Aktuell: Kfo-behandelte Patienten unter Bisphosphonat-Medikation
Hintergrund:
Bisphosphonate (BP) stellen eine gängige Medikation zur Prophylaxe und Therapie von Osteoporose dar und sollen den Knochenstoffwechsel positiv beeinflussen. Eine weitere Indikation besteht in der Behandlung von Knochenmetastasen bei malignen Erkrankungen.
Durch den veränderten Knochenstoffwechsel ergeben sich möglicherweise Auswirkungen auf orthodontische Zahnbewegungen, die besonders bei erwachsenen Patienten eine Rolle spielen können und noch nicht ausreichend erforscht sind. Das Ziel dieser Untersuchung war daher, die bisher berichteten Wirkungen sowie den aktuellen Stand der Wissenschaft bezüglich kieferorthopädischer Behandlungen unter BP-Einnahme am Menschen zu evaluieren. Dies ist besonders für erwachsene Patientinnen in der Menopause relevant.
Material und Methode:
Es wurde eine systematische Literaturrecherche in der Medline Database (Pubmed) durchgeführt, die Publikationen im Zeitraum Januar 2000 bis Januar 2013 einbezog. Außerdem wurde eine manuelle Durchsicht von nationalen, nicht in Pubmed gelisteten Fachzeitschriften, sowie der zitierten Literatur durchgeführt.
Einschlusskriterien waren Fallberichte über Patienten unter BP-Medikation und kieferorthopädischer Behandlungen. Ausschlusskriterien waren Publikationen über tierexperimentelle Untersuchungen oder fehlende BP-Medikation beziehungsweise kieferorthopädische Behandlungen.
Es wurde nach folgenden Stichwörtern beziehungsweise Stichwort-Kombinationen gesucht: „Bisphosphonate“ in Kombination mit: „orthodontic”, „orthodontic treatment”, „tooth movement“.
Ergebnisse:
Abzüglich der Redundanzen ergab die Suche 28 Artikel. Lediglich sieben erfüllten die Einschlusskriterien: vier Fallberichte, zwei Fallserien mit zwei beziehungsweise drei Patienten, sowie ein Originalartikel mit 20 Patienten unter BP-Medikation. Die in den Fallberichten, -serien beschriebenen neun Patientenfälle unterschieden sich stark.
Die Patienten waren im Alter von 15 bis 77 Jahren und erstreckten sich von Niedrig- bis Hochrisikopatienten; das heißt von Patientinnen, die zur Osteoporose-Prophylaxe niedrig dosiert oral BP erhielten, bis zu Hochrisikopatienten, die aufgrund schwer wiegenderen Erkrankungen (beispielsweise sakrales Plasmocytom) hoch dosiert intravenös BP verabreicht bekamen.
Die kieferorthopädischen Behandlungen wiesen bezüglich Schweregrad oder Behandlungsspektrum eine große Spannbreite auf: von Behandlungen einzelner Segmente (kieferorthopädische Extrusion nach Hemisektion der Zähne 46, 47 als Teil einer „Bloodless tooth extraction”) bis zu Behandlungen des gesamten Zahnbogens unter skelettaler Verankerung.
Die einzelnen Autoren der Fallberichte beschrieben teilweise verlangsamte Zahnbewegungen mit verstärkten Nebenwirkungen und damit verbundenen längeren Behandlungszeiträumen, insbesondere bei den Hochrisikopatienten.
Als Nebenwirkungen wurden bei einem Teil der Patienten post-therapeutisch Wurzelresorptionen, sklerotische Knochenareale, erweiterte Parodontalspalten, und unvollständiger kieferorthopädischer Lückenschluss mit geringer Wurzelparallelität beschrieben.
Der Originalartikel stellte eine retrospektive Kohortenstudie mit Frauen im Alter von 50 Jahren dar. Kieferorthopäden in den USA wurden eingeladen, Case Reviews ihrer 50-jährigen Patientinnen durchzuführen.
Das Probandengut umfasste 113 weibliche Patientinnen, unterteilt in zwei Gruppen: eine Gruppe mit BP-Medikation (n=20; 19 mit oral BP, eine mit iv BP) und eine ohne (n=93). Patientinnen mit BP-Medikation, bei denen ein kieferorthopädischer Lückenschluss angestrebt wurde (Extraktionsfälle oder Fälle mit initialen prätherapeutischen Lücken), wiesen signifikant längere Behandlungen auf. Außerdem wiesen sie ein höheres Risiko eines unvollständigen kieferorthopädischen Lückenschlusses und geringer Wurzelparallelität post-therapeutisch auf. Es wurde keine BP- assoziierte Kieferosteonekrose festgestellt.
Schlussfolgerung:
Orthodontische Zahnbewegungen unter Bisphosphonat-Therapie sind möglich und insbesondere bei Niedrigrisikopatienten (niedrige Dosis und kurze, orale Einnahmedauer) durchführbar. Dennoch erscheint der kieferorthopädische Behandlungsverlauf besonders bei Hochrisikopatienten wenig prognostizierbar. Daher sollte eine präzise Anamnese durchgeführt werden. Auch sollte in die Behandlungsplanung ein möglicherweise höheres Ausmaß an Nebenwirkungen (bedingt durch den veränderten Knochenstoffwechsel) miteinbezogen werden, besonders in Extraktionsfällen beziehungsweise Fällen mit initialen Lücken oder bei Hochrisikopatienten. Außerdem sollten mit längeren Behandlungszeiträumen und verlangsamten Zahnbewegungen gerechnet werden.
Dr. Elena KriegerFachärztin für KieferorthopädiePoliklinik für KieferorthopädieUniversitätsmedizin MainzAugustusplatz 255131 Mainzelena.krieger@unimedizin-mainz.de