Rhön-Übernahme durch Fresenius

Der neue Klinikriese

Durch die Übernahme eines Großteils der Rhön-Kliniken durch den Fresenius-Konzern kommt ordentlich Bewegung in den privaten deutschen Krankenhaussektor. Es entsteht der europaweit größte Klinikbetreiber. Noch im vergangenen Jahr war die Übernahme an der Intervention eines Mitbewerbers gescheitert. Nun geht jedoch bei den Beschäftigten die Angst vor Entlassungen um.

Der Zusammenschluss klappte erst im zweiten Anlauf: Bereits Ende April 2012 wollte der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius, Besitzer der Helios-Kliniken, die fränkische Rhön Klinikum AG übernehmen und unterbreitete den Aktionären ein Angebot, das gut 50 Prozent über dem damaligen Aktienkurs lag. Doch der Konkurrent Asklepios, bis dato Nummer drei auf dem Markt privater Klinikbetreiber, deckte sich seinerseits mit Rhön-Aktien ein und verhinderte so eine Übernahme.

Der besondere Coup am jetzigen Geschäft: Fresenius kauft für 3,07 Milliarden Euro nun nicht wie ursprünglich geplant die gesamte Aktiengesellschaft, sondern „nur“ 43 Kliniken und 15 medizinische Versorgungszentren. Für diese Art der Transaktion sei keine Zustimmung der Hauptversammlung nötig, sagte der Fresenius-Vorstandsvorsitzende Ulf Schneider der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Man werde alles tun, um die Konflikte des vergangenen Jahres beizulegen. Schneider sagte, Asklepios sei eingeladen, dem Kliniknetzwerk beizutreten, um die Idee einer Netzwerkmedizin mit eigenen Zusatzversicherungen noch attraktiver zu machen.

5,5 Milliarden Euro Umsatz

Durch die Übernahme wird die Fresenius-Tochter Helios zum größten privaten Klinikbetreiber Europas mit insgesamt 117 Kliniken und einem Umsatz von knapp 5,5 Milliarden Euro. Damit erfüllt sich der Wunsch von Fresenius, über das erste flächen- deckende Kliniknetz in Deutschland zu verfügen, wodurch „die Mehrheit der Menschen in Deutschland binnen einer Stunde eine Helios-Klinik erreichen können“. Der Umsatz der übernommenen Einrichtungen mit rund 11  800 Betten wird sich laut Fresenius im Geschäftsjahr 2013 voraussichtlich auf rund zwei Milliarden Euro belaufen, der operative Gewinn liegt bei etwa 250 Millionen Euro. Das Kartellamt muss dem Geschäft noch zustimmen. Im Einzelfall müssen auch noch ehemalige kommunale Träger oder Minderheitsgesellschafter den Deal abnicken. Fresenius rechnet bis Ende des Jahres mit einem Abschluss der Transaktion.

Für Rhön bedeutet das Geschäft einen Umbau der Unternehmensstruktur und eine Neuausrichtung der Firmenstrategie. Der Konzern will sich nach eigenen Angaben in Zukunft vor allem auf Einrichtungen konzentrieren, an denen eine spitzenmedizinische Vollversorgung mit universitärer Forschung einher gehe. Von der Übernahme ausgenommen sind deshalb die Standorte Bad Neustadt, Bad Berka, Frankfurt (Oder) sowie das Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) mit einem Gesamtumsatz von circa einer Milliarde Euro. Im UKGM gibt es schon länger Streit um Investitionen: Rhön wird vorgeworfen, zu wenig Geld zur Verfügung zu stellen. In der Klinik hofft man nach dem Verkauf vieler Rhön-Einrichtungen, dass mehr Mittel für Gießen-Marburg zur Verfügung stehen. Rhön hat aber schon angekündigt, einen Großteil der Einnahmen aus dem Verkauf an seine Aktionäre weiterzugeben. Bis zu 1,9 Milliarden Euro sollen über eine Sonderdividende ausgeschüttet werden.

Der private Krankenhausmarkt in Deutschland wurde bislang von wenigen, nahezu gleich starken Ketten beherrscht. Dazu zählen neben Helios und Rhön unter anderem auch Asklepios und die Sana-Kliniken. Durch die Übernahme der Rhön-Häuser wird Helios zum mit Abstand größten Klinikbetreiber, dessen Umsatz mehr als doppelt so hoch ist wie der der neuen Nummer zwei, Asklepios.

Angst vor Entlassungen

Privatkliniken bleiben damit weiter auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren wurden einige defizitäre Krankenhäuser von von privaten Klinikunternehmen übernommen. Oft verfügen nur noch diese Konzerne über ausreichende Finanzmittel, um nötige Investitionen zu tätigen. Das hat aber für die Hospitäler ihren Preis: Sie werden strikt darauf getrimmt, Gewinne abzuwerfen. Das erreichen sie unter anderem auch dadurch, dass nach Übernahmen Personal abgebaut wird.

Bei den Rhön-Ärzten herrscht deshalb Sorge, ob es nach dem Zusammenschluss zu Entlassungen kommt. „Der angekündigte Umbau der Rhön-Klinikum AG darf nicht zu Lasten der Beschäftigten des Konzerns gehen“, forderte Dr. Andreas Botzlar, zweiter Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Man erwarte von Fresenius-Helios, dass die Rechte der Mitarbeiter vollumfänglich gewahrt werden. „Wir werden sehr genau hinschauen, welche Konsequenzen aus dem Deal für die Ärztinnen und Ärzte in den betroffenen Kliniken erwachsen“, sagte Botzlar. Die neue Konstellation biete auch die Chance zu einer neuen Verständigung über die notwendige Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Sowohl mit Rhön als auch mit den Helios Kliniken hat der Marburger Bund nach eigenen Angaben Ärzte-Tarifverträge abgeschlossen.

Auch das Pflegepersonal ist unruhig. Die Gewerkschaft Verdi sieht tausende Stellen in Gefahr: „Von den 30 000 Arbeitsplätzen sind in den nächsten Jahren bis zu 7000 gefährdet”, sagte Verdi-Experte Uwe Ostendorff der „Wirtschaftswoche“.

Fresenius will allerdings keine Sorgen vor Entlassungen aufkommen lassen: „Wir haben ihre Klinik nicht gekauft, um Personal zu kündigen und die Klinik dann zu schließen”, schrieb der Helios-Chef Francesco De Meo, in einem Brief an die Mitarbeiter der Rhön-Kliniken. Die Tarifverträge von Rhön würden weiter gelten, versicherte er. Bei den anstehenden Tarifverhandlungen stelle sich jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang standortbezogene Tarifverträge bei Rhön erhalten bleiben oder in einen Konzerntarifvertrag überführt werden sollten, schrieb De Meo weiter.

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