Umstrittener Entwurf
Das vom Kabinett Ende August verabschiedete Gesetz stellt künftig die kommerzielle Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Konkret soll die „gewerbsmäßige“, also mit Gewinnerzielungsabsicht und auf Wiederholung ausgerichtete Förderung der Selbsttötung in Form des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns einer Gelegenheit zur Selbsttötung mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Bislang war jede Form von Beihilfe zum Selbstmord straffrei.
Das bisherige Regelungskonzept der Straffreiheit habe sich „grundsätzlich bewährt“, teilte das Bundesjustizministerium mit. Deshalb solle nur die gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid strafrechtlich verboten werden, erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Als Erwerbsmodell würde Suizidhilfe sonst zur gewöhnlichen Dienstleistung, die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot vielleicht nicht getan hätten. „Letztlich hätten möglicherweise gerade alte und kranke Menschen sogar das Gefühl, dieses Angebot in Anspruch nehmen zu müssen, um ihrem Umfeld nicht zur Last zu fallen“, so die Ministerin. Angehörige oder enge Freunde, die dem Sterbenskranken besonders emotional nahestünden und die er als Stütze in dieser letzten Krise seines Lebens bei sich wissen wolle, verdienten hingegen Respekt und keine Strafandrohung. Das Justizministerium betonte, dass das Gesetz nur diese enge Ausnahme von der vorgesehenen neuen Strafbarkeit enthalte.
Der Stein des Anstoßes
Nach Bekanntwerden des ersten Referentenentwurfes Anfang August hatte es von Seiten der Ärzte, der Kirchen und der Politik Kritik gehagelt. Zum Personenkreis, der im Einzelfall nicht bestraft werden soll, konnten dem Entwurf zufolge neben Angehörigen auch Lebensgefährten oder nahe Freunde zählen – und im Einzelfall Ärzte und Pflegekräfte, „wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist, wie dies zum Beispiel beim langjährigen Hausarzt oder einer entsprechenden Pflegekraft der Fall sein kann“. Diese Formulierung hatte zu heftigem Widerspruch auch von Seiten der Union geführt. So hatte etwa Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, im „Spiegel“ die geplante Regelung als inakzeptabel bezeichnet, da sie dem Missbrauch Tür und Tor öffne.
Auch die Vertreter der Ärzteschaft kritisierten massiv den Referentenentwurf, da sie im geplanten Gesetz eine neue Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer sahen. „Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Erst soll die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden und dann will das Justizministerium die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen“, so der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery. Die Position der Ärzteschaft sei hier eindeutig: als Sterbehelfer stünden die Ärzte nicht zur Verfügung.
Klarheit schaffen
Im nun verabschiedeten Gesetzentwurf werden – im Gegensatz zum Referentenentwurf – Ärzte und Pfleger nicht mehr als konkretes Beispiel für nahestehende Personen angeführt. Der nun im Gesetzestext zu findende Verweis auf einen Kommentar des Strafgesetzbuches erlaubt aber nach wie vor diese Interpretation. Das Justizministerium betonte dennoch, dass von einer Ausweitung der Suizidhilfe keine Rede sein könne. Vielmehr werde ein Teilausschnitt der Sterbehilfe nunmehr erstmalig unter Strafe gestellt und gerade nicht für bestimmte Berufsgruppen – wie etwa die Ärzte – legalisiert. Gleichzeitig stelle der Entwurf sicher, dass der gerechtfertigte Behandlungsabbruch durch den Arzt (häufig auch als „passive Sterbehilfe“ bezeichnet) weiterhin straffrei bleibt. Ebenfalls straffrei bleibe die ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem Sterbenden, die als unbeabsichtigte, aber unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigt (sogenannte „indirekte Sterbehilfe“).
Strikte Haltung
Die Ärztekammer bleibt unterdessen bei ihrer strikten Haltung. „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen aber verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten und sie dürfen auch keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Das ist in der Muster-Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland klar geregelt und findet sich so auch in den Berufsordnungen der Ärztekammern wieder“, betont Ärztekammerpräsident Montgomery.
Doch diese Regelung in der Berufsordnung ist unter Ärzten durchaus umstritten. So hatte ein Berliner Arzt im März dieses Jahres vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen das strikte Verbot für Ärzte, „Hilfe zur Selbsttötung zu leisten“, erfolgreich geklagt (VG 9 K 63/09). Die Berliner Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein derartiges generelles und ausnahmsloses Verbot mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei. Vielmehr müsse es Ärzten gestattet sein, in Ausnahmefällen eine ihrem Gewissen entsprechende Entscheidung zu treffen, die von diesem Verbot abweicht. Damit würden Berliner Ärzte, die in Ausnahmefällen Beihilfe zum Suizid leisten, nicht gegen das Berufsrecht verstoßen. Gegen das Urteil wurde Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt.
Meinungsbild differenziert
Auch eine anonyme Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Healthcare unter Ärzten, die regelmäßig Schwerstkranke behandeln, belegt, dass die Meinung der Ärzteschaft zur Sterbehilfe keineswegs so eindeutig ist, wie es die Bundesärztekammer kommuniziert. Der Umfrage zufolge würde ein Drittel der befragten Ärzte eine gesetzliche Erlaubnis für den ärztlich assistierten Suizid begrüßen, über 16 Prozent bejahten dies auch für die aktive Sterbehilfe. Fast jeder Fünfte gab an, bereits ein- oder mehrmals in seinem Umfeld von Suizidbeihilfe erfahren zu haben. Und fast jeder zweite Mediziner (44,5 Prozent) wünscht sich, dass ihm bei einer eigenen schweren Krankheit ein ärztlicher Kollege beim Suizid helfen dürfte.
Otmar Müller
Gesundheitspolitischer Fachjournalist