Kinderzahnarzt“ regelmäßig eine besondere personenbezogene und für den Patienten nachprüfbare Qualifikation erwarte, die sich zumindest darin zeigen müsse, dass der werbende Zahnarzt auch tatsächlich auf dem Gebiet der Kinderzahnheilkunde tätig ist. Der Patient erwarte bei einem Kinderzahnarzt einen Zahnarzt, der die Voraussetzungen des Tätigkeitsschwerpunkts der Kinderzahlheilkunde persönlich erfüllt. Diese seien nach den berufsrechtlichen Regelungen überprüfbar.

Diese Voraussetzungen waren bei der Entscheidung nicht gegeben, so dass das Gericht eine berufsrechtwidrige Werbung angenommen hat. Das Gericht stellte jedoch auch klar, dass ein Zahnarzt mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ indessen nicht über das Führen einer Fachzahnarztbezeichnung täuscht, da es – anders als bei Ärzten – eine entsprechende Fachzahnarztbezeichnung gar nicht gibt. Aufgrund dieser Entscheidung und den verfassungsrechtlichen Vorgaben ist zu erwarten, dass eine Werbung mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Tätigkeitsschwerpunkt des werbenden Zahnarztes tatsächlich die Kinderzahnheilkunde ist.

RA Eike Makuth

Bundeszahnärztekammer

Chausseestr. 13

10115 Berlin

Tel.: 030/40005-0

INFO

Werbung aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts

Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind werbebeschränkende Vorschriften in (zahn-)ärztlichen Berufsordnungen erlaubt, sofern sie nicht jede, sondern nur die berufswidrige Werbung untersagen (siehe aktuell BVerfG, Beschluss vom 14.07.12, AZ: 1 BvR 407/11; Beschluss vom 07.03.2012; AZ: 1 BvR 1209/11). Ist die Information interessengerecht, sachangemessen und erregt sie keinen Irrtum, muss dafür im rechtlichen und im geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Daher darf einem (Zahn-)Arzt die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur dann verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, etwa weil sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011; AZ: 1 BvR 407/11).

Die berufsrechtlichen Regelungen für (Zahn-)Ärzte sind in verfassungskonformer Weise auszulegen, so das BVerfG. Dabei ist insbesondere im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich zu fordern, dass ein Werbeverbot anhand von plausiblen Gründen nachvollziehbar und keineswegs nur pauschal begründet wird. Die Tragweite des Grundrechts auf Berufsfreiheit wird dabei regelmäßig dann verkannt und damit in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn bei der Ermittlung des (Werbe-)Begriffsverständnisses bestimmte, auf der Hand liegende, für die Aussage des Begriffs erkennbar relevante Aspekte entweder gar nicht erörtert werden oder ihre Berücksichtigung mit unvertretbarer Argumentation abgelehnt wird (BVerfG, Beschluss vom 14.07.12, AZ: 1 BvR 407/11).

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