Fakten statt Fiktionen
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
„Shitstorm“? Über die Ästhetik modisch-neudeutscher Wortprägungen mag streiten, wer will. Auf das, was die Krankenkassen mit ihrem für die Versorgung wenig hilfreichen Positionspapier zur Zahnmedizin provoziert haben, passt dieser Begriff öffentlicher Beschimpfung leider allzu perfekt.
Die letzte Welle dieser so undifferenzierten Medienschelte schwappte Ende April via Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in die Öffentlichkeit. Neue Erkenntnisse jenseits dessen, was journalistisch einseitig bereits Tage zuvor über den Medien-Boulevard trampelte, brachte auch das Sonntagsblatt des sonst gepflegt arbeitenden Verlags der FAZ nicht an den Tag: Tipps, wie man sich von seinem Zahnarzt „nicht über den Tisch ziehen“ lässt, hatten auch schon andere Journalisten – dem Unsinn aus der GKV-Ecke willig folgend – zu Papier gebracht.
Aber „cui bono“? Drückt die nächste Bundestagswahl tatsächlich so heftig, dass die Schergen schon jetzt ihre Position beziehen müssen? Oder ist das Umherschlagen nur eine Finte der Kassen, die Fiktionen feilbieten, um unliebsame Fakten zu verdecken?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Entscheider in der Politik sehr wohl wissen, dass der Ablauf und der mehrfach bestätigte Erfolg des Festzuschusssystems belegen, wie sinnvoll dieser Weg für alle Beteiligten – zuallererst für unsere Patienten, sicher auch für uns Zahnärzte, aber gewiss auch für die Krankenkassen – tatsächlich war, ist und bleiben wird.
Hier war für die Politik nicht das Wohl und Weh der Zahnärzte treibender Faktor, sondern die Erwartung, trotz Beibehaltung des Sachleistungssystems auch den gesetzlich Versicherten Zugang zum wissenschaftlichen Fortschritt der Zahnheilkunde zu bieten.
Haben die Krankenkassen vergessen, dass der gesetzlich Krankenversicherte – beispielsweise in Sachen Implantologie – früher außen vor blieb, wenn er Leistungen seiner Kasse für wissenschaftliche, als „state of the art“-Behandlungen geltende Leistungen einfordern wollte? Ganz (selbst bezahlt) oder gar nicht (fortschrittlich), so lautete noch vor wenigen Jahren die GKV- Alternative.
Haben die jetzt nach Kontrolle schreienden Krankenkassen tatsächlich vergessen, dass sie das Festzuschusssystem unter anderem auch deshalb mit begrüßt haben, weil sie das Einsparvolumen aus der neuen Festzuschussregelung statt für andere zahnmedizinische Leistungsbereiche zum allgemeinen Löcherstopfen überforderter Krankenkassen-Kassen verwenden wollten?
Wer so im Geld schwimmt wie derzeit das GKV-System, will sich die Nachfrage natürlich lieber ersparen, warum er so wenig leistet. Dann doch lieber die Nebelkerzen zünden und die alte Beutelschneider-Leier ausgraben.
Befremdlich ist schon, dass dieser Angriff überhaupt erfolgen konnte. Denn diese Behauptungen lassen sich durch nichts belegen. Sowohl von der bei Einführung der Festzuschüsse amtierenden damaligen Patientenbeauftragten der Bundesregierung Helga Kühn-Mengel (SPD) wie auch vom derzeitigen Amtsinhaber Wolfgang Zöller (CDU) ist bestätigt, dass es eine Überforderungskritik seitens der Patienten schlichtweg nicht gibt.
Doch da gibt es noch die Forderung nach Einflussnahme auf die von ihren Versicherten privat vereinbarten Leistungen. Und das nenne ich Chuzpe: Einfluss und Mitsprache in einem Bereich, wo die GKV überhaupt keinen Beitrag leistet. Dabei kommen offensichtlich Verblendung und Versuchung zusammen.
Warum also das absurde Theater? Eine bewusste Breitseite gegen uns Zahnärzte? Oder doch mehr flammendes Flehen nach zukünftigem politischen Beistand? Oder gar beides?
Zumindest die Medien haben größtenteils die Groteske durchschaut. Und die Politik ist letztlich nicht blöd.
Unser Weg ist klar. Daher gilt: Fakten auf den Tisch, Fiktionen in die Tonne.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV