Retten, was zu retten ist
Rechtsanwälte wie Mathias Nittel oder Uwe Siemon dürfen sich zurzeit über eine sehr gute Auftragslage freuen. Täglich erreichen die Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht Anfragen von Anlegern, die um Kapital fürchten, das sie Jahre zuvor in hohe Renditen versprechende geschlossene Fonds investiert haben. Betrugsskandale wie bei S K Immobilien sind da nur die Spitze des Eisbergs. In diesem Fall sind die Anleger mithilfe eines Schneeballsystems über den Tisch gezogen worden. Dabei werden Zinsen an die ersten Anleger dank neuer Anlegergelder von weiteren Investoren gezahlt.
Die beiden Chefs Stephan Schäfer und Jonas Köller sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, dass S K einige Immobilien, die das Unternehmen in seinem Referenzkatalog aufführt, in Wirklichkeit nicht besitzt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt geht davon aus, dass die veruntreuten Anlegergelder für den sehr luxuriösen Lebensstil der beiden Initiatoren benutzt wurden. Wie sich herausstellt, sollen sogar seriöse Banken und Sparkassen ihren Kunden die zweifelhaften Produkte verkauft haben. Betroffene Anleger können sich an die Frankfurter Polizei wenden und Anzeige erstatten. Wichtig ist, die genauen Abläufe beim Kauf der Anteile zu notieren, damit Anwälte die Situation besser einschätzen können.
Geplatzte Blase um Schifffonds
Schifffonds hingegen galten lange Jahre als relativ sichere und lukrative Anlage. Das hat sich grundlegend geändert. Beim Niedergang der Schifffonds, von denen sehr viele Anleger betroffen sind, scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. Steffen Möller, Chefanalyst für geschlossene Fonds bei der Ratingagentur Scope, meint: „Dass der Markt in dieser drastischen Form kollabieren würde, hat keiner vorausgesehen.“
Auslöser war der Beginn der Finanzkrise. In den Jahren zuvor glänzten Schifffonds als lukrative und steuerschonende Anlage. Die Folge: Sehr viele neue Schiffe, darunter vor allem Tanker- und Containerschiffe, wurden gebaut. Dieser Boom traf etwa 2008 auf rückläufige Aufträge und eine steigende Anzahl von Schiffen – finanziert von gutgläubigen Anlegern, die sich von der Euphorie der Fonds-Initiatoren und den schönen Zahlen aus der Vergangenheit anstecken ließen.
Noch immer befinden sich Schiffe im Bau, die längst nicht mehr benötigt werden. So ist eine Blase entstanden, die nun platzt. Das Überangebot an Kapazitäten hat sinkende Charterraten zur Folge. Charter- und Frachtraten – das sind Miet- und Transportpreise – unterliegen konjunkturellen Schwankungen.
„Diese bekannte und offensichtliche Tatsache hat man bei der Konzeption der Schifffonds und der Beratung der Anleger durch ihre Berater häufig ausgeblendet“, so Fachanwalt Nittel. Die Zahlen beweisen die Flaute: So sank der Harpex-Index, der die weltweite Preisentwicklung am Chartermarkt für Schiffe abbildet, um 50 Prozent unter seinen langjährigen Mittelwert. Besserung ist nicht in Sicht. Die Ratingagentur Feri ermittelte, dass Anleger rund 40 Milliarden Euro Kapital in Schifffonds steckten. Eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPW und der Deutschen Fondsresearch aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass sich zurzeit knapp 270 Schifffonds in Sanierung befinden. Auch Nittel sieht schwarz: „Für die nahe Zukunft ist keine Besserung in Sicht.“
Rechtlichen Rat einholen
Anleger, die den Verlust ihres Kapitals fürchten, benötigen Hilfe. Verbraucherschützer und Anlageexperte Niels Nau- hauser rät: „Betroffene brauchen rechtlichen Rat. Die Verbraucherzentralen können keine Einzelfallprüfungen durchführen.“ Wer einen guten Anwalt sucht, dem empfiehlt er zu prüfen, wer welche Fälle vertreten hat und welche Urteile der jeweilige Anwalt erzielt hat. In der Erstberatung lässt sich der Anwalt schildern, wie der Stand der Dinge ist und unter welchen Bedingungen der Kauf der Anteile stattgefunden hat. Verfügt der Mandant nicht über eine Rechtsschutzversicherung, die diese Problematik miteinschließt, macht er ihn auf ein mögliches Prozesskostenrisiko aufmerksam. Uwe Siemon, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Frankfurt, unterscheidet bei Problemen mit geschlossenen Fonds zwei Dinge: „Zum einen muss untersucht werden, ob es Fehler bei der Beratung gegeben hat. Zum anderen kann es sein, dass im Prospekt falsche Aussagen stehen oder Hinweise fehlen beziehungsweise für den Anleger nicht zu erkennen waren.“
Viele Anwälte setzen bei ihrer Strategie auf die mangelnde Aufklärung über die sogenannten Kickbacks. Das sind Vergütungen, die an die beratende Bank zurückfließen. Hat der Berater beim Verkaufsgespräch nicht darauf hingewiesen, kann der Kunde möglicherweise sein eingesetztes Kapital zurückverlangen. Gerichte haben jüngst oft anlegerfreundlich geurteilt. Doch inzwischen setzen aufgrund dieser Urteile viele Rechtsanwälte darauf, dass über Kickbacks nicht aufgeklärt wurde.
