Mitten im Hochwassergebiet
In der 4 000 Seelen zählenden Gemeinde Friedeburg an der Saale geht das Licht aus. Auch die einzige Zahnärztin hier, Kerstin Richter, hat zusammen mit ihrem Mann bis zum Umfallen um ihre Praxis gekämpft.
Am 4. Juni 2013 geht dann nichts mehr. Die Feuerwehr muss die Pumpen abstellen. Die Einsturzgefahr des Praxisgebäudes durch den steigenden Wasserdruck ist inzwischen zu groß geworden. Der Wasserstand vor der ebenerdigen Praxistür ist mehr als hüfthoch – Katastrophenalarm. 20 Feuerwehrleute kämpfen. Schließlich können nur noch die Instrumentarien und die bereits nass gewordenen Karteien gerettet werden. Die beiden Behandlungsgeräte – obwohl sie hochgefahren waren – Kompressor, alle Kleingeräte, die Möbel sind in wenigen Minuten komplett zerstört. Nun muss alles aufgegeben werden.
Die Katastrophe hat alle Vorstellungen gesprengt
1991 – gleich nach der Wende – hatte Kerstin Richter ihre Existenzgründung mit neuen Praxismöbeln ausgestattet. Damals hat der Bürgermeister der Gemeinde vom letzten Jahrhundert-Hochwasser im Jahr 1954 gesprochen. Aber bereits 1994 und 2003 kam das Hochwasser zurück. Bei beiden waren „nur“ Fußböden und Möbel betroffen und Ausfallzeiten die Folgen. Diesmal aber hat die Katastrophe alle Vorstellungen gesprengt.
Frau Richter lobt die Zahnärztekammer in Magdeburg. Die ganzen Hilfen sind bis jetzt schnell, effektiv und aus Erfahrung gut organisiert. Gebrauchte Zahnbehandlungseinheiten, Kleingeräte und vieles mehr würden von den Kollegen angeboten. Das zinslose Darlehen der Apo-Bank kommt Frau Richter sehr entgegen. Obwohl auch der Sozialminister des Landes Sachsen-Anhalt ihre zerstörte Praxis besucht hat, konnte ihr von Seiten der Politik keine Hoffnung auf Landesmittel gemacht werden.
Unfreiwillig zur „Fliegenden Zahnärztin“
Momentan fühlt sich Frau Richter als „fliegende Zahnärztin“. In Gerbstedt und Rothenburg stellen zwei hilfsbereite Zahnpraxen ihrer Kollegin stundenweise Behandlungszimmer zur Verfügung,damit sie ihre Patienten weiter behandeln kann. Die beiden zahnmedizinischen Fachangestellten, schon viele Jahre zum „Inventar“ gehörend, schaffen danach zum Aufarbeiten und Sterilisieren das Instrumentarium in eine weitere Praxis. Dafür reichen die Kapazitäten in den beiden Ausweichpraxen nicht aus. In den übrigen Nachmittagsstunden werden die Karteikarten im Wohnzimmer des Privathauses vom Ehepaar Richter getrocknet, fotokopiert und neu in den Computer eingegeben. Die Röntgenkartei lässt sich allerdings nicht mehr retten.
So hält sich die gebeutelte Kollegin „über Wasser“, bis sie mit erneuter, zusätzlicher eigener Investition im Bereich von 40 000 bis 50 000 Euro am 1. September 2013 ihre Praxis an neuer Stelle eröffnen wird – mithilfe der Gemeinde, so hofft sie.
Unter Tränen sagt sie: „So leicht lasse ich mich nicht unter kriegen. Und meinen Humor habe ich dabei auch nicht verloren.“ Nach zwei Stunden ist der Eindruck entstanden, dass mein Besuch zusätzliche Hoffnung gebracht hat – auch im Hinblick darauf, dass ein Teil der bundesweiten Kollegenspenden auch hierhin fließen wird.
Auch wegen des Schicksalsschlags für Kerstin Richter darf die kollegiale Solidarität noch nicht aufhören. Ich bitte Sie, weiterhin tüchtig zu spenden, damit die betroffenen Praxen in den Katastrophengebieten Unterstützung erfahren. Beim Spendenvolumen muss der Pegel noch weiter steigen.
Dr. Klaus WinterVorsteher der Stiftung HDZPostfach 135137423 Bad Lauterbergwww.stiftung-hdz.de
Info
Spendenaufruf
Die Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte bittet Sie um Ihre kollegiale Hilfe.