Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
gut 55 Prozent der Krankenversicherten Deutschlands sind überzeugt, dass die GKV dauerhaft eine gute medizinische Versorgung sichern kann. Das sind, so jetzt veröffentlichte Umfrageergebnisse von „TNS Infratest“, deutlich mehr als in einer Vergleichsstudie aus dem Jahr 2010. Damals trauten das nur 45 Prozent der GKV zu. Entsprechend rutschte das Vertrauen in die PKV diesbezüglich von 73 auf 67 Prozent.
Solche Zahlen können natürlich dazu beitragen, dass gesetzliche Krankenversicherer aufrecht gehen und sich rundum wohl fühlen. Wachsendes Kundenvertrauen und noch gut 22 Milliarden Euro auf der hohen Kante – daran würden sich andere Unternehmenszweige sicher gern ein Beispiel nehmen. Aber: Nachahmen verboten! Die Sachleistungsmaschinerie ist – trotz aller Unkerei um Wettbewerbsmechanismen – eben kein herkömmlicher Wirtschaftsbetrieb.
Dass das mit dem Vertrauensvorschuss der Versicherten funktioniert, beruht eher darauf, dass die Versicherer ihre Energie vorrangig dafür einsetzen, Leistungseinschränkungen und Kostenminimierungen voranzutreiben. Die Schuld für die Minderleistungen der Versicherer werden in der Regel nach dem Prinzip „Schwarzer Peter“ an Mediziner und Zahnmediziner weitergegeben. Auf den ersten Blick hat sich dieses Prinzip bewährt.
Dass die GKV von diesem hohen Ross agieren kann, verdankt sie einem komplexen System, an dem selbst das Kartellamt sich bisher die Zähne auszubeißen scheint. Einheitliche Festbeiträge, ein äußerst komplexer Ausgleichsmechanismus von „guten“
und „schlechten“ Risiken und natürlich die enge Verwebung des gesamten Systems mit Auffangregelungen des Gesetzgebers bis in das Steuersystem hinein machen in diesem Bereich Wettbewerb zur Makulatur. Im System gilt bereits derjenige Versicherer als vorbildlich, der erwägt, seinen Geschäftskunden das zu viel gezahlte Geld zurückzuerstatten. Ob sich Bismarck – er gilt als gedanklicher Urheber solcher sozialer Sicherungssysteme, das wirklich so vorgestellt hat?
Aber wie die Rechnerei in den kommenden Monaten auch ausgehen mag: Die Verhandlungen, die die Ärzte in diesem „Wettbewerbssystem“ führen müssen, stehen von Anfang an unter dem Negativ-Label „Schon wieder noch mehr Geld“. Diese Schiene ist eingefahren und wird munter bedient. Soll wirklich erst grundlegend gehandelt werden, wenn es zu spät ist?
Und ob die PKVen das hören wollen oder nicht: Richtig beleuchtet ist die von Infratest der GKV attestierte gewachsene Zufriedenheit der „Kunden“ kein Anzeichen für gute Leistungen der Gesetzlichen, sondern eher für nachlassende in den Privaten Krankenkassen. Das ist die eigentliche Botschaft dieses Meinungsrutsches.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagel
zm-Chefredakteur