Organisation „Ärzte der Welt“ übt Kritik

Gesundheit ist kein Luxusgut

Flüchtlinge, illegale Einwanderer und mittellose Ausländer haben selbst bei akuten Erkrankungen oft Probleme, sich in ihrem Aufenthaltsstaat behandeln zu lassen. Dies berichtet die Organisation „Ärzte der Welt“. Der gemeinnützige Verein setzt sich im In- und Ausland für den Zugang zur medizinischen Versorgung als humanitäres Grundrecht ein.

Immer mehr Asylanten, Flüchtlinge, mittellose Ausländer oder Angehörige von Randgruppen haben Schwierigkeiten, sich innerhalb der EU medizinisch versorgen zu lassen. Die Gründe für die Unterversorgung sind nach Aussage der Organisation „Ärzte der Welt“ vielfältig. Zum einen mangele es den Betroffenen am Geld, um die Behandlungen bei fehlendem Krankenversicherungsschutz zu bezahlen. Zum anderen spielten bürokratische Hürden, fehlendes Wissen über die Versorgungsstrukturen des Aufenthaltsstaats und über die Patientenrechte, die Angst vor Diskriminierung oder vor der Aufdeckung des illegalen Status eine Rolle. Hinzu kämen Verständigungsschwierigkeiten.

Unterversorgung hat zugenommen

Durch die Wirtschaftskrise habe sich die Situation zudem weiter verschärft, heißt es in einem aktuellen Bericht der Organisation. „Viele Regierungen haben die Ausgaben für soziale und medizinische Leistungen gekürzt, obwohl die Zahl der Hilfsbedürftigen gegenüber den Jahren vor der Krise gestiegen ist“, erklärt der Verein.

Für den Bericht hat „Ärzte der Welt“ Daten von knapp 5 000 Patienten erhoben, die 2011 die medizinischen Zentren des Vereins in Amsterdam, Brüssel, London, München und Nizza aufgesucht haben. In den Zentren können sich Flüchtlinge, illegale Einwanderer und mittellose Ausländer kostenlos versorgen lassen.

Die Betroffenen waren im Schnitt 35 Jahre alt. Rund ein Drittel von ihnen bezeichnete seinen Gesundheitszustand als schlecht bis sehr schlecht. Die Hälfte hatte keinen regelmäßigen Wohnsitz. Nur knapp ein Drittel war erwerbstätig.

Die Untersuchung ergab ferner, dass über 50 Prozent kein Aufenthaltsrecht besaßen. Ein Großteil aller Betroffenen stammte aus Nicht-EU-Staaten. Hierbei handelte es sich insbesondere um Asylanten. In München waren dagegen 58 Prozent der Patienten EU-Bürger, vor allem aus Bulgarien und Rumänien. Die übrigen Münchener Patienten kamen aus Deutschland, Äthiopien und Afghanistan. Dies habe vornehmlich politische Gründe. Zudem habe sich das Angebot von „Ärzte der Welt“ bei den Roma inzwischen recht gut rumgesprochen, berichtet Sabrina Schmitt, Projektkoordinatorin des Vereins für Deutschland.

Medizinisch und politisch reagieren

Das Hauptproblem für die Roma sei der fehlende Krankenversicherungsschutz. „Für die meisten dieser Menschen sind die finanziellen Hürden für den privaten Basisversicherungsschutz einfach zu hoch und das, obwohl viele von ihnen an chronischen Erkrankungen, wie Diabetes oder Hypertonie, leiden“, so Schmitt.

Zu den Krankheitsbildern, die bei den Betroffenen in allen fünf Staaten im Vordergrund standen, gehören vor allem Muskel-und Skeletterkrankungen, Magen-Darm- Beschwerden, Krankheiten der Atemwege, dermatologische, kardiovaskuläre und psychische Erkrankungen.

In mehr als der Hälfte aller Fälle sei eine ärztliche Behandlung „dringend notwendig“ gewesen, so „Ärzte der Welt“. Dennoch seien mehr als 46 Prozent der Menschen mit akuten Krankheiten überhaupt nicht behandelt worden, bevor sie in eines der Zentren kamen. In München sei der überwiegende Teil der Betroffenen (68 Prozent) nur als Notfall in Krankenhäusern versorgt worden.

Die Organisation präsentiert weitere Zahlen: 79 Prozent der schwangeren Patientinnen in allen fünf untersuchten Staaten hätten zudem keinerlei Vorsorgeuntersuchungen erhalten. Nur 13,7 Prozent der Patienten hätten vor ihrer Einwanderung von ihrer Erkrankung gewusst. Auch mangele es den Betroffenen häufig am erforderlichen Impfschutz, obwohl ihnen dieser nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission und der WHO überall kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss, kritisiert der Verein.

„Ärzte der Welt“ fordert alle Akteure im Gesundheitssektor auf, sich am Abbau der Ungleichheiten innerhalb der EU zu beteiligen. Dabei gelte es nicht nur, illegalen Ausländern oder bestimmten Randgruppen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Denn auch für viele mittellose EU-Bürger sei es inzwischen „ein bürokratischer Alptraum“, in einem anderen EU-Staat eine ärztliche Behandlung zu erhalten.

Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden

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