Falschberatung muss nachgewiesen werden
Den Richtern gefällt das nicht immer. So sieht es auch Nittel: „Kickbacks sind kein Allheilmittel, die Richter sind inzwischen etwas genervt.“ Für die Anwälte bedeutet dies, bei der Recherche gründlicher vorzugehen. Denn den Nachweis der Falschberatung muss nach deutschem Recht der Anleger erbringen. Er kann von seinem Berater die Herausgabe der sogenannten WPHG-Bögen verlangen.
Aus diesem gemäß dem Wertpapierhandelsgesetz gestalteten Beurteilungsbogen lässt sich erkennen, wie der Berater seinen Kunden einschätzt. Hat er ihn zum Beispiel in Stufe zwei der fünf möglichen Risikoklassen eingeordnet, wäre die Empfehlung, in einen geschlossenen Fonds zu investieren schon sehr erstaunlich. In diesem Fall muss die Bank erklären, warum sie ihrem Kunden ein Produkt mit höchsten Risiken verkauft hat.
Manche Banken protokollieren sogar jeden Kontakt mit ihren Kunden. Darin steht dann auch, zu welchem Zeitpunkt der Anleger den Fondsprospekt erhalten hat und ob er genügend Zeit hatte, sich vor dem Kauf gründlich zu informieren. Die meisten Richter gehen jedenfalls von einem zehn- bis vierzehntägigen Zeitraum aus. Der Erhalt des Prospekts gilt als Beginn der zehnjährigen Frist, innerhalb derer der Kunde etwas unternehmen muss.
Was die Kickbacks angeht, so muss der Anleger nachweisen, dass er das Produkt nicht gekauft hätte, wäre ihm die Höhe der Provisionen bekannt gewesen. Fonds, die in Schwierigkeiten sind, fordern gern von ihren Anteilseignern Ausschüttungen zurück, die sie ihnen im Laufe der Jahre überwiesen haben. Laut Nittel sollten sich die Betroffenen darauf nicht einlassen: „Denn eine Ausschüttung ist immer eine Rückzahlung des Kapitals. Es handelt sich dabei weder um eine Rendite noch um einen Zins.“ Kommt es zu einer Ausschüttung, lebt auch die Haftung des Kommanditisten, also des Anteilseigners, wieder auf. Das geschieht automatisch immer dann, solange das vertraglich vereinbarte Kapital nicht komplett eingezahlt ist. Anders verhält es sich, wenn der überwiesene Betrag aus erwirtschafteten Gewinnen stammt. Dann besteht keine Rückgabepflicht. Fehlen diese Hinweise im Prospekt, bietet sich hier ein Angriffspunkt für den Anwalt.
Kommt also die Aufforderung zur Rückzahlung der Ausschüttung, sollte der Anleger prüfen, wer der Absender ist. Reagieren muss er nur, wenn der Fonds Insolvenz angemeldet hat und der Insolvenzverwalter die Forderung stellt. Rechtlich betrachtet darf auch die Kredit gebende Bank als Gläubigerin die Rückzahlung verlangen. Doch die hält sich in den meisten Fällen an die Gesellschaft. Steht allerdings im Vertrag eine Klausel, nach der die Einlage des Anlegers als Darlehen deklariert ist, kann die Gesellschaft die Ausschüttung zurückverlangen.
