Sparzwänge in Sachsen-Anhalt

Unizahnklinik Halle in Gefahr

sf
Sachsen-Anhalt will bis 2025 bei den Hochschulen in Magdeburg und Halle 50 Millionen Euro einsparen. Dabei geht es auch um die mögliche Schließung der Unizahnklinik in Halle, der einzigen im Bundesland. Studenten und hochschulpolitische Vertreter rufen indes zu Protesten auf. Ein Zwischenbericht.

„Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen“, zischt es sarkastisch durch die Straßen von Berlin. Im anhaltinischen Halle lautet indes die Pendant-Parole „Es hat niemand die Absicht, eine Unimedizin zu schließen.“ Vor Kurzem waren Pläne des Finanzministeriums durchgesickert, möglicherweise einen der beiden Universitätsmedizinstandorte – Halle oder Magdeburg – zu schließen. Hintergrund für die Sparpläne sind nach Angaben der Landesregierung sinkende Studentenzahlen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verteidigte den Sparkurs zuletzt als unumgänglich, berichtet der „Mitteldeutsche Rundfunk“. Im Streit darüber wurde Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) entlassen. Als Nachfolger wurde der ehemalige niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) eingesetzt.

Am 3. Juni stand der erste Besuch des neuen Ministers bei den Hochschulrektoren an. Dabei seien beide Seiten uneins auseinander gegangen. Möllring sagte dem MDR: „Wir sind uns einig, dass wir uns im Moment nicht einig sind.“ Laut Möllring dürfe nicht nach der Rasenmähermethode gespart werden. Stattdessen müssten Strukturentscheidungen getroffen werden. Laut Hochschulen wird der Wissenschaftsrat am 12. Juli ein Gutachten zur Hochschulstruktur Sachsen-Anhalts vorlegen. Danach wird weiter beraten.

Konkret könnte eine solche „Strukturentscheidung“ bedeuten, dass die medizinische Fakultät in Halle und damit die einzige Unizahnklinik in Sachsen-Anhalt aufgegeben wird. Das Gebäude, in dem die Fakultät seit dem Jahr 1936 untergebracht ist, leidet im Übrigen unter einem starken Wasserschaden als Folge einer Havarie (Foto). Vonseiten der Zahnklinik ist deshalb geplant in neue Räume umzuziehen. Doch ein schleppender Bauplanungsprozess verzögert den Umzug. „Der Lehrbetrieb kann durchgeführt werden. Die Mitarbeiter wurden verteilt. Einige arbeiten in extra aufgestellten Containern“, erklärte Prof. Hans-Günter Schaller, Direktor des Hallenser Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde auf Anfrage der zm. Außerdem habe die Zahnmedizin in Halle eine lange Tradition. Hier werde das Fach seit 1883 gelehrt. So lange, wie an keiner anderen deutschen Hochschule.

Für den Dekan der medizinischen Fakultät in Halle, Prof. Michael Gekle, ist klar: „Die Universitätsmedizin Halle bietet einen der besten zahnmedizinischen Studiengänge Deutschlands an.“ Die Statistik gibt ihm Recht. Im Jahr 2012 hat die Unizahnklinik Halle im bundesdeutschen Ranking in Lehre und Forschung den zweiten Platz belegt.

„Eine Schließung brächte unweigerlich Probleme für die langfristige Sicherung der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt mit sich“, erklärt Dr. Frank Dreihaupt, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, aus versorgungspolitischem Blickwinkel. „Es blieben wohl noch weniger junge Zahnärzte hier als jetzt schon. Bereits heute haben viele Praxisinhaber schlechte Chancen, ihre Praxis bei Beendigung der eigenen beruflichen Tätigkeit an einen Nachfolger zu veräußern. Praxen vor allem auch in ländlichen Gegenden werden unbesetzt bleiben. Schon jetzt geht die Zahl der praktizierenden Kollegen in Sachsen-Anhalt deutlich zurück, und der Altersdurchschnitt der Zahnärzteschaft steigt rapide an, aus Mangel an jungen Kollegen, die im Land bleiben“, sagt der Präsident.

Ein Verzicht auf die Universitätszahnklinik, der selbst bei Fortbestehen der Einrichtung als Zahnklinik wohl über kurz oder lang auch eine Abwanderung der besten Wissenschaftler zur Folge hätte, würde der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt darüber hinaus eines ausgesprochen wichtigen Partners bei der Fort- und Weiterbildung der Zahnärzte des Landes berauben. Dreihaupt: „Der so wichtige lebendige Austausch zwischen zahnmedizinischer Wissenschaft und Praxis wäre damit unterbrochen.“ Für den Wissenschaftsstandort Halle wäre der Verlust einer so traditionsreichen Einrichtung wie der medizinischen Fakultät überaus einschneidend. Zudem hätten sich gerade in den zurückliegenden Jahren interdisziplinäre Kontakte mit medizinischen Fächern etabliert, die, etwa in der Tumorforschung, aber auch in der Parodontologie, auf interessante Ergebnisse hoffen lassen.

Das „Hochschulbündnis Sachsen-Anhalt – Perspektiven gestalten“ spricht von „Kahlschlagpolitik“. Die wissenschaftspolitischen Entscheidungen von Ministerpräsident Haseloff und seinem Finanzminister Jens Bullerjahn gefährdeten die „Zukunft des Landes“ heißt es. In Halle haben Mitarbeiter und Studenten der Uniklinik eine Unterschriften-Aktion gestartet. Unter www.hallebleibt.de fordern sie den Erhalt des Klinikstandorts. 13 000 Unterschriften liegen vor.

Auch die Landesärztekammer Sachsen-Anhalt sprach sich dafür aus, beide Unikliniken im Land zu erhalten. Die Präsidentin Simone Heinemann-Meerz sagte dem MDR, die Strukturfrage sei vor 20 Jahren beantwortet worden, als in Magdeburg eine zweite Uniklinik gegründet wurde. „In diesen Jahren haben sich beide Standorte etabliert und profiliert“, so Heinemann-Meerz und verwies dabei auf die Neurowissenschaften in Magdeburg sowie die Krebsforschung und Pflegewissenschaften am Standort Halle. Die Spekulationen über mögliche Schließungen hätten schon viel Flurschaden angerichtet. Zuletzt hatte auch der Dekan der Uniklinik Magdeburg, Hermann-Josef Rothkötter, ein Ende der Spardiskussion und damit ein Ende der Unsicherheit gefordert.

Zum zm-Redaktionsschluss wurde in Halle im Zuge des Hochwassers Katastrophenalarm ausgelöst. Der Direktor der Zahnklinik, Prof. Schaller, wurde aus seinem gefluteten Haus an der Saale evakuiert. Die Standorte der Medizin und der Zahnmedizin waren nicht betroffen. Sie stehen zu weit entfernt vom Ufer des übergelaufenen Flusses.

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Statement von Dr. Frank Dreihaupt (ZÄK S.-A.)

Der Vorstand der Landeszahnärztekammer Sachsen-Anhalt hat sich mit einem Brief an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt gewandt. Darin fordern die Standespolitiker Reiner Haseloff auf, sich für den Erahlt des Medizinstandortes Halle einzusetzen und den Umzug der Zahnklinik zügig voranzutreiben.

Um das Statement vollständig zu lesen, geben Sie auf der Website 93727 in die Suchmaske ein.

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