Arzneimittelversorgung strukturschwacher Räume

Medikamente auf Rädern

„In Zukunft werden in den Dörfern immer mehr ältere Menschen leben, die wenig mobil, aber auf Medikamente angewiesen sind“, sagt Dr. Steffen Kröhnert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Gesellschaft. Politiker, Ärzte und Apotheker stehen vor der Herausforderung, neue Versorgungswege zu entwickeln. Ein niederländisches Pharmaunternehmen will die Versorgung jetzt mit einem Apothekenbus aufrechterhalten.

Es handelt sich um einen gewöhnlichen Kleintransporter, wie man ihn vom Wochenmarkt kennt. Doch hier sollen weder Wurst noch Käse angeboten werden – sondern Medikamente. Der Apothekenbus von DocMorris soll helfen, unterversorgte Re-gionen zu erschließen. Seine erste Werbetour hat der Bus im August absolviert. Allerdings erst mal ohne Mediakamente an Bord, denn der Vertrieb ist bislang gesetzlich nur den Apotheken vorbehalten.

Entsprechend skeptisch äußern sich Ärzte und Politiker zu diesem Vorstoß. Bei den Krankenkassen hingegen stößt die Idee auf mehr Interesse.

Der Pressereferent der Techniker Krankenkasse, Michael Ihly, glaubt, dass man auf strukturelle Veränderungen auch unkonventionell reagieren darf: „Wenn es absehbar nicht mehr in jedem Dorf einen Arzt oder eine Apotheke gibt, muss man die Versorgung der Menschen anders organisieren. Genauso wie ’mobile Praxen’ wären auch ’mobile Apotheken’ denkbar.“ Allerdings müsste eine mobile Apotheke eine Besonderheit für unterversorgte Regionen bleiben – als zusätzliche Konkurrenz für die Apotheke vor Ort tauge sie nicht.

In einem Interview mit der Deutschen Apotheker Zeitung hatte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einer Lösung mit mobilen Apotheken bereits eine Abfuhr erteilt. Auf Anfrage verwies das Ministerium auf den § 43 des Arzneimittelgesetzes der aussage, dass außerhalb der Apotheken mit den nach Satz 1 den Apotheken vorbehaltenen Arzneimitteln kein Handel getrieben werden dürfe. Auch Gesundheitsausschussmitglied Heinz Lanfermann (FDP) ist davon überzeugt, dass die Bürger „am besten durch den Apotheker vor Ort“ versorgt seien. Er erwarte allerdings auch von den Apothekern „Vorschläge für mobile Versorgungskonzepte“.

Die Opposition teilt die Vorbehalte gegenüber mobilen Lösungen. SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Hellmich sagt: „Den Menschen ist nicht damit geholfen, dass einmal in der Woche ein Apothekenbus im Dorf hält.“ Nötig sei eine am kurzfristigen Bedarf der Patienten orientierte Versorgung mit Medikamenten. Das heißt, nur wenn ein Rezept direkt vom Arzt an die vom jeweiligen Patienten gewünschte Apotheke geht und von dort eine Auslieferung nach Hause erfolgt, sei das Konzept sinnvoll.

Laut dem Pressereferenten der Barmer GEK, Kai Behrens, sei die Kasse mobilen und flexiblen Versorgungsansätzen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen: „Das sind die richtigen Antworten auf akute oder sich abzeichnende Versorgungsengpässe in länd- lichen Gebieten.“ Ob fahrende Apotheken bald auch dazu gehören, werde sich zeigen. Auch Behrens weist darauf hin, dass die rechtlichen Voraussetzungen, Arzneimittel zu erwerben, noch fehlten. Daher gehe er bislang auch eher von einer PR-Aktion aus.

Aus Sicht des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung handelt es sich bei der mobilen Versorgung ländlicher Räume mit medizinischen Dienstleistungen um eine ernsthafte Alternative. Ein Apothekenbus ist laut Institutsmitarbeiter Steffen Kröhnert „ein guter Versuch, trotz Bevölkerungsrückgang und Abbau von Infrastruktur die Versorgung vor Ort zu gewährleisten“.

Die stellvertretende Pressesprecherin des GKV-Spitzenverbands, Ann Marini, macht deutlich, dass sie einen Bus für eine gute Idee hält: „Etwas mehr wirtschaftliche Konkurrenz wäre auch unter den Apotheken nicht verkehrt.“ Die Patienten könnten nur profitieren. Entscheidend sei doch die sichere Versorgung und nicht der Ver-sorgungsweg. Marini: „Warum also nicht auch per Bus dünn besiedelte Regionen vor Ort betreuen, solange die Versorgung und Beratung durch Fachleute stimmt?“

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