Sanierungskonzepte von Fonds hinterfragen
Häufig kommt es auch vor, dass den Anteilseignern Post von den Gesellschaftern des in Schieflage geratenen Fonds ins Haus flattert. Darin finden sie dann ein Sanierungs- konzept und die Bitte um einen Nachschuss. Fachanwalt Siemon kennt das Spiel: „Man droht mit der Pleite und mit dem Totalverlust. Ein freiwilliger Nachschuss kann angeblich den Fonds retten. Die Anleger fühlen sich sehr unter Druck gesetzt und glauben, sie müssten zahlen. Das stimmt aber nicht.“ Auch Nittel berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Manchmal versuchen es die Gesellschaften auch mit einer Kapitalerhöhung und locken die Kommanditisten mit einer Vorzugsbehandlung bei der Gewinnausschüttung. Ich empfehle, bei Sanierungskonzepten immer vorsichtig zu bleiben. Es gibt keine Nachschusspflicht.“
Bei geschlossenen Fonds tauchen die Probleme meistens erst nach vielen Jahren auf. Dann kommt es darauf an, ob es Fristen gibt, die ablaufen und schnelles Handeln erfordern. Neben der zehnjährigen Frist, die auf den Tag genau berechnet wird, gibt es eine dreijährige Frist, die zu dem Zeitpunkt beginnt, an dem der Anleger das Problem zur Kenntnis genommen hat. Er sollte sich am besten sofort an einen kompetenten Anwalt wenden, damit dieser die Frist unterbrechen kann.
Vorsicht bei geschlossenen Fonds
Nach wie vor und allen Problemen zum Trotz lassen sich Anleger auf eine Beteiligung an einem geschlossenen Fonds ein. In der Beratung wird in aller Regel das mit der Anlage verbundene unternehmerische Risiko bis hin zum Totalverlust herunter- gespielt. Suggeriert wird gerne auch, es würde sich um ein reguliertes und beaufsichtigtes Produkt handeln. Deshalb fordert Dorothea Mohn, für die Kapitalanlage zuständige Referentin beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, das Verbot des aktiven Vertriebs von geschlossenen Fonds an private Anleger: „Für institutionelle Anleger mag das Produkt geeignet sein, für Privatanleger in aller Regel nicht.“ Mit dem Verbot des aktiven Vertriebs an Privatanleger würde Deutschland dem Grundsatz der AIFM-Richtlinie folgen. Dabei geht es unter anderem um eine Neuregelung des Grauen Kapitalmarkts, zu dem auch die geschlossenen Fonds gehören. Sie unterliegen bislang keiner so strengen Regulierung wie zum Beispiel die offenen Investmentfonds. Jedes EU-Land muss die Richtlinie bis zum Juli dieses Jahres in ein nationales Gesetz einbringen. Die AIFM-Richtlinie sieht Privatanleger nicht in der Rolle direkter Investoren, wie es bei geschlossenen Fonds der Fall ist. In fast keinem europäischen Land ist es üblich, dass diese Produkte an Privatanleger verkauft werden dürfen. Der Gesetzesvorschlag des Bundesfinanzministers erlaubt das unternehmerische Risiko auch für private Anleger. Er sieht einen niedrigen Mindesteinsatz von nur 20 000 Euro vor. Zudem soll der Sparer unterschreiben, dass er alle Risiken verstanden hat, damit entbindet er die Initiatoren von der Haftung. Verbraucherschützerin Mohn: „Das ist skandalös. Im Schnitt beträgt das freie Vermögen etwa 40 000 Euro. Da wäre es doch besser, sich auf einen relativen Betrag, zum Beispiel fünf Prozent des freien Vermögens zu einigen. Wichtig für die Zukunft ist es, Provisionen im Finanzvertrieb zu streichen.“ Wenn Deutschland ein System der reinen Honorarberatung hätte, ließe sich ein Teil der Regulierung sparen. Mohn: „Seriöse unabhängige Berater sind solche, die auf Honorarbasis arbeiten. Sie würden geschlossene Fonds nicht empfehlen.“
Rechtsanwalt Nittel hält von den Plänen des deutschen Finanzministers auch nichts. Er fordert einen Mindesteinsatz von 100 000 Euro, um Kleinanleger erst gar nicht in Versuchung zu führen. Sein Kommentar: „Niemand braucht diese Produkte. Überhaupt halte ich 95 Prozent der angebotenen Anlagemöglichkeiten für überflüssig.“
Höhere Hürden für unseriöse Makler
Skeptisch gegenüber der Branche, auch was die Wirkung des AIFM-Gesetzesvorschlags angeht, zeigt sich Chefanalyst Möller: „AIFM schafft per se keine bessere Produktqualität.“ Erfreut zeigt er sich darüber, dass zumindest höhere Hürden für unseriöse Marktteilnehmer eingebaut worden sind: „Sie werden es in Zukunft schwerer haben. Der Aufwand für die Genehmigung eines Fonds wird größer. Vorsätzlichen Anlagebetrug wird man jedoch auch in Zukunft nicht vollständig verhindern können.“
Die neuen Regeln, die spätestens im Juli in Kraft treten werden, können die Sünden der Vergangenheit nicht mehr korrigieren. Zurzeit tummeln sich noch Anbieter auf dem Markt, bei denen der Crash schon in der Luft liegt, und es gibt noch viele Angebote am Markt, die nicht über ausreichende Investmentqualität verfügen.